Picknick in der Tiefe – Beobachtungen aus der Tiefsee belegen unbekanntes Verhalten von Kraken14. Juli 2023 „Dumbo“-Oktopus der Art Cirrotheutis muelleri mit einem Detail eines Tauchroboters, der ihr Verhalten in der Tiefsee filmte. Foto: © Dr. Eva Ramirez-Llodra (REV Ocean, NIVA), ROV ‘Aurora Borealis’ technicians and operators, HACON project Mit Hilfe von Unterwasserrobotern haben Forschende aus Deutschland und Norwegen ein neuartiges Verhalten bei Tiefseekraken erkannt. Sie beobachteten „Dumbo“-Oktopusse, die passiv durch die Wassersäule trieben und zum Fressen zum Meeresboden tauchten. Die Abwärtswanderung zur Nahrungssuche auf dem Meeresboden war bei Kopffüßern bisher unbekannt. Die Ergebnisse werfen auch neues Licht auf das Verhalten von Tiefsee-Cephalopoden und die enge Verbindung zwischen den Lebensräumen im Ozean. Die tägliche Vertikalwanderung ist ein gängiges Muster für das Fressen und Gefressenwerden im Ozean: Tagsüber verstecken sich Zooplankton, Fische und andere Lebewesen, die sich von diesen Organismen ernähren, in den dunkleren Tiefen. Nachts, wenn weniger Licht vorhanden ist, steigen sie auf an die Oberfläche, um nach Beute zu jagen. Forschende des GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, des Senckenberg am Meer – Deutsches Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (DZMB), des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und von REV Ocean, Norwegen beobachteten Kraken in der Arktis auf einer Wanderung in entgegengesetzter Richtung: Videos, die mit ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugen und geschleppten In-situ-Beobachtungssystemen in der Arktis aufgenommen wurden, legen nahe, dass der „Dumbo“-Oktopus Cirrotheutis muelleri von der Wassersäule zum Meeresboden taucht, um dort Krebstiere und Ringelwürmer zu fangen. Kraken breiten Arme wie einen großen Schirm aus „Es ist das erste Mal, dass Bildmaterial von Tintenfischen der Art Cirrotheutis muelleri so detailliert analysiert wurden“, betont Dr. Alexey Golikov. Der Tiefseebiologe am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ist Erstautor der aktuellen Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B, die das neu erkannte Verhalten der Tiefseekraken beschreibt. „Einerseits sehen wir diese Tiere frei in verschiedenen Tiefen der Wassersäule treiben, wobei sie ihre Arme und das dazwischenliegende Netz wie einen großen Schirm ausbreiten – eine sehr energieeffiziente und unauffällige Art, sich in ihrer Umgebung zu bewegen. Aber dann ist da noch dieses sehr ausgeprägte Fressverhalten: Mit ihren flügelähnlichen Flossen schwimmen sie langsam über den Meeresboden, landen plötzlich, umschließen ihre Nahrung und heben heftig flatternd mit ihrer Mahlzeit wieder ab.“ Darüber hinaus fanden die Forschenden viele Abdrücke im Sediment, die als Spuren dieser Landung und des Einhüllens der Beute interpretiert wurden. Das Verhalten wurde während mehrerer Expeditionen mit den Forschungsschiffen „Polarstern”, „Maria S. Merian”, „Sonne” und „Kronprinz Haakon” zwischen 2019 und 2022 im Arktischen Ozean aufgenommen. Verwendet wurden hierfür die ferngesteuerten Unterwassergeräte (Remotely Operated Vehicle, ROV) ROV PHOCA, ROV KIEL 6000 und AURORA BOREALIS sowie das Pelagischen In-Situ Beobachtungssystem (Pelagic In-Situ Observation System, PELAGIOS) und das Ozeanboden-Beobachtungs-System (Ocean Floor Observation System, OFOBS). Um zu bestätigen, dass es sich bei dem Verhalten um eine Nahrungsaufnahme handelt, verglichen die Forschenden ihre Einblicke mit Daten zum Mageninhalt von Individuen, die mit Bodennetzen gefangen worden waren. Einzigartig unter den Kopffüßern „Durch die Analyse der einzigartigen Bilder, die uns von verschiedenen Expeditionen zur Verfügung standen, konnten wir ein weiteres Geheimnis der Tiefsee lüften und wieder einmal beweisen, dass es dort noch viel zu entdecken gibt,“ sagt Dr. Henk-Jan Hoving, Leiter der Forschungsgruppe Tiefseebiologie am GEOMAR. „Cirrotheutis muelleri ist eine sehr häufige Tintenfischart in der Arktis. Unseres Wissens ist ihre Abwärtswanderung, die entgegengesetzt zur üblichen Vertikalwanderung verläuft, einzigartig unter den Kopffüßern. Bislang war sie nur von bestimmten Fischen und Seegurken bekannt.“ Die AutorInnen vermuten außerdem, dass die gegenläufige Wanderung als weitere Verbindung zwischen den oberen Wasserschichten und dem Meeresboden fungieren könnte. Sie führt Kohlenstoff aus dem benthischen Nahrungsnetz in das pelagische Nahrungsnetz ein und könnte zum Energietransfer bis hin zu größeren Räubern wie Haien und tief tauchenden Zahnwalen beitragen, die sich auch von dieser Krakenart ernähren. Darüber hinaus sollte die passive Fortbewegung mit der Strömung, die sich über mehrere Kilometer erstrecken kann, in marinen Schutzstrategien berücksichtigt werden. Projektförderung Die Arbeit wurde durch das Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union im Rahmen des Marie-Skłodowska-Curie -Programms Nr. 101065960 und durch die Stipendien der Deutschen Forschungsgemeinschaft Nr. HO 5569/2-1 (Emmy Noether-Nachwuchsgruppe) und HO 5569/3-1 unterstützt. Die Expeditionen HACON19 und HACON21 wurden vom Norwegischen Forschungsrat unter der Förderungsnummer 274330 finanziert.
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