Plötzlich wie eingefroren

Gangstörungen sind bei der Parkinson-Krankheit häufig. (Foto: © Satjawat – stock.adobe.com)

Neue Erkenntnisse zum Gang-Freezing bei Parkinson offenbaren mögliche Therapieoptionen.

Gangstörungen bergen das Risiko von sturzbedingten Verletzungen und Einschränkung der Eigenständigkeit. Besonders relevant sind diese bei der Parkinson-Krankheit in Form des Freezings, bei dem Betroffene eine Gangblockade entwickeln und „wie eingefroren“ stehen bleiben. Tübinger Forschende der Neurologischen Universitätsklinik und des Instituts für Neuromodulation und Neurotechnologie konnten nun erstmals mittels Messung von Nervenzellaktivität aus tiefen Hirnstimulationselektroden zeigen, was bei Patienten mit Parkinson während des Gang-Freezings im Gehirn passiert. Die Erkenntnisse offenbaren präzise Erkenntnisse über die Fehlsteuerung von Hirnaktivität vor und während des Freezings und eröffnen neue Konzepte für eine therapeutische Anwendung.

Gang-Freezing tritt bei bis zu 80 Prozent aller Parkinson-Patienten mit fortschreitender Krankheit auf. Das unvorhersehbare „Einfrieren“ kann nur wenige Augenblicke, aber auch bis zu mehreren Sekunden andauern. Interessanterweise zeigt das Gangbild des Gehirns bereits wenige Schritte und Sekunden vor einer solchen Gangblockade bereits Auffälligkeiten – zu einer Zeit, in der der Patient aber noch mobil ist und eine Chance besteht, eine bevorstehende Blockade noch abzuwenden.

Dem Gehirn beim Gehen zuschauen

Welche neuronalen Grundlagen für die Entstehung von Gangblockaden verantwortlich sind, konnte bislang bei gehenden Patienten kaum untersucht werden. Eine neue Generation von Hirnstimulationselektroden erlaubt seit wenigen Jahren erstmals, Hirnaktivität aus der Tiefe des Gehirns in Echtzeit zu messen, während Patienten gehen und Gangblockaden zeigen.
Die Studie um Prof. Daniel Weiß, Dr. Philipp Klocke und Prof. Alireza Gharabaghi konnte mit dieser neuen Methode zeigen, dass die Gangblockaden – anders als das willkürliche Stoppen beim Gehen – spezifische Fehlaktivierungen des Nucleus subthalamicus zeigten. Dieser Nervenkern in der Tiefe des Gehirns spielt eine entscheidende Rolle bei der Bewegungskontrolle und erklärt die Fehlsteuerung der Beinmuskulatur in Folge der fehlerhaften Hirnaktivierung.

Den Weg für die klinische Anwendung ebnen

„Interessanterweise konnten wir mit der neuen Methode bei Patientinnen und Patienten mit Parkinson nachweisen, dass diese Fehlsteuerung der eigentlichen Blockade bereits um wenige Schritte vorausging. Dies ist eine großartige Möglichkeit, die Neurostimulation gezielter einzusetzen, um eine sich ankündigende Gangblockade mittels Neurostimulation möglicherweise noch abzuwenden – zu einer Zeit, wenn sie sich bereits ankündigt, aber noch nicht definitiv eingetreten ist“, fasst Weiß zusammen. „Die aktuellen Hirnschrittmacher verfügen teilweise bereits über die technologischen Voraussetzungen für solche Therapieanwendungen. Bis eine solche adaptive Therapie allerdings hoffentlich in Zukunft einmal zur Verfügung gestellt werden kann, sind noch weitere Entwicklungsschritte und klinische Studien erforderlich“, ergänzt Weiß.