Pharmaverbände sehen Nachbesserungsbedarf beim EU-Pharma-Paket11. April 2024 Bild: Bojanikus – stock.adobe.com Von der Zustimmung des EU-Parlaments zum Pharma-Paket, der ersten umfassenden Umgestaltung des Arzneimittelrechts auf europäischer Ebene seit Jahren, zeigten sich die Verbände BPI und vfa enttäuscht. „Für den Pharmastandort wurde eine Chance vertan. Weder wurde Europas Profil als Innovationszentrum geschärft, noch wird die Versorgung von Patientinnen und Patienten verbessert. Insbesondere die geplante Schwächung des Unterlagenschutzes ist innovationsfeindlich“, erklärte der Präsident des Verbandes der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland (vfa) Han Steutel. Die forschende Pharmaindustrie spiele eine zentrale Rolle für die Zukunft Deutschlands und Europas, da sie die Bevölkerung mit innovativen Arzneimitteln versorge und nachhaltiges Wachstum erzeuge. Sie ermögliche Zugang zu klinischen Studien und damit zu neuen Behandlungsmethoden. Vor allem ist Steufel zufolge von geopolitischer Bedeutung. „Ereignisse wie der Ukrainekrieg und die Covid-19-Pandemie verdeutlichen die Gefahren einer zu großen außenwirtschaftlichen Abhängigkeit. Wir brauchen eine langfristige Strategie“, forderte er. Insbesondere da die USA und China an Attraktivität gewönnen. „Leider schafft es das ‚EU-Pharmapaket‘ immer noch nicht, mit der angenommenen Position des EU-Parlaments, die pharmazeutische Industrie in Europa im globalen Wettbewerb zu stärken und den Standort insgesamt attraktiver zu gestalten”, bemängelte auch Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI). Unterlagenschutz ist essenziell für Therapieinnovationen „Mit Blick auf den Unterlagenschutz hat das Parlament zumindest erkannt, wie wichtig ein attraktives und verlässliches Anreizsystem im Markt ist. Der Unterlagenschutz wurde nochmals von sechs auf 7,5 Jahre erhöht – und kann unter bestimmten Voraussetzungen maximal um ein Jahr verlängert werden. Beispielsweise bei der Durchführung vergleichender klinischer Studien, der Erfüllung eines ‚ungedeckten medizinischen Bedarfs‘ oder der Forschung am Standort Europa. Doch genau hier sehen wir Potenzial: Sinnvoll wäre es, diese Begrenzung aufzuheben und Unternehmen so zu fördern, dass sie mehr als 8,5 Jahre Unterlagenschutz erhalten, wenn sie alle vorgenannten Voraussetzungen erfüllen”, betonte Joachimsen, Er forderte zudem bessere Rahmenbedingungen, um künftig mehr seltene Erkrankungen behandeln zu können. Hierzu zählten das Absenken der Marktexklusivität von derzeit zehn auf neun Jahre. Indem das Parlament an der Global Marketing Authorisation (GOMA) festhalte, werde der Forschungsanreiz auf Marktexklusivität auf nur zwei zusätzliche Indikationen begrenzt, bemängelte Joachimsen. Zudem hätte er sich gewünscht, dass der Unterlagenschutz mehrmals vergeben werden kann. Dass Parlament habe für neu entwickelte Therapien auf Basis bewährter Wirkstoffe (Repurposing) lediglich einen Unterlagenschutz von vier Jahren gewährt. „Positiv bewerte ich den Vorschlag des Europäischen Parlaments, den Unterlagenschutz von der Vermarktung in allen EU-Mitgliedstaaten zu entkoppeln. Sie berücksichtigt, dass die Markteinführung neuer Therapien nicht allein von den Zulassungsinhabern abhängt, sondern auch von den jeweiligen Bedingungen in den Mitgliedstaaten”, betonte Joachimsen. Mehr Bürokratie Auch bei der Umweltverträglichkeitsprüfung bestehe Nachbesserungsbedarf: „Das Environmental Risk Assessment (ERA) muss dem Parlament zufolge den gesamten Produktlebenszyklus eines Arzneimittels abbilden. Es ist fraglich, ob insbesondere die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen diesen bürokratischen Mehraufwand für jedes einzelne Arzneimittel überhaupt leisten können”, sagte Joachimsen. Mehr Bürokratie verursachten auch „realitätsferne“ EU-Regeln im Kampf gegen Lieferengpässe, da das Parlament bedauerlicherweise nicht vom Vorschlag der EU-Kommission abgewichen sei. „Die Meldefristen bei Lieferengpässe bleiben unrealistisch. Zudem müssen Hersteller grundsätzlich für alle Arzneimittel ihrer Produktpalette einen ‚Shortage Prevention Plan‘ anfertigen – nicht nur für die Präparate auf der Liste kritischer Arzneimittel. All diese Regeln sind nicht zweckdienlich und verhindern keinen einzigen Lieferengpass“, so Joachimsen. BPI und vfa setzen nun beide auf die EU-Mitgliedstaaten zur Nachbesserung der Gesetze und verweisen auf die Nationale Pharmastrategie Deutschlands, die einen ersten guten Vorstoß geleistet habe. (hr)
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