Per Anhalter: Pathogene Mykobakterien verbreiten sich durch Anhaftung an Erythrozyten

Tuberkuloseerreger (Abbildung: Giovanni Cancemi/stock.adobe.com)

In einer aktuellen Veröffentlichung beleuchten japanische Wissenschaftler die Wechselwirkung von Mykobakterien mit roten Blutkörperchen und ihre Rolle bei Lungenerkrankungen.

„Pathogene Mykobakterien wie Mycobacterium tuberculosis, Mycobacterium avium subsp. hominissuis (MAH) und Mycobacterium intracellulare verursachen als intrazelluläre Parasiten von Makrophagen Lungeninfektionen“, erklärt Erstautorin Prof. Yukiko Nishiuchi vom Toneyama Institute for Tuberculosis Research an der Osaka City University Graduate School of Medicine zum Ausgangspunkt der Studie.

Die Forschenden untersuchten Lungengewebe von fünf Mäusen, die mit zwei Arten von Mykobakterien – M. avium und M. intracellulare – infiziert waren, sowie von einem menschlichen Patienten mit einer MAH-Infektion. Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass Erythrozyten zusammen mit Mykobakterien sowohl in den Kapillargefäßen als auch in Granulomen bei Mäusen und im menschlichem Lungengewebe lokalisiert waren.

Um die Beziehung der Mykobakterien zu menschlichen Erythrozyten zu beurteilen, überwachten die Forschenden deren Wachstum mit und ohne die Blutkörperchen. Sie fanden heraus, dass MAH in Gegenwart von Erythrozyten stärker wuchs und sich mit einer von der Erythrozytenkonzentration abhängigen Rate vermehrte. Ihr exponenzielles Wachstum war sogar stärker als das Wachstum von MAH in Makrophagen. „Diese Ergebnisse zeigen, dass die Erythrozyten das kräftige Wachstum von MAH förderten“, sagt Nishiuchi.

Darüber hinaus ergab die Studie, dass Makrophagen, die typischerweise als parasitäre Wirte von Mykobakterien anvisiert werden, bevorzugt Erythrozyten mit daran gebundenem MAH aufnehmen. Die Bindung von MAH an Erythrozyten könnte die Freisetzung von Energie in Form von ATP verursacht haben, mutmaßen die Forschenden. Diese Energie habe dann möglicherweise Makrophagen dazu angeregt, die infizierten Zellen aufzunehmen.

Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit

Die Ergebnisse zeigten, dass sich pathogene Mykobakterien an menschliche Erythrozyten anheften und dann aus dieser Beziehung Kapital schlagen, indem sie sich vermehren. Mykobakterien seien schon zuvor außerhalb von Makrophagen an Infektionsstellen gefunden worden, schreiben die Wissenschaftler. Die neuen Erkenntnisse deuteten nun darauf hin, dass das Vorhandensein dieser extrazellulären Mykobakterien ein Ergebnis der Beziehung zu Erythrozyten sein könnte.

Während Erythrozyten am besten für ihre Rolle beim Sauerstofftransport zwischen Lunge und Gewebe bekannt sind, spielen sie außerdem gleich zwei Rollen bei mykobakteriellen Infektionen: Sie haben eine Abwehrfunktion gegen Infektionen, indem sie Krankheitserreger einfangen und auf Makrophagen in Leber und Milz übertragen, um sie zu eliminieren. Die aktuelle Studie zeigt, dass Erythrozyten auch Mykobakterien als Wirtszellen dienen können.

A. Mykobakterien koexistieren mit Erythrozyten in Kapillargefäßen und in Granulomen, existieren auch in Makrophagen. B. Mykobakterien vermehren sich aktiv, wenn sie direkt an Erythrozyten (Quadrat) haften können. (Grafik: © Yukiko Nishiuchi, Universität Hiroshima)

Welche dieser Rollen die Oberhand gewinnt, kann den Ausgang einer Infektion bestimmen. Wenn die Abwehrfunktion der Erythrozyten gut läuft, ist die Tuberkulose oder eine andere mykobakterielle Erkrankung unter Kontrolle. Aber Erythrozyten, die von einem Mykobakterien-Angriff überwältigt werden, können dazu beitragen, diese im ganzen Körper zu verbreiten.

Nächste Schritte

Die Autoren der Studie hoffen, den Adhäsionsfaktor auf den Mykobakterien zu identifizieren, der es ihnen ermöglicht, an Erythrozyten zu haften. Dieser Haftmechanismus könnte Hinweise darauf enthalten, wie die Mykobakterien, die normalerweise in Makrophagen parasitieren, auch außerhalb von Zellen wachsen können. Das Ziel ist es schlussendlich, mit einem besseren Verständnis dessen, wie pathogene Mykobakterien zwecks eigener Ausbreitung das Abwehrsystem des Wirts navigieren, zur Entwicklung neuer Therapien beizutragen.