PFAS beeinflussen zelluläre Immunantwort auf SARS-CoV-2

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Laut einer aktuellen Studie wirkt sich eine hohe Exposition mit den Ewigkeitschemikalien PFAS negativ auf die zelluläre Immunantwort auf SARS-CoV-2 aus. Das könnte sowohl den Krankheitsverlauf als auch das Ansprechen auf eine Impfung beeinträchtigen.

Per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) sind allgegenwärtig, reichern sich in der Umwelt an und sind nur schwer abbaubar. Es gibt tausende unterschiedliche PFAS-Verbindungen. Über die Nahrung, das Trinkwasser oder die Atemluft gelangen sie in den menschlichen Körper, wo sie sich anreichern und sich auf unsere Gesundheit auswirken können. „PFAS sind nicht akut toxisch. Doch da wir ihnen nahezu überall in unserer Umwelt begegnen und uns ihnen kaum entziehen können, haben wir es quasi mit einer chronischen Exposition zu tun. Und die ist insbesondere für vulnerable Gruppen wie Schwangere, kleine Kinder oder chronisch Kranke problematisch“, sagt Prof. Ana Zenclussen, Leiterin des Departments Umweltimmunologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ und korrespondierende Autorin der jüngst im Fachmagazin „Environment International“ publizierten Studie.

Die Exposition gegenüber PFAS wird in verschiedenen Studien etwa mit Fettleibigkeit, hormonellen Störungen oder Krebs in Verbindung gebracht. Sie können auch das Immunsystem beeinflussen. Aus epidemiologischen Studien ist bekannt, dass sich PFAS negativ auf die Entwicklung von Antikörpern nach einer Impfung gegen SARS-CoV-2 auswirken. Mit ihrer aktuellen Studie wollten die Forschenden herausfinden, ob und wie sich PFAS auf die zweite Achse des Immunsystems, die zelluläre Immunantwort, auswirken. Denn die ist bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 besonders wichtig, um vor einem schweren Verlauf zu schützen. „Und anders als das bei anderen Viren der Fall ist, sagt ein hoher Antikörpertiter gegen SARS-CoV-2 im Blut nicht unbedingt etwas darüber aus, ob auch die Entwicklung der zellulären Immunantwort adäquat war“, erklärt Zenclussen. „Daher schließen wir mit unserer Studie hier eine wichtige Lücke.“

In-vitro-Untersuchungen mit Immunzellen von Patienten

Für ihre Studie hat das Forschungsteam Blutproben von Frauen und Männern genutzt, die mehrfach gegen SARS-CoV-2 geimpft waren und bereits eine Infektion mit dem Virus durchgemacht hatten. Die in den Blutproben enthaltenen Immunzellen haben die Wissenschaftler im Labor kultiviert und für 24 Stunden einer PFAS-Belastung ausgesetzt. „Dafür haben wir eine spezielle Mischung verwendet, die die PFAS-Exposition der europäischen Bevölkerung realitätsnah abbildet“, erklärt Zenclussen. Die PFAS-Mischung wurde von den norwegischen Kooperationspartnern auf Basis einer großen Kohortenstudie entwickelt. Neben einer realitätsnahen PFAS-Konzentration setzten die Forschenden die Immunzellen in weiteren Versuchsansätzen auch höheren Konzentrationen der PFAS-Mischung aus – bis hin zu einer tausendfach erhöhten Konzentration, die einer Belastung von Menschen entspricht, die im Bereich der Herstellung von PFAS arbeiten.

Dr. Oddvar Myhre vom norwegischen Institute of Public Health in Oslo betont: „Um die komplexen Wechselwirkungen mit dem Immunsystem zu verstehen, insbesondere im Zusammenhang mit der Reaktion auf Impfungen, war es wichtig, ein für den Menschen relevantes PFAS-Gemisch zu verwenden. Diese Vorgehensweise spiegelt reale Expositionsszenarien gut wider und trägt so dazu bei, die potenziellen Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit PFAS-Kontaminationen zu klären.“

Im Anschluss an die PFAS-Exposition wurden die Immunzellen Bestandteilen des Corona-Virus SARS-CoV-2 ausgesetzt. Können die zuvor mit PFAS behandelten Immunzellen noch ausreichend auf das Virus reagieren und es bekämpfen? Oder fällt die Immunantwort schlechter oder deutlich anders aus? Um diese Fragen zu beantworten, hat das Forschungsteam um Zenclussen eine detaillierte Immunanalyse durchgeführt. Dafür nutzten sie die spektrale Durchflusszytometrie – ein modernes Verfahren, mit dem in einem Messschritt die in einer Probe enthaltenen Immunzelltypen identifiziert, quantifiziert und analysiert werden können. Dabei kann auch die Funktionalität der jeweiligen Zelltypen über die Messung ausgeschütteter Botenstoffe bestimmt werden.

Geschlechtsspezifische Reaktion auf PFAS-Exposition

Im Vergleich zu den unbehandelten Proben schütteten in jenen Proben, die zuvor erhöhten PFAS-Konzentrationen ausgesetzt waren, zwei Immunzelltypen vermehrt entzündungsfördernde Botenstoffe aus. „Das deutet auf eine überschießende Immunreaktion hin“, erklärt Zenclussen. „Interessant ist, dass dieser Effekt insbesondere bei den Immunzellen der männlichen Studienteilnehmenden zu sehen war.“ Bei den weiblichen Studienteilnehmenden zeigte sich ein anderes Bild. Hier waren nach erhöhter PFAS-Exposition im Verhältnis weniger B-Zellen vorhanden, die für die Entwicklung von Antikörpern und die Ausbildung einer langfristigen Immunität entscheidend sind. „Dass eine hohe PFAS-Belastung das Immunsystem je nach Geschlecht unterschiedlich beeinflusst, ist ein wichtiger Hinweis, dem in weiterführenden Studien weiter nachgegangen werden sollte“, sagt Zenclussen.

Bei beiden Geschlechtern war die Bildung von für die Immunantwort wichtigen Botenstoffen, die für das Anlocken weiterer Immunzellen oder die Wundheilung wichtig sind, insgesamt herunterreguliert. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass eine Exposition mit hohen PFAS-Konzentrationen die Immunantwort auf SARS-CoV-2 durchaus verändert und womöglich in ihrer Effektivität reduziert“, folgert Zenclussen. „Das könnte bedeuten, dass Menschen mit hoher PFAS-Belastung möglicherweise ein höheres Risiko für einen schlechten Krankheitsverlauf haben oder auch weniger gut auf Impfungen ansprechen. Mit angepassten und individualisierten Impfstrategien könnte dem aber entgegengewirkt werden.“