Pädiatrische MS: Frühe Therapie kann langfristige Schäden verhindern

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Bei pädiatrischer Multipler Sklerose werden Immuntherapeutika wie monoklonale Antikörper mangels Daten meist sehr verzögert eingesetzt. Darauf deuten Studienergebnisse hin, die auf dem diesjährigen ECTRIMS-Kongress in Kopenhagen, Dänemark, vorgestellt wurden.

Bei einer Multiplen Sklerose (MS) im Kindesalter schützt die frühzeitige Therapie mit monoklonalen Antikörpern (mAb) vor langfristig auftretenden Behinderungen. Das zeigen ­aktuelle Forschungsergebnisse, die auf dem ECTRIMS 2024 vor­gestellt wurden.1 Bislang wird die Behandlung der pädia­trischen MS mit mAb aufgrund unzureichender Daten meist bis ins frühe Erwachsenenalter hinausgezögert.

In der Studie, für die Daten des französischen MS-Registers, des italienischen MS-Registers und des weltweiten MSBase-Registers verwendet wurden, analysierten Forschende der ­Universität Melbourne, Australien, die Outcomes von 282 MS-Patienten, bei denen die ersten Symptome vor dem 18. Lebensjahr aufgetreten waren. Die Patienten wurden ­anhand des Zeitpunkts, zu dem sie mit der mAb-Behandlung begannen, in zwei Gruppen ein­geteilt: entweder im Alter von zwölf bis 17 Jahren oder von ­­20 bis 22 Jahren.

Um die Vergleichbarkeit zwischen den Gruppen sicher zu stellen, verwendeten die Forscher eine inverse Wahrscheinlichkeitsgewichtung auf der Grundlage von Propensity Scores, die Unterschiede in der Ausgangslage in Bezug auf Faktoren wie Geschlecht, Alter beim Auftreten der Symptome, Zeit vom Auftreten bis zur ­klinisch definitiven MS und die Anzahl der ­Schübe berück­sichtigten. Dieser Ansatz ermöglichte den Forschenden ­zufolge eine klare Bewertung, wie sich der Zeitpunkt des ­Beginns einer hochwirksamen Therapie auf die Behinderung im Alter von 23 Jahren und darüber hinaus auswirkt.

Unter Verwendung der Expanded Disability Status Scale (EDSS) zeigte die Studie, dass Patienten, die im Alter von zwölf bis 17 Jahren mit der Behandlung begannen (39%), einen durchschnittlichen absoluten Anstieg von nur 0,40 Punkten auf der EDSS hatten, verglichen mit einem ­Anstieg von 0,95 Punkten bei denjenigen, die später mit der Behandlung begannen (61%).

Im Alter zwischen 23 und 27 Jahren war der Anstieg der EDSS-Scores gegenüber dem Ausgangswert in der früh ­behandelten Gruppe um 0,57 Punkte geringer als in der spät behandelten Gruppe. Die Vorteile der frühen Behandlung hielten über den mittleren Nachbeobachtungszeitraum von 10,8 Jahren an.

„Das wesentlich geringere Risiko eines Fortschreitens zu höheren Behinderungsgraden in der früh behandelten Gruppe war besonders im Bereich der mittelschweren Behinderungen deutlich, wo das weitere Fortschreiten um bis zu 97 Prozent reduziert wurde“, erklärte Studienleiterin Dr. Sifat Sharmin.

„Diese Studie unterstreicht die entscheidende Bedeutung einer frühen Inter­vention bei MS im Kindesalter“, betonte die Forscherin. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Einleitung hochwirksamer Therapien wie Ocrelizumab, Rituximab oder Natalizumab im Kindesalter zu deutlich besseren Langzeitergebnissen führen kann, indem die neurologischen Funktionen erhalten bleiben und das Fortschreiten der ­Behinderung verringert wird.“

Gegenwärtig verzögert sich der Zugang zu diesen Behandlungen für pädiatrische MS-Patienten häufig bis zum ­Erwachsenenalter, da die meisten krankheitsmodifizierenden Therapien, die üblicherweise bei erwachsener MS eingesetzt werden, nicht in klinischen Studien für Kinder untersucht wurden. Stattdessen stammen die derzeitigen Erkenntnisse überwiegend aus Beobachtungsstudien.2 „Unsere Ergebnisse sind ein starkes Argument dafür, die derzeitigen Behandlungsrichtlinien zu überdenken“, appellierte Sharmin.