Patientensicherheit weist Mängel auf20. Februar 2020 Der Mediziner Prof. Max Geraedts hat die nach eigenen Angaben erste Studie zur Patientensicherheit in der ambulanten Versorgung geleitet. (Foto: © Bert Bostelmann/Wort & Bild-Verlag) Fehldiagnosen, falsche Verschreibung von Medikamenten, unzureichende Erhebung der Krankengeschichte: Patienten wissen eine Menge zu erzählen, wenn es um Mängel der ambulanten medizinischen Versorgung geht – sofern man sie fragt. Ein Team um den Marburger Gesundheitsversorgungsforscher Prof. Max Geraedts hat das nun erstmals systematisch getan. Die Wissenschaftler befragten 10.000 Bürger, welche Probleme sie bei niedergelassenen Ärzten erlebt haben. Viele Menschen suchen zuerst die Praxis von niedergelassenen Ärzten auf, wenn sie medizinische Hilfe oder Rat benötigen; „trotzdem gibt es so gut wie keine Daten über Probleme mit der Patientensicherheit in der ambulanten Versorgung, weder in der Bundesrepublik noch international“, erklärt Geraedts. Dabei zeigen Schätzungen für den stationären Bereich, dass die Patientensicherheit sehr wohl verbesserungsbedürftig ist: Demnach erleiden fünf bis zehn Prozent aller Krankenhauspatienten unvorhergesehene Schädigungen. Wie steht es in der ambulanten Versorgung um die Patientensicherheit? Geraedts und sein Team befragten mittels eines neu entwickelten Erhebungsbogens 10.000 Personen über 39 Jahre, die zufällig ausgewählt worden waren. Das Ergebnis: 14 Prozent der Teilnehmer berichteten über Probleme, die aufgetreten seien, wenn sie niedergelassene Ärzte konsultierten. Die telefonische Umfrage dokumentiert mehr als 2500 Einzelfälle. Bei 61 Prozent davon geht es um unzureichend erhobene Vorgeschichten der Patienten oder um unzulängliche Diagnostik. In 75 Prozent der Fälle klagten die Betroffenen über negative Folgen wie unnötig lang anhaltende Schmerzen oder die Verschlechterung ihres Gesundheitszustands, die auf die Probleme bei der Behandlung zurückgingen; bei 35 Prozent der Vorkommnisse kam es demnach zu dauerhaften Schäden, 31 Prozent lösten weitere Arztbesuche, 14 Prozent Notfallbehandlungen und zehn Prozent Krankenhausaufenthalte aus. Auf Allgemeinmediziner entfielen 44 Prozent der Patientenberichte, auf Orthopäden 15 Prozent und auf Internisten 10 Prozent. „Unsere Ergebnisse belegen, dass Probleme der Patientensicherheit in der ambulanten Versorgung häufig sind, oft mit Gesundheitsschäden einhergehen und zusätzliche Behandlungen nach sich ziehen“, resümiert Geraedts. „Die Ergebnisse können helfen, kritische Situationen zu erkennen und gezielte Maßnahmen zur Vermeidung von Problemen zu entwickeln.“ Darüber hinaus zeige die Studie, dass Patientenberichte eine wertvolle Quelle zur Identifizierung von Sicherheitsproblemen seien; sie könnten demnach dazu beitragen, die Patientensicherheit zu verbessern. Diesen Aspekt betont auch das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) in einer Stellungnahme: Grundsätzlich sei es schwierig, Probleme mit der Patientensicherheit zu erheben, weil die Einschätzung von professionellen Kräften und Betroffenen variiere. „Im Aktionsbündnis sind wir davon überzeugt, dass es von unschätzbarem Wert ist, die Patientinnen und Patienten selbst einzubeziehen, um die Sicherheit in der Versorgung zu bewerten und zu verbessern“, sagt Marcel Weigand, Generalsekretär im APS. Geraedts lehrt Versorgungsforschung und Klinische Epidemiologie an der Philipps-Universität Marburg. Neben Geraedts Arbeitsgruppe beteiligte sich Dr. Johannes Leinert vom Sozialforschungs-institut Infas an der Studie. Der Gemeinsame Bundesausschuss, eine Einrichtung der Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen, unterstützte die zugrundeliegende Forschungsarbeit finanziell.
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