Peripartale Traumatisierungen: Konsortium erforscht Vorbeugung und Behandlung

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Das neu gestartete Konsortium PERITRAUMA erarbeitet unter Leitung von Prof. Kerstin Weidner vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden eine neue S3-Leitlinie zu Prophylaxe, Diagnostik und Therapie von peripartalen Traumatisierungen.

Jede zweite Frau macht während der Geburt belastende Erfahrungen. Etwa fünf Prozent der Mütter entwickeln danach eine Posttraumatische Belastungsstörung. Eine neue Leitlinie soll darauf eingehen und Versorgungsabläufe im Kreißsaal so gestalten, dass eine traumasensible Geburtshilfe möglich ist.

„Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und klinischer Praxis sowie Betroffenen-Vereinigungen arbeiten zusammen, um wissenschaftlich fundierte Standards und konkrete Vorschläge zur Vorbeugung und Behandlung peripartaler Traumatisierungen zu entwickeln“, sagt Weidner. „Intersektorale Zusammenarbeit sowie der intensive Austausch zwischen Forschung und Patientinnenversorgung ist der Schlüssel für die Medizin der Zukunft. Das Universitätsklinikum Dresden übernimmt hier Verantwortung und ist Ansprechpartner für weiterer dieser Vorhaben“, kommentiert Prof. Uwe Platzbecker, Medizinischer Vorstand am Uniklinikum.

Interdisziplinäres Management im Fokus

Die S3-Leitlinie PERITRAUMA zeigt erstmals allen an der Geburt beteiligten Berufsgruppen ein interdisziplinäres Management bei möglichen peripartalen Traumata auf und schützt durch Prävention und verbesserte Versorgung die psychische Gesundheit der betroffenen Frauen, ihrer Kinder, Familien sowie der Geburtshelfer. Ursachen für traumatische Geburtserfahrungen (TGE) können das Erleben von Hilflosigkeit und Kontrollverlust im Kreißsaal zum Beispiel bedingt durch Komplikationen, überdurchschnittliche Schmerzen oder als unzureichend erlebte Kommunikation des Fachpersonals sein. Bei Frauen mit biografischen Gewalterfahrungen wie zum Beispiel sexuellem Missbrauch kann sich während der Geburt eine Retraumatisierung manifestieren. Peripartale Traumafolgestörungen der Mütter können sich wiederum negativ auf die Mutter-Kind-Bindung und somit transgenerational auch auf die kindliche Entwicklung auswirken.

Betroffen sind aber nicht nur die Mütter, sondern auch Väter, Partner sowie ebenfalls die professionellen Geburtshelfer. Auch sie können potenziell schockierenden Erlebnissen im Kreißsaal ausgesetzt sein und ohne Behandlung eine Traumafolgestörung entwickeln. Neben der psychischen Belastung besteht bei den Fachkräften nach TGE zudem das Risiko, dass sie ihren Beruf nicht mehr ausüben können oder wollen.

Förderung für 30 Monate

Im Konsortium PERITRAUMA werden Experten aus Wissenschaft und klinischer Praxis sowie mehrere Betroffenen-Vereinigungen in einer breit aufgestellten Projektgruppe gemeinsam bereits vorhandene internationale Studien und Behandlungsempfehlungen recherchieren, klassifizieren und bewerten und daraus in der Leitlinie wissenschaftlich fundierte Standards und konkrete Vorschläge zur Vorbeugung und Behandlung von peripartalen Traumatisierungen zusammenfassen. Beteiligte Berufsgruppen kommen aus den Bereichen Psychosomatik, Psychotherapie, Pränatalmedizin, Gynäkologie und Geburtshilfe einschließlich Hebammen. Das Projekt wird vom Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Laufzeit von 30 Monaten gefördert.

„Ziel ist es, biografische traumaassoziierte Risiken bei werdenden Müttern frühzeitig zu erkennen und die Versorgungsabläufe im Kreißsaal so zu gestalten, dass eine traumasensible Geburtshilfe möglich ist. Alle in die Geburt involvierten Berufsgruppen sollen durch die Leitlinie angesprochen und ein interdisziplinäres Management bei möglichen peripartalen Traumatisierungen aufgezeigt werden“, betont Weidner abschließend.