Potenzielles Huntington-Medikament erweist sich als verträglich

Prof. Carsten Saft (l.), Leiter des klinischen Bereichs am Bochumer Huntington-Zentrum, und Prof. Bernhard Landwehrmeyer, Abteilung für Neurologie des Universitätsklinikums Ulm. (©RUB, Kramer/Universitätsklinikum Ulm)

Das potenzielle Huntington-Medikament Ionis-HTT-Rx (RG6042) hat sich in einer klinischen Studie als verträglich erwiesen und senkt dosisabhängig die Menge des schadhaften Proteins Huntingtin im Nervenwasser. In der placebokontrollierten Studie mit 46 Patientinnen und Patienten stellten die Mediziner fest, dass die Substanz keine schwerwiegenden Nebenwirkungen auslöst. Der Wirkstoff zielt darauf ab, unter anderem die Produktion des schadhaften Proteins Huntingtin einzudämmen.

Aufgrund der kurzen Behandlungsdauer kann die Studie noch keine Aussagen zur klinischen Wirksamkeit des Medikaments liefern. „Wir hoffen, dass die Huntington-Krankheit dank des Medikaments weniger schnell verläuft und sich vielleicht sogar Symptome zurückbilden“, sagte der Ulmer Neurologe Prof. Bernhard Landwehrmeyer, der die klinische Studie in Deutschland leitet.

Schwache Nebenwirkungen

Das Medikament wurde per Lumbalpunktion direkt ins Nervenwasser verabreicht. Zwölf der 46 Patientinnen und Patienten erhielten ein Placebo. Bei den übrigen Teilnehmern wurde in verschiedenen Kohorten die Dosis schrittweise im Verlauf der Studie gesteigert. Keiner der Patienten berichtete schwere Nebenwirkungen. Einige klagten über leichte Kopfschmerzen, die jedoch auch in der Placebogruppe auftraten. „Dies ist die typische Nebenwirkung einer Lumbalpunktion und nicht auf den Wirkstoff zurückzuführen“, erklärte Carsten Saft, Leiter des klinischen Bereichs am Bochumer Huntington-Zentrum.

Substanz vermindert die Belastung des Gehirns mit schadhaften Genprodukten

Die Forscher beobachteten außerdem, dass das Medikament die Menge des Proteins Huntingtin im Nervenwasser verringerte – ein Hinweis, dass die Substanz wie beabsichtigt wirkt. „Wir können allerdings noch keine Aussagen zur klinischen Wirksamkeit machen“, betonte Saft. „Dafür war die Patientenzahl zu klein.“

Ziel ist es, dass der Wirkstoff die Menge der schadhaften Huntingtin-Genprodukte und auch des schadhaften Proteins Huntingtin im Gehirngewebe senkt; allerdings kann die Proteinmenge nicht direkt im Gehirn bestimmt werden, sondern nur indirekt im Nervenwasser. „Sollte die Verringerung des Huntington-Proteins gelingen, kann man auch über eine Behandlung noch nicht erkrankter Familienmitglieder nachdenken, die die entsprechende genetische Veränderung in sich tragen“, erklärte Landwehrmeyer.

Wirkmechanismus

Bei dem Wirkstoff Ionis-HTT-Rx (RG6042) handelt es sich um ein Antisense-Oligonukleotid. Es dockt an die Boten-RNA an, die eine Kopie des Huntingtin-Gens ist. Wird die Boten-RNA durch das Antisense-Präparat blockiert und schließlich abgebaut, wird weniger Huntingtin gebildet. Tierversuchsstudien haben gezeigt, dass die Substanz die Huntingtin-Menge im Gehirn reduziert; darüber hinaus waren die Symptome der Mäuse geringer ausgeprägt.

Weitere Studien geplant

Die Pharmafirma, die die Studie finanzierte, hat gerade eine größere Untersuchung begonnen, die die klinische Wirksamkeit des Medikaments testen soll (Phase-III-Studie). Für diese weltweite Studie sollen etwa 660 Teilnehmer rekrutiert werden, denen das Medikament über zwei Jahre in regelmäßigen Abständen per Lumbalpunktion direkt in das Nervenwasser verabreicht wird.

Anhand dieser Daten wollen die Mediziner auch Veränderungen untersuchen, die sie bislang nicht eindeutig interpretieren konnten, beispielsweise eine unerwartete Veränderung der Hirnventrikel, die sie in der aktuellen Studie bei den Patienten beobachteten.

Originalpublikation:
Tabrizi S. H. et al.: Targeting Huntingtin expression in patients with Huntington’s Disease.
N Engl J Med 2019;380:2307-2316.