Pionier in der RNA-Forschung erhält Heinrich-Wieland-Preis 202523. Juli 2025 Adrian R. Krainer, Cold Spring Harbor Laboratory, USA. (Quelle: © Len Marks Photography, 2022/CSHL) Adrian R. Krainer vom Cold Spring Harbor Laboratory, USA, erhält den mit 250.000 EUR dotierten Heinrich-Wieland-Preis 2025 der Boehringer Ingelheim Stiftung. Er wird damit für seine Erkenntnisse zum Prozess des prä-mRNA-Spleißens und die Entwicklung der ersten Therapie für Spinale Muskelatrophie (SMA) ausgezeichnet. Vor etwa 25 Jahren wurde Adrian Krainer zu einem wissenschaftlichen Symposium über SMA eingeladen. Dort erfuhr er, dass die lebensbedrohliche Form dieser Krankheit mit einem Defekt im prä-mRNA-Spleißen zusammenhängt. Bereits einer der führenden Forscher auf diesem Gebiet, richtete er sein Labor neu aus mit dem Ziel, eine mögliche Therapie für SMA zu finden. Zentraler Schritt der Proteinbildung Das Spleißen von Vorläufer-Boten-RNA ist ein entscheidender Reifungsschritt, der zwischen der Transkription der genetischen Information von der DNA in die Boten-RNA und der Übersetzung dieser Botschaften in Proteine, die Bausteine der Zellen, stattfindet. Bei diesem Reifungsschritt werden Abschnitte eines Gens, die nicht für Proteine kodieren (Introns) aus einer prä-mRNA entfernt und die kodierenden Bereiche des Gens (Exons) zusammengefügt. Die daraus resultierende reife mRNA dient dann als Vorlage für die Proteinproduktion. Durch alternatives Spleißen können Zellen verschiedene Proteine aus demselben Gen herstellen, indem sie verschiedene Kombinationen von Exons zu unterschiedlichen reifen mRNAs zusammenfügen. So entsteht eine noch größere Vielfalt von Proteinen im Körper. Kleiner Unterschied, große Wirkung Krainer hat maßgeblich zu unserem Verständnis beigetragen, wie RNA-Spleißen funktioniert und wie es reguliert wird. Schon früh in seiner Karriere entwickelte er eine weit verbreitete Methode, mit der man RNA-Spleißen im Reagenzglas untersuchen kann, und identifizierte das erste Protein im Menschen, das Spleißen reguliert, einen sogenannten Spleißfaktor. Er fand heraus, dass die relativen Konzentrationen von gegensätzlichen Spleißaktivatoren und -repressoren das alternative Spleißen von prä-mRNAs steuern und dass Störungen dieses Gleichgewichts zu genetischen Erkrankungen und Krebs führen können. Auf dem Symposium über SMA erfuhr Adrian Krainer, dass Patienten mit dieser Krankheit eine Mutation in dem Gen SMN1 tragen und deswegen keine ausreichende Menge von einem Protein herstellen, das speziell für Nervenzellen wichtig ist, die Muskeln steuern. Obwohl das menschliche Genom ein zweites, fast identisches Gen enthält, SMN2, kann dieses nicht vollständig für ein fehlerhaftes SMN1 kompensieren. Ein kleiner Unterschied in der Gensequenz von SMN2 führt dazu, dass es alternativ gespleißt wird und deswegen nur begrenzte Mengen des erforderlichen Proteins produziert. Krainer erkannte: Wenn er versteht, wie die Regulation des Spleißens bei Menschen mit SMA auf molekularer Ebene funktioniert, könnte er dadurch einen neuen Weg zur Bekämpfung dieser verheerenden Krankheit finden. Antisense-Oligonukleotid als Gamechanger Durch Analysen entdeckte Krainer, dass SMN2 alternativ gespleißt wird, weil ein Spleißaktivator nicht an die SMN2-prä-mRNA bindet. Im Jahr 2004 begann er, mit Frank Bennett und dessen Team bei Ionis Pharmaceuticals zusammenzuarbeiten. Gemeinsam entwickelten sie ein kurzes RNA-ähnliches Molekül – ein Antisense-Oligonukleotid (ASO) –, das die Bindung eines Spleißrepressors an anderer Stelle der SMN2-prä-mRNA blockiert. Dadurch kann der Spleißaktivator binden und die prä-mRNA wird so gespleißt, dass genügend funktionelles Protein entsteht, um ein fehlerhaftes SMN1 zu kompensieren, zumindest in einem transgenen Mausmodell der SMA, das das menschliche SMN2-Gen enthält. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse erstmals im Jahr 2008, und nur drei Jahre später starteten die ersten klinischen Studien mit ihrem ASO (Nusinersen) bei Kindern mit SMA. In den nächsten fünf Jahren folgten mehrere weitere klinische Studien, die 2016 in der Zulassung von Nusinersen durch die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) und 2017 durch die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) gipfelten. Seitdem wurden mehr als 14.000 SMA-Patienten mit dieser Therapie behandelt. „Adrian Krainer ist ein herausragender Wissenschaftler, dessen bahnbrechende Erkenntnisse in der Grundlagenforschung in ganzer Tragweite ihre Bedeutung für die menschliche Gesundheit entfaltet haben“, erklärte Franz-Ulrich Hartl, Vorsitzender des wissenschaftlichen Kuratoriums, das die Gewinner des Heinrich-Wieland-Preises aus den zahlreichen Nominierungen auswählt, die jedes Jahr bei der Boehringer Ingelheim Stiftung (BIS) eingereicht werden. „Er hat den molekularen Mechanismus hinter einem Spleißdefekt bei SMA-Patienten entschlüsselt und dadurch einen völlig neuen Ansatz zu dessen Korrektur entwickelt. Das Konzept der ASO-Therapie ist sehr vielversprechend für die Behandlung weiterer neurologischer Erkrankungen und darüber hinaus.“ Christoph Boehringer, Vorsitzender des Vorstands der BIS, fügt hinzu: „Was mit der Neugier eines leidenschaftlichen Forschers begann, hat sich zu einer Therapie entwickelt, die es Kindern erstmals ermöglicht, zu sitzen, zu stehen und zu gehen. Adrian Krainers Beispiel zeigt, wie entscheidend Freiheit und optimale Bedingungen für die Grundlagenforschung sind – nicht nur für den akademischen und wissenschaftlichen Fortschritt, sondern auch für die Verbesserung der menschlichen Gesundheit.“
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