Pneumonie im Kindesalter: RSV und andere Viren sind die Hauptursache in Afrika und Asien

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Das Respiratory Syncytial Virus (RSV) und andere Viren sind offenbar die Hauptursachen für schwere Lungenentzündungen bei Kindern in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Das unterstreiche die Notwendigkeit von Impfstoffen gegen diese Krankheitserreger, konstatiert eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern unter der Leitung von Forschern der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health.

Die Pneumonie sei die weltweit häufigste Todesursache bei Kindern unter fünf Jahren, mit etwa 900.000 Todesfällen und mehr als 100 Millionen gemeldeten Fällen pro Jahr, berichten die Autoren. Dies mache Lungenentzündungen zu einer häufigeren Todesursache bei Kindern als Malaria, Tuberkulose, HIV, dem Zika- und dem Ebola-Virus zusammen.

Die Studie war laut den Verfassern die größte und umfassendste ihrer Art seit den 1980er-Jahren. Sie umfasste fast 10.000 Kinder in sieben afrikanischen und asiatischen Ländern. Nach Tests auf Viren, Bakterien und andere Krankheitserreger bei Kindern mit schwerer Lungenentzündung im Krankenhaus – und bei Kindern aus der Bevölkerung ohne Pneumonie – ergab die Studie, dass 61 Prozent der Fälle schwerer Lungenentzündung durch Viren verursacht wurden – an erster Stelle von RSV, die allein 31 Prozent der Fälle ausmachten.

„Vor dieser Studie wussten wir nicht, welche spezifischen Viren und Bakterien weltweit die meisten schweren Fälle von Pneumonie im Kindesalter verursachen. Organisationen des öffentlichen Gesundheitswesens und Impfstoffhersteller brauchen diese Informationen aber, um die erhebliche Kindersterblichkeit zu verringern, die Pneumonien immer noch verursachen“, sagt Dr. Maria Deloria Knoll, eine der Hauptautorinnen der Studie und leitende Wissenschaftlerin an der Abteilung für Internationale Gesundheit an der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health sowie stellvertretende wissenschaftliche Direktorin am Johns Hopkins International Vaccine Access Center (IVAC).

Die Identifizierung der Keime, die eine Pneumonie verursachen, ist in Einzelfällen schwierig, insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, in denen die meisten Todesfälle durch Lungenentzündung auftreten. Forschern in früheren Untersuchungen zu diesem Thema fehlten einfach die mikrobiologischen und analytischen Ressourcen, um Schätzungen der wichtigsten Lungenentzündungserreger zu erstellen, sagt Knoll. Und in den letzten zwei Jahrzehnten haben viele Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen wirksame Impfstoffe gegen die bekannten Hauptursachen von Lungenentzündungen – Haemophilus influenzae Typ B und Streptococcus pneumoniae – eingeführt. Im Ergebnis hat sich der globale Mix von Pathogenen, die bei Kindern Pneumonien verursachen, verändert.

Die neue Studie (Pneumonia Etiology Research for Child Health [PERCH]) umfasste 4232 Fälle von schwerer Lungenentzündung bei hospitalisierten Kindern unter 5 Jahren und 5119 Kinder aus der Bevölkerung ohne Pneunomie aus zwei Jahren. Die Studie wurde an Standorten in Bangladesch, Gambia, Kenia, Mali, Südafrika, Thailand und Sambia durchgeführt.

Für ihre Studie nahmen die Forscher Abstriche aus Nase und Rachen sowie Blut-, Sputum- und andere Flüssigkeitsproben von den Patienten und Kontrollkindern. Diese wurden auf Krankheitserreger getestet.

In die primäre Analyse wurden nur solche Fälle aufgenommen, bei denen eine Pneumonie mittels Röntgenthorax bestätigt wurde. Kinder mit HIV wurden in einer separaten Analyse berücksichtigt, da man davon ausging, dass sich die Ursachen für ihre Lungenentzündung wahrscheinlich von denen ohne HIV unterscheiden würden.

Mit für eine Ätiologiestudie einzigartigen Analysemethoden verglichen die Forscher die in Proben von Patienten mit schwerer Pneumonie gefundenen Krankheitserreger mit denen anderer Kinder aus der Allgemeinbevölkerung, um die wahrscheinlichste Ursache für jeden Fall abzuschätzen. Auf diese Weise konnten sie die Hauptursachen für Pneumonien bei Kindern unter den entsprechenden Umständen identifizieren.

Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass an allen Studienorten zusammen 61,4 Prozent der Fälle von Viren, 27,3 Prozent von Bakterien und 5,9 Prozent von Mycobacterium tuberculosis betroffen waren. Der Rest der Fälle entfiel auf Pilze und unbekannte Ursachen. RSV machte fast ein Drittel aller Fälle aus und war in jedem der sieben untersuchten Länder die häufigste Ursache für schwere Lungenentzündungen. Andere Hauptursachen waren Rhinoviren, Humanes Metapneumovirus, Parainfluenza-Viren und S, pneumoniae.

„Wir haben jetzt eine viel bessere Vorstellung davon, welche neuen Impfstoffe die größten Auswirkungen auf die Verringerung von Krankheiten und Sterblichkeitsraten aufgrund von Lungenentzündungen bei Kindern in diesen Ländern haben“, sagt Dr. Katherine O’Brien, die die PERCH-Studie als Professorin an der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health leitete und jetzt Direktorin für Impfungen, Vakzine und Biologika bei der Weltgesundheitsorganisation ist.

RSV ist seit Langem als häufig vorkommender und potenziell schwerwiegender Pathogen in den Atemwegen von Kindern und älteren Menschen bekannt. Laut den Centers for Disease Control and Prevention ist es nach wie vor die häufigste Ursache für Lungenentzündung bei Kindern im Alter von unter einem Jahr in den USA. In klinischen Studien werden mehrere RSV-Impfstoffkandidaten entwickelt und evaluiert. Eine monoklonale Antikörpertherapie, Palivizumab, ist zur Vorbeugung von RSV-Erkrankungen bei Kindern mit Grunderkrankungen verfügbar, jedoch nicht für die Verwendung in routinemäßigen Impfprogrammen geeignet, wie die Studienautoren betonen.

Die für die Studie entwickelte Analysetechnik zur Abschätzung der Ursache für einzelne Fälle von Lungenentzündung im Kindesalter wird als Bayesian Analysis Kit for Etiology Research (BAKER) bezeichnet und ist online als Open-Source-Anwendung für andere Forscher
verfügbar.

„Die Abschätzung der Pneumonie-Ätiologie war wie ein komplexes Puzzle, bei dem das Bild nur durch das Zusammensetzen mehrerer verschiedener Informationen mit innovativen epidemiologischen und statistischen Methoden klar erkennbar wurde“, betont Dr. Scott Zeger, Professor für Biostatistik an der Abteilung für Biostatistik der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health.