PAVK der oberen Extremitäten: Wie ist die Versorgungslage in Deutschland?

Bei rund jedem fünften Patient, der aufgrund einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit in den oberen Extremitäten in ein Krankenhaus eingewiesen wird, erfolgt innerhalb eines Jahres die Amputation der betroffenen Extremität. (Symbolfoto: ©pongmoji/stock.adobe.com)

Ein Studienteam der Uni Münster hat erstmals eine große deutschlandweite Analyse zur Behandlung und Prognose von Patienten mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) der oberen Extremitäten veröffentlicht – und dabei gravierende Versorgungslücken aufgedeckt.

„Im Gegensatz zur pAVK der unteren Extremitäten (lower extremity artery disease; LEAD) sind die Daten über die Prävalenz, Behandlung und Prognose von Patienten mit pAVK der oberen Extremitäten (upper extremity artery disease; UEAD) nur sehr spärlich vorhanden“, bemängelt PD Dr. Nasser Malyar, Leiter der Sektion Angiologie der Klinik für Kardiologie I am Universitätsklinikum Münster. Die wenigen Analysen zu UEAD würden auf kleinen Kohortenstudien oder auf deskriptiven Analysen aus einzelnen Zentren basieren. „Dadurch gibt es bis heute kaum Evidenz bei der Behandlung von Patienten mit einer UEAD und dementsprechend fehlen bisher evidenzbasierte, einheitliche Leitlinienempfehlungen dazu“, sagt Malyar, Co-Autor der jüngst veröffentlichten Studie.

Das Studienteam aus Münster hat im Rahmen des vom Gemeinsamen Bundesausschuss geförderten Projektes GenderVasc nun die Prävalenz, das therapeutische Management sowie die Langzeitprognose hinsichtlich Amputation und Mortalität der UEAD untersucht und im „European Heart Journal“ publiziert.

UEAD-Patienten im Schnitt jünger und mit mehr Komorbiditäten

Die Autoren der Studie haben für die Analyse Daten aller stationär behandelten Patienten mit der Hauptdiagnose UEAD der Krankenkasse AOK aus den Jahren 2010 bis 2017 einbezogen (n=2437). Die Patienten waren im Median 67 Jahre alt und 43 Prozent waren Frauen. Obwohl Patienten mit einer UEAD im Vergleich zu jenen mit einer LEAD im Rutherford-Stadium 4–6 (chronic limb threatening ischemia; CLTI) zehn Jahre jünger waren, litten sie häufiger an zusätzlichen kardiovaskulären Komorbiditäten.

Dazu zählen Diabetes mellitus, Hypertonie, aktiver Raucherstatus, chronische Herzinsuffizienz oder chronische Nierenkrankheit und/oder entzündlichen Erkrankungen wie Raynaud-Syndrom, Rheumatoide Arthritis, Thromangitis obliterans oder Sjörgen-Syndrom. Mehrere dieser Begleiterkrankungen waren bei Männern außerdem häufiger als bei Frauen.

Hohe Amputations- und Mortalitätsraten – vor allem bei Männern

Im Verlauf von 30 Tagen musste bei 15 Prozent der UEAD-Patienten die Amputation der oberen Extremität erfolgen. Die Amputationsrate stieg nach einem Jahr auf 20 Prozent und erreichte hier ein Plateau, wobei die Mortalitätsrate während der Beobachtungsphase stetig anstieg und nach fünf Jahren bei 45 Prozent lag. Bemerkenswert war, dass sowohl die Amputations- als auch die Mortalitätsrate bei Männern höher war als bei Frauen.

„Die hohen Amputations- und Mortalitätsraten – in dem vergleichsweise sehr jungen Kollektiv – spiegeln die äußerst schlechte Prognose in dem eher heterogenen und jungen Patientenkollektiv von UEAD-PatientInnen wider. Obwohl es für die UEAD keine Einteilung nach Schwergrad gibt, wie es für die LEAD der Fall ist, ist die Prognose unabhängig ihrer zugrundeliegenden Erkrankung sogar schlechter als im Vergleich zu PatientInnen mit LEAD im Stadium der CLTI“, erläutert Dr. Lena Makowski, Erstautorin der Studie.

Versorgungslücken aufgedeckt

Der Deutschen Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin e.V. (DGA) zufolge belegen die Ergebnisse der Studie, „dass erstens die Erkrankung häufiger ist als angenommen und zweitens, dass die Versorgung von PatientInnen mit einer UEAD hinsichtlich Diagnostik, Therapie und Sekundärprävention sogar noch schlechter ist als die Versorgung der PatientInnen mit LEAD“. So erhielten während des Index-Krankenhausaufenthaltes nur etwa die Hälfte der UEAD-Patienten eine diagnostische Angiographie (intraarterielle DSA/CT-/MRT-Angiographie). Auch die Rate an Revaskularisationen (endovaskulär oder gefäßchirurgisch) war mit etwa einem Drittel der Patienten sehr niedrig. Trotz bekannter Diagnose erhielten nur knapp die Hälfte der UEAD-Patienten vor dem Krankenhausaufenthalt Statine oder Antithrombotika, wobei Männer diese evidenzbasierten Medikamente häufiger erhielten als Frauen.

„Die Ergebnisse dieser Studie sind wichtig und hilfreich, um die Bedeutung der Erkrankung, die Epidemiologie, die derzeitigen therapeutischen Unzulänglichkeiten und die Determinanten der schlechten Prognose der UEAD besser zu verstehen. Weitere, prospektive klinische Studien sind dringend notwendig für eine zukünftige, evidenzbasierte und leitliniengerechte Versorgung von Betroffenen und damit für eine Verbesserung der aktuell schlechten Prognose der PatientInnen mit einer UEAD“, betont Malyar.