Physiologie: Rätsel um ‚stillen‘ Kaliumkanal gelöst3. September 2024 Ein Team der Arbeitsgruppe Vegetative Physiologie, des Instituts für Anatomie der Philipps-Universität Marburg und des Zentrums für plötzlichen Herztod und Kardiogenetik (ZPHK) am Universitätsklinikum Frankfurt fand Neues zur Funktion eines tot geglaubten Kaliumkanals heraus (v.l.): Aytug Kiper, Sven Schütte, Florian Schick, Niels Decher, Susanne Rinné, Silke Kauferstein, Martin Schäfer. Foto: Aytug K. Kiper Eine Forschungsarbeit zum Kaliumkanal TASK-5 könnte zu nebenwirkungsärmeren Medikamenten für Erkrankungen, wie Vorhofflimmern, pulmonal-arteriellen Bluthochdruck, Schlafapnoe bis zu Krebs, führen. Ein jahrzehntelang als ‚still‘ oder gar ‚tot‘ bezeichneter Kaliumkanal in der Zellmembran menschlichen Gewebes hat doch eine entscheidende physiologische Funktion. Der als TASK-5 bekannte Kaliumkanal moduliert nämlich die Funktion verwandter Kanäle, was konkrete Auswirkungen auf Volkskrankheiten wie Vorhofflimmern, pulmonal-arteriellen Bluthochdruck, Schlafapnoe bis zu Krebs haben kann. „Damit bietet TASK-5 einen Angriffspunkt für Medikamente gegen diese Erkrankungen“, sagt Prof. Niels Decher vom Institut für Physiologie und Pathophysiologie der Philipps-Universität Marburg. Mehr noch: Da TASK-5 in verschiedenen genetischen Variationen vorkommt, kann nun abgeschätzt werden, ob ein Medikament im Menschen wirkt oder nicht. Zudem ergibt sich die Möglichkeit, für diese Erkrankungen nebenwirkungsärmere Medikamente zu entwickeln. Die Forschenden um die Erstautor*innen Privatdozentin Dr. Susanne Rinné und Florian Schick unter der Leitung von Decher berichten über ihren Befund im Fachmagazin „Nature Communications“. „So einen Ionenkanal muss man sich vorstellen wie einen winzigen, selektiven Tunnel in der Zellmembran, der sich öffnet und schließt, um spezifische Ionen hindurchzulassen und dadurch elektrische Signale oder zelluläre Funktionen zu steuern“, erklärt Rinné. Kalium-Ionenkanäle in Zellmembranen sind entscheidende Akteure im Stoffwechsel und bei der Kommunikation von Zellen im Gewebe. Sie transportieren geladene Kalium-Atome (sogenannte Kalium-Ionen) selektiv durch die Membran. Aufgrund dieser hohen Relevanz für die gesunde oder pathologische Gewebefunktion haben Forschende sich jahrzehntelang mit diesen Kanälen beschäftigt, deren Funktion detailliert beschrieben und diese Ionenkanäle in Gruppen und Familien unterteilt. Von den in der aktuellen Studie untersuchten Kaliumkanälen wissen die Forschenden und die pharmazeutische Industrie beispielsweise, dass der TASK-1 genannte Kanal hochrelevant für pulmonalen Bluthochdruck und Vorhofflimmern ist, TASK-3 für manche Krebserkrankungen, nur TASK-5 blieb ein Rätsel. „Und das seit seiner Entdeckung vor über zwanzig Jahren“, berichtet Niels Decher. „TASK-5 blieb rätselhaft, da er in verschiedenen menschlichen Geweben vorkommt, seiner Aufgabe – Kalium-Ionen zu transportieren – aber nicht nachkommt“, ergänzt Rinné. In ihren Untersuchungen konnten die Forschenden das Rätsel lösen. TASK-5 sucht gewissermaßen Familienanschluss, um sein Schweigen zu brechen: TASK-5 lagert sich hierbei mit TASK-1- oder TASK-3-Kanälen zusammen. Im Doppelpack – Forschende sprechen hier von heterodimeren Kanälen – moduliert TASK-5 die Funktion und Medikamenten-Empfindlichkeit des Kanalpartners. „Das Besondere an diesen Ionenkanälen ist, dass sie sehr vielversprechende Angriffspunkte für Medikamente darstellen“, erläutert Decher. Eine Vielzahl an Forschenden in Universitäten und Pharmaunternehmen versuchen die Funktionsweise und Pharmakologie dieser sogenannten K2P-Kanäle, zu denen die TASK-Kanäle gehören, zu verstehen und in die therapeutische Anwendung zu bringen. Die habilitierte Erstautorin Susanne Rinné gilt laut dem Bewertungsportal „Expertscape“ in Bezug auf ihre Publikationsliste derzeit als die weltweit führende Forschende auf dem Gebiet der K2P-Kanäle. Niels Decher leitet die Arbeitsgruppe Vegetative Physiologie am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität Marburg. Neben seiner Arbeitsgruppe beteiligten sich weitere Wissenschaftler*innen aus Marburg an der Studie. Ferner gab es eine enge Zusammenarbeit mit Professor Dr. Silke Kauferstein vom Zentrum für plötzlichen Herztod und Kardiogenetik in Frankfurt sowie mit Dr. Thomas Müller von der Bayer AG in Wuppertal.
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