Phytotherapie wirkt kaum bei Rheuma

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Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie und Klinische Immunologie e. V. (DGRh ) hat Heilpflanzen-Präparaten nur einen geringen Nutzen bei Rheuma-Erkrankungen bescheinigt, insbesondere auch bei entzündlichen Gelenkerkrankungen.

In Deutschland ist der Vertrieb von pflanzlichen Präparaten zur Selbstmedikation ein attraktives Geschäftsfeld. 1,4 Milliarden Euro Umsatz wurden damit im Jahr 2020 erzielt. Viele von Rheuma Betroffene erhoffen sich von pflanzlichen Präparaten Linderung ihrer Symptome. Die Kommission für Komplementäre Heilverfahren und Ernährung, die von der DGRh 2021 ins Leben gerufen wurde, prüfte daher die Wirksamkeit der geläufigsten pflanzlichen Arzneimittel. Das Ergebnis: Trotz der großen Beliebtheit bei Patienten überzeugte kaum ein Präparat mit spürbarem Effekt, einige bergen sogar Risiken.

Die Kommission hat jetzt Empfehlungen zur Anwendung komplementärer Heilverfahren bei Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises erarbeitet, die in Kürze veröffentlicht werden. „Auch in Zeiten moderner, spezifisch wirkender und gut verträglicher Medikamente für rheumatologische Erkrankungen besteht bei vielen Patientinnen und Patienten Interesse an alternativen oder ergänzenden pflanzlichen Therapien“, sagt Prof. Gernot Keyßer, Sprecher der Kommission und Leiter des Arbeitsbereichs Rheumatologie an der Universitätsmedizin Halle.

Mitglieder der Kommission sichteten dafür die wissenschaftliche Literatur zu ausgewählten frei verkäuflichen und verschreibungspflichtigen Phytotherapeutika und prüften mögliche Anwendungen in der Rheumatologie. Im Fokus die Frage stand, inwieweit Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Borretschöl, Brennessel- und Cannabis-Präparaten sowie von Zubereitungen mit Heckenrose, Rosmarin, Safran und Weidenrinde vorliegen. Außerdem untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Datenlage zu einem bei Rheuma-Patienten beliebten Mischpräparat aus Eschenrinde, Zitterpappelrinde und Echtem Goldrutenkraut.

„Auch wenn für alle untersuchten Pflanzenstoffe Berichte über entzündungshemmende oder immunologische Effekte im Laborversuch am Tiermodell vorliegen, ist ein klinisch nachgewiesener Nutzen sehr spärlich“, resümiert Keyßer die Ergebnisse der Kommission. Keines der untersuchten Präparate habe eine therapeutische Wirksamkeit, die eine Anwendung bei rheumatischen Erkrankungen rechtfertigt. Das gilt insbesondere auch für entzündliche Gelenkerkrankungen.

Zentrale Ergebnisse

  • Phytotherapeutika auf der Basis von Safran und Rosmarin empfiehlt die Kommission generell nicht.
  • Borretschöl aus Samen kann bei standardisierter Herstellung im Rahmen einer gesundheitsbewussten Ernährung eingenommen werden. Eine nennenswerte entzündungshemmende Wirkung ist jedoch nicht zu erwarten.
  • Von Präparaten auf Basis von Brennnessel, Weidenrinde oder Heckenrose müssen Rheumatolog:innen nicht abraten, wenn ansonsten eine sinnvolle Basistherapie eingehalten wird. Gleiches gilt für das untersuchte Mischpräparat.
  • Für medizinisches Cannabis existiert keine ausreichende Evidenz, die eine Empfehlung bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zur Krankheitsmodifikation oder zur symptomatischen Therapie rechtfertigt. In Einzelfällen kann jedoch die Anwendung zur Reduktion von chronischen, insbesondere neuropathischen Schmerzen sowie Schlafstörungen gerechtfertigt sein.

„Die Ergebnisse zeigen: Der Stellenwert der Phytotherapie für das Fachgebiet ist gering und ihre Anwendung nicht als risikofrei anzusehen“, erläutert Prof. Christof Specker, Präsident der DGRh aus Essen. Zwar müsste vor einer Zulassung die Wirksamkeit durch klinische Studien bestätigt sein, dafür gebe es aber auch Ausnahmen. Etwa dann, wenn Präparate seit mindestens 30 Jahren medizinisch eingesetzt werden und damit als „traditionell“ gelten. „Es handelt sich zudem um einen weit verbreiteten Irrglauben, dass pflanzliche Medikamente keine Nebenwirkungen mit sich bringen können. Hier sind etwa Magen-Darm-Beschwerden, allergische Reaktionen und Hautprobleme zu nennen“, so Specker.

Insofern raten Specker und Keyßer nachdrücklich: „Pflanzliche Heilmittel können eine Basistherapie höchstens ergänzen, aber niemals ersetzen.“ Auch empfehlen sie, die Einnahme frei verkäuflicher Präparate mit den behandelnden Rheumatologen abzustimmen. Die Ergebnisse der Prüfung durch die Kommission diskutieren Expertinnen und Experten der Fachgesellschaft auch auf dem Rheumatologiekongresses, der am 19. September 2024 in Düsseldorf und online stattfindet.