Parthenolid: Pflanzenwirkstoff fördert Regeneration geschädigter Nervenfasern

Dietmar Fischer.Foto.© Michael Wodak/Uniklinik Köln

Kölner Wissenschaftler unter der Leitung von Prof. Dietmar Fischer, Direktor des Zentrums für Pharmakologie an der Uniklinik Köln, haben eine neue Studie zur Förderung der Nervenfaserregeneration durch einen Pflanzenwirkstoff veröffentlicht.

Schädigungen des Gehirns, Rückenmarks oder Sehnervs führen in der Regel zu lebenslangen, irreparablen Schäden. Beispiele sind Querschnittslähmungen nach Rückenmarksverletzungen oder Erblindungen nach Sehnerv-Schäden. Bis heute sind Heilungen nicht möglich, da die durchtrennten Nervenfasern normalerweise nicht nachwachsen.

In einer früheren Arbeit konnten die Kölner Forschenden zeigen, dass durch die Anwendung eines sogenannten Designer-Zytokins mit dem Namen Hyper-Interleukin-6 (hIL-6) Nervenfasern im vollständig verletzten Sehnerv und Rückenmark von Mäusen über deutliche Strecken nachwachsen können. Zuvor komplett querschnittsgelähmte Mäuse konnten einige Wochen nach der Behandlung wieder laufen. Denn hIL-6 aktiviert ein Regenerationsprogramm in geschädigten Nervenzellen und ermöglicht so das Faserwachstum.

In ihrer neuen veröffentlichten Arbeit fanden die Wissenschaftler heraus, dass hIL-6 in den Nervenzellen neben den regenerationsfördernden Prozessen auch einen hemmenden Effekt ausübt. Somit limitiert hIL-6 das volle Potential der Behandlung. Diese Hemmung basiert auf einer Reduzierung der dynamischen Prozesse durch hIL-6 in den Faserspitzen, wodurch die mögliche Wachstumsgeschwindigkeit herabgesetzt wird. Die Wissenschaftler verwendeten deshalb Parthenolid – einen Inhaltsstoff aus dem Mutterkraut – der gezielt die dynamischen Prozesse in den Faserspitzen anregt. Die Forschenden konnten zeigen, dass durch die Parthenolid-Gabe die axonale Regeneration deutlich gesteigert werden konnte. Dabei konnte Parthenolid nicht nur die Wirkung von hIL-6 deutlich verbessern, sondern die tägliche Zufuhr des Inhaltsstoffs allein zeigte bereits einen leichten Effekt auf die Regeneration im verletzten Sehnerv und auf das Rückenmark. „Damit ist Parthenolid offenbar der erste systemisch anwendbare Wirkstoff, der eine Funktionsverbesserung nach einer kompletten Rückenmarksverletzung möglich macht“, erklärt Fischer.

Dieses Prinzip ist auch für den Menschen relevant. Das konnten die Wissenschaftler an kultivierten menschlichen Nervenzellen, die aus gespendeten Augen gewonnen wurden, zeigen. „Wir haben diesen Wirkstoff bisher nur bei sehr schweren Verletzung im Sehnerv und Rückenmark getestet, in denen bisher kaum eine relevante funktionelle Verbesserung erreicht werden konnte. Es ist aber wahrscheinlich, dass Parthenolid die Regeneration auch nach leichteren Verletzungen verbessert“, so der Pharmakologe. Er ergänzt: „Dass wir die Wirkung von Parthenolid auch an menschlichen Neuronen nachweisen konnten, ist natürlich besonders erfreulich und vielversprechend.“

Parthenolid führte in den verwendeten Dosen zu keinen messbaren unerwünschten Nebenwirkungen, wie die Forschenden belegen konnten. Trotz dieser vielversprechenden Ergebnisse ist eine schnelle Anwendung oder Testung am Menschen noch nicht möglich und bedarf weiterer klinischer Untersuchungen.

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Quellen Leibinger M, Zeitler C, Paulat M et al. Inhibition of microtubule detyrosination by parthenolide facilitates functional CNS axon regeneration. eLife(2023) https://doi.org/10.7554/eLife.88279.3Uniklinik Köln