Handeln dringend notwendig, denn: „Pathologie ist Daseinsvorsorge“23. Juni 2025 Pressekonferenz am 13. Juni 2025 in Leipzig (Foto: Jörg Singer, DGP 2025) Die Deutsche Gesellschaft für Pathologie (DGP) hat im Rahmen ihrer 108. Jahrestagung in Leipzig (12.-14. Juni) vor Versorgungslücken gewarnt und von der Politik Kurskorrekturen gefordert. Eine flächendeckende medizinische Versorgung ist ein zentrales Element der öffentlichen Daseinsvorsorge in Deutschland. Doch in der Pathologie, so warnten Vertreter der DGP im Rahmen der 108. Jahrestagung der Fachgesellschaft in Leipzig (12.-14. Juni), drohe diese Grundversorgung zunehmend ins Wanken zu geraten. Die Pathologie sei ein unverzichtbarer Pfeiler für Diagnostik, Therapieplanung und Verlaufskontrolle von Erkrankungen, betonten die Repräsentanten der DGP anlässlich einer Pressekonferenz. Ohne grundlegende Veränderungen des personellen, strukturellen und gesundheitspolitischen Status quo seien in Deutschland in wenigen Jahren gravierende Versorgungslücken in der pathologischen Diagnostik zu erwarten, warnten sie. Pathologie sichert medizinische Grundversorgung und Präzisionsmedizin Mehr als 95 Prozent aller bei Krebsverdacht entnommenen Gewebeproben werden der DGP zufolge von Pathologen beurteilt. Dafür stehen nach Angaben der Fachgesellschaft in Deutschland derzeit nur 1753 Pathologen zur Verfügung, was rechnerisch einer Facharztquote von einem Pathologen auf etwa 48.000 Menschen entspreche. Zum Vergleich: In der Radiologie liegt das Verhältnis bei 1:8500. „Die Situation wird zusätzlich dadurch verschärft, dass über die Hälfte der Pathologen älter als 50 Jahre ist und somit viele aus dieser Gruppe in den nächsten fünf bis zehn Jahren in Rente gehen werden“, heißt es aus den Reihen der DGP. „Für die Vielzahl an Erkrankungen mit ihren Untergruppen und Subtypen, die alle eine sichere pathologische Diagnose erfordern, gibt es in Deutschland schlichtweg zu wenig Expertinnen und Experten und wenig Nachwuchs“, schilderte Tagungspräsident Prof. Philipp Ströbel die aktuelle Situation hierzulande. „Zudem sind Spezialisierungen, wie sie für seltene und komplexe Fälle unabdingbar sind, häufig durch das Interesse und die wissenschaftliche Tätigkeit einzelner Personen entstanden und nicht Folge einer übergeordneten Strategie – strukturell ist die Spezialisierung zum Beispiel auf ein einzelnes Organsystem in der deutschen Pathologie nicht vorgesehen. Das funktioniert auf Dauer nicht mehr“, warnte der Leiter des Institutes für Pathologie der Universitätsmedizin Göttingen. „Ich möchte nicht behaupten, dass die Pathologie in den nächsten Jahren ausstirbt, aber ich betrachte die Entwicklung mit Sorge. Ohne ausreichend Personal, spezialisierte Strukturen und mehr gesundheitspolitische Aufmerksamkeit droht unser Versorgungssystem aus dem Gleichgewicht zu geraten. Ein erster wichtiger Schritt wäre eine Bedarfsanalyse im deutschen Gesundheitssystem und ein Überblick, wo welche Pathologieexpertise heute vorhanden ist. Das wissen wir alles nicht. Als nächstes stünde die Frage: Gibt es definierte und überprüfbare Qualitätskriterien für Spezialzentren? Wie werden solche Zentren finanziert? Das alles fehlt im Moment, die Versorgung mit pathologischer Diagnostik und Spezialexpertise ist derzeit noch zu wenig strukturiert und deshalb auch nicht zukunftssicher.“ Pathologie in der interdisziplinären Krebstherapie Mögliche Versorgungslücken würden sich besonders deutlich auf die Krebsversorgung auswirken, betont der Chirurg Prof. Michael Ghadimi, Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft: „Ohne fundierte pathologische Diagnostik sind bei Krebserkrankungen keine Therapieentscheidungen möglich – weder bei der Bestimmung der Krebsart, des Tumorstadiums noch bei Schnellschnitten während der Operation oder bei der molekularen Einordnung im Tumorboard.“ Gerade angesichts neuer, immer komplexerer und präziserer Krebstherapien und Medikamente, die eine aufwendige Stufendiagnostik erfordern, hat die Pathologie eine Schlüsselrolle. „Ohne Pathologie ist auch die flächendeckende und qualitativ hochwertige Krebsversorgung in Gefahr“, so Ghadimi. Herausforderungen bei seltenen Erkrankungen Der Mangel an spezialisierten Pathologen wird am Beispiel der Sarkome besonders deutlich: eine seltene Krebsform, von der in Deutschland jährlich etwa 4800 Menschen betroffen sind und deren Diagnostik besonderes Spezialwissen erfordert. Nur etwa 20 Pathologen verfügen in Deutschland über diese Kenntnisse, eine davon ist Prof. Eva Wardelmann: „Da seltene Tumoren im klinischen Alltag kaum vorkommen, ist die Erfahrung mit ihrer Diagnostik begrenzt“, erklärt die Expertin und Referenzpathologin. „Weniger als die Hälfte dieser Erkrankungen wird in spezialisierten, zertifizierten Sarkomzentren behandelt, und noch weniger Fälle werden referenzpathologisch, also durch eine pathologische Zweitmeinung, abgesichert. Dabei führen solche Zweitmeinungen in bis zu 30 Prozent der Fälle zu einer Diagnoseänderung – mitunter lebensentscheidend für die Betroffenen.“ Für eine sichere Diagnose und optimale Therapie seien hochspezialisierte Pathologinnen und -pathologen unerlässlich. Diese Expertise sei oft nur an wenigen Standorten mit Spezialmethoden verfügbar, so Wardelmann. „Eine Zweitbefundung in einem pathologischen Spezialzentrum für seltene Erkrankungen ist in Deutschland nicht vorgeschrieben und wird auch nicht finanziert. Für Pathologieinstitute lohnt sich der Aufbau von Spezialwissen also nicht und ist damit für viele junge Ärztinnen und Ärzte unattraktiv, weil Anerkennung, Förderung und Vergütung fehlen. Hier sind dringend Kurskorrekturen nötig, denn es drohen Versorgungslücken, die bei der Versorgung von Menschen mit seltenen Erkrankungen beginnen und dann auch in der Fläche spürbar werden.“ Pathologie als Rückgrat der Medizin „Pathologie ist kein Nebenfach – sie ist das Rückgrat der Medizin“, appelliert Prof. Christoph Röcken, Vorsitzender der DGP, an die Gesundheitspolitik. Trotz ihrer zentralen Rolle bleibt die Pathologie im deutschen Gesundheitssystem unterfinanziert und unterbewertet. „Die aktuelle Krankenhausreform fokussiert stark auf klinische Fächer und die Allgemeinmedizin, vernachlässigt aber das Querschnittsfach Pathologie – ebenso wie seltene Erkrankungen, die hochspezialisierte Diagnostik erfordern“, kritisiert Röcken. Auch in der Öffentlichkeit werde die Bedeutung der Pathologie häufig unterschätzt: „Viele verbinden unser Fach noch immer vorrangig mit Obduktionen, dabei sind wir zu 99 Prozent mit der Versorgung lebender Patienten beschäftigt.“ Bei allen Strukturreformgedanken im Gesundheitswesen blieb die Pathologie bislang unberücksichtigt, so Röcken. Spezialexpertise werde weiterhin erwartet, aber nicht honoriert, die strukturelle Förderung hochqualifizierter Diagnostik bleibt aus. Die Trennung in ambulante und stationäre Sektoren erschwere die Profilbildung und führe zu massiven Ungleichgewichten bei der Vergütung, fasst Röcken zusammen. „Wenn wir die fachärztliche Exzellenz der Pathologie erhalten wollen, brauchen wir endlich politische Rückendeckung und verlässliche Rahmenbedingungen, die den tatsächlichen Anforderungen an das Fach gerecht werden.“
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