PNIPAm: European XFEL entlockt Nanogel wertvolle Geheimnisse

Oberhalb von 32 °C wechselt PNIPAm von einem hydrophilen zu einem hydrophoben Zustand. Infolgedessen ändern die Nanogel-Partikel schnell ihre Größe, indem sie Wasser abstoßen.Illustration.© Felix Lehmkühler

Ein internationales Team am Röntgenlaser European XFEL in Schenefeld bei Hamburg hat die Eigenschaften eines wichtigen Nanogels untersucht, das in der Medizin häufig eingesetzt wird, um Medikamente gezielt und kontrolliert an der gewünschten Stelle im Körper eines Patienten freizusetzen.

Unter der Leitung von Felix Lehmkühler vom Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) in Hamburg hat das Team aus internationalen Wissenschaftlern das temperaturbedingte Quellen und Kollabieren des Polymers Poly-N-isopropylacrylamid (PNIPAm) analysiert. Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden in der Fachzeitschrift „Science Advances“ veröffentlicht.

PNIPAm ist in der Regel in Wasser gelöst. Oberhalb einer bestimmten Temperatur, der sogenannten unteren kritischen Lösungstemperatur, die bei etwa 32 °C liegt, geht es von einem hydrophilen, wasserliebenden Zustand in einen hydrophoben, wasserabweisenden Zustand über. Infolgedessen ändern die Nanogel-Partikel oberhalb dieser Temperatur schnell ihre Größe, indem sie Wasser abstoßen.

Diese Eigenschaft ist für eine Vielzahl von Anwendungen nützlich, darunter für die kontrollierte Freisetzung von Medikamenten im Körper eines Patienten, als Modellsystem für Proteine, im Tissue Engineering, der Kultivierung von organischem Gewebe für medizinische Anwendungen, oder als biokompatible Temperatursensoren. Bislang war es jedoch sehr schwierig, diese schnellen Phasenübergänge experimentell zu beobachten und somit für verschiedene Anwendungen zu optimieren. Deswegen ist die genaue Charakterisierung der Kinetik der Veränderungen des PNIPAm-Polymers mit der Temperatur noch immer ein lebhaftes Forschungsthema.

Die schnelle Folge von Röntgenpulsen des European XFEL ermöglicht es den Forschern nun, die raschen, temperaturabhängigen Veränderungen im PNIPAm-Nanogel mit einer Technik namens Röntgen-Photonen-Korrelationsspektroskopie zu untersuchen. „Dank der hohen Wiederholrate des European XFEL können wir diese Messungen mit ausreichend hoher Zeitauflösung durchführen, um die Struktur und Bewegung der Nanogels zu verfolgen“, sagt Johannes Möller, Wissenschaftler am Instrument Materials Imaging and Dynamics des European XFEL. Die Wissenschaftler untersuchten Partikel mit einer Größe von etwa 100 Nanometern. Die Röntgenpulse wurden sowohl zur Erwärmung der Nanopartikel als auch zur Messung ihrer strukturellen Veränderungen genutzt.

„Mit Hilfe der am European XFEL gewonnenen Daten konnten wir nun das Quellen und Kollabieren des Polymers besser verstehen“, berichtet Felix Lehmkühler, einer der Leiter des Teams. „Im Gegensatz zu früheren Studien, die sich auf indirekte Messungen der Kinetik des Quellens oder Kollabierens beschränkten, haben wir herausgefunden, dass das Nanogel mit rund 100 Nanosekunden deutlich schneller schrumpft, aber zwei bis drei Größenordnungen länger zum Quellen braucht“, erklärt Lehmkühler. Die Ergebnisse könnten helfen, die Eigenschaften des Polymers besser zu verstehen und für verschiedene Anwendungen zu optimieren, zum Beispiel für die Entwicklung effizienterer Arzneimittelabgabesysteme.

Das Forschungsteam bestand aus Wissenschaftlern des DESY, der Universität Padua, Italien, des Hamburger Zentrums für ultraschnelle Bildgebung sowie des European XFEL.