Pädiatrische B-Zell-ALL mit Standardrisiko: Mit Rezidiven assoziierte Gene identifiziert

Co-Seniorautor Dr. Charles Mullighan (li.) und Co-Erstautor Dr. Ti-Cheng Chang, St. Jude Department of Pathology. Bild: ©St. Jude Children’s Research Hospital

US-Wissenschaftler haben genetische Prädiktoren für Rezidive der pädiatrischen Akuten lymphatischen B-Zell-Leukämie mit Standardrisiko (SR B-Zell-ALL) identifiziert, was die Rolle genetischer Tests bei der Anpassung der Therapie unterstreicht.

Wissenschaftler des St. Jude Children’s Research Hospital, von Seattle Children’s und der Children’s Oncology Group (COG) haben neuartige genetische Variationen identifiziert, die das Rezidivrisiko bei Kindern mit SR B-Zell-ALL ‒ der häufigsten Krebsart im Kindesalter ‒ beeinflussen. Die Identifizierung genomischer Prädiktoren für Rückfälle bei der SR B-Zell-ALL bietet eine Grundlage für eine verbesserte Diagnose, eine präzise Anpassung der Behandlungsintensität und möglicherweise die Entwicklung neuartiger Behandlungsansätze. Die Studie wurde am 09.08.2024 im „Journal of Clinical Oncology“ veröffentlicht.

Die ALL mit Standardrisiko hat eine ausgezeichnete Prognose mit Remissionsraten von >90%. Allerdings erleiden etwa 15% der Patienten, die eine Remission erreichen, später ein Rezidiv. Frühere Studien, die genomische Veränderungen zur Vorhersage des Rezidivrisikos untersuchten, konzentrierten sich hauptsächlich auf ALL-Subgruppen mit hohem Risiko. Die SR B-Zell-ALL stellt eine größere Patientengruppe dar und macht etwa die Hälfte der Kinder mit ALL aus, die ein Rezidiv erleiden. Diese Studie ist eine der ersten, die systematisch in großem Maßstab genetische Faktoren untersucht, die das Rezidivrisiko bei SR B-Zell-ALL beeinflussen.

„Die ALL, die häufigste Krebserkrankung im Kindesalter, ist eine großartige Erfolgsgeschichte mit mehr als 90% geheilten Kindern. Aber es gibt noch immer eine Gruppe von Kindern, deren Krankheit nicht vollständig geheilt ist, und wir haben nicht vollständig verstanden, warum das so ist“, erklärte Co-Seniorautor Dr. Charles Mullighan, stellvertretender Direktor des St. Jude Comprehensive Cancer Center und Mitglied der Abteilung für Pathologie. „Diese Studie konzentrierte sich auf die Gruppe der schlecht verstandenen Fälle, bei denen wir weniger über die Merkmale wissen, die das Risiko dafür beeinflussen, dass die Behandlung nicht wirkt und die Krankheit wieder auftritt.“

Identifizierung genetischer Varianten, die das Risiko modulieren

Genomisches Profiling identifiziert spezifische genetische Veränderungen, die mit Krebsanfälligkeit, Rezidivrisiko und dem Ansprechen von Tumoren auf Therapeutika verbunden sind. Diese Studien ermöglichen es Wissenschaftlern und Klinikern, vorherzusagen, wie Patienten wahrscheinlich auf die Therapie ansprechen, und liefern Erkenntnisse, welche die Behandlung der ALL im Kindesalter beeinflussen. Die Ergebnisse dieser gemeinsamen Studie zeigen die Bedeutung des genomischen Profilings zur genauen Bestimmung des Patientenrisikos bei B-ALL in Verbindung mit traditionellen Kriterien.

„Wir planen, die konventionellen Therapien für Kinder mit ALL in Zukunft zu reduzieren, weil wir wissen, dass viele Patienten mit weniger Therapie geheilt werden können“, erklärte Co-Seniorautorin Dr. Mignon Loh, Leiterin des Seattle Children’s Cancer and Blood Disorders Center, emeritierte Vorsitzende des COG ALL-Komitees, Direktorin des Seattle Children’s Ben Towne Center for Childhood Cancer Research und Leiterin der Abteilung für pädiatrische Hämatologie, Onkologie, Knochenmarktransplantation und Zelltherapie des Seattle Children’s. „Wir möchten sicherstellen, dass wir diese Kinder genau identifizieren, und aufgrund des speziellen Studiendesigns ermöglichte uns dieses Projekt genau das.“

Die Wissenschaftler führten Genom- und Transkriptom-Sequenzierungen sowohl an Proben von SR B-ALL durch, die rezidivierten , als auch an Proben, die in vollständiger Remission blieben (im Verhältnis 1:2). Sie fanden heraus, dass ALL-Subtypen, genetische Alterationen und Aneuploidie-Muster (zusätzliche oder fehlende Chromosomen) mit dem Rezidivrisiko und der Zeit bis zum Rezidiv verbunden waren. Einige B-Zell-ALL-Subtypen, wie hyperdiploide und ETV6::RUNX1 ALL, hatten eine niedrige Rezidivhäufigkeit, aber andere, darunter solche mit PAX5-Alterationen, TCF3/4::HLF, ETV6::RUNX1-like und BCR::ABL1-like, waren mit einem erhöhten Rezidivrisiko verbunden. Insbesondere die spezifische Art der genetischen Veränderungen innerhalb dieser B-ALL-Subtypen beeinflusste das Rezidivrisiko zusätzlich. Diese Arbeit zeigte, dass genetische Variationen und Krebssubtypen das Rezidivrisiko bei der SR B-ALL beeinflussen und Patienten, deren Erkrankung als Standardrisiko klassifiziert wird, Tumoren mit Hochrisikomerkmalen haben können.

„Die Sequenzierung des gesamten Genoms war wichtig, um diese Veränderungen genau und umfassend zu identifizieren, und ohne diese Sequenzierung hätten sie nicht alle identifiziert werden können“, erklärte Mullighan. „Bei Kindern mit SR ALL sollte das Tumorzellgenom nach der Erstdiagnose sequenziert werden, um festzustellen, ob ihre Tumorzellen diese Hochrisikomerkmale aufweisen, damit ihre anfängliche Therapieintensität erhöht werden kann.“

„Über konventionelle Therapien hinaus könnten diese Informationen auch dazu genutzt werden, um neue, personalisierte Behandlungsstrategien zu entwickeln und zu erforschen“, ergänzte Loh.