Präzisionsimmuntherapie verbessert Organfunktion bei Sepsis12. Dezember 2025 Durch Bestimmung der spezifischen Art der Immunreaktion lässt sich möglicherweise die Sepsisbehandlung verbessern. Präzisionsmedizin könnte der Sepsisbehandlung neuen Auftrieb geben: Eine internationale Studie zeigt, dass eine individuell auf die Immunlage zugeschnittene Therapie die Organfunktion schwer erkrankter Patienten deutlich verbessern kann. Laut Zahlen der Global Burden of Diseases starben in Deutschland im Jahr 2021 etwa 211.000 Menschen an einer Sepsis. Ein relevantes pathophysiologisches Merkmal ist die Fehlsteuerung des Immunsystems als Antwort auf die Infektion mit einem Sepsiserreger. Neben einer überschießenden Reaktion kann hierbei auch das Ausbleiben einer adäquaten Immunantwort im Sinne einer „Immunlähmung“ das Problem sein. Die individuelle Immunreaktion hängt von der Art des Erregers, dem Ort der Infektion, aber auch dem Immunstatus des Patienten und dessen genetischer Veranlagung ab. Frühere Forschungen haben nur einen geringen Erfolg einer Immuntherapie bei Sepsis gezeigt. In Form eines personalisierten Ansatzes könnte sie sich aber doch als nützlich zur Behandlung der lebensbedrohlichen Erkrankung erweisen. Das berichtet die internationale ImmunoSep-Studiengruppe unter der Leitung des Radboud University Medical Center (Niederlande) und des Hellenic Institute for the Study of Sepsis (Griechenland) im Fachmagazin „JAMA“. In ihrer Untersuchung führte ein gezielter immuntherapeutischer Ansatz zu einer Verbesserung der klinischen Ergebnisse von Patienten mit Sepsis. Immunüberaktivität versus Immunlähmung In der doppelt verblindeten Studie passte das ImmunoSep-Konsortium, an dem Forscher aus 33 Zentren in sechs Ländern beteiligt sind, die Behandlung an die jeweilige Immunreaktion der Patienten an. Dafür wählten sie unter 672 gescreenten Patienten nur jene 276 zur Teilnahme an der Studie aus, bei denen eine systematische Hyperinflammation (Makrophagenaktivierungsähnliches Syndrom; Ferritin >4420 ng/ml) oder eine systemische Hypoinflammation (Sepsis-induzierte Immunlähmung; Ferritin ≤4420 ng/ml und <5000 HLA-DR-Rezeptoren auf CD45/CD14-Monozyten) nachgewiesen werden konnte. Die Studienteilnehmer waren im Mittel 70 Jahre alt und zu einem größeren Anteil männlich (66,3 %). Sie wiesen eine Sepsis nach Sepsis-3-Definition auf, die entweder auf eine Lungenentzündung (ambulant oder nosokomial erworben oder beatmungsassoziiert) oder eine Bakteriämie zurückzuführen war. Patienten mit einer Überaktivität des Immunsystems erhielten randomisiert eine Immunsuppression mit dem Interleukin-1-Rezeptorantagonisten Anakinra (n=25) oder Placebo (n=23). Zur Stimulation des Immunsystems wurden Patienten mit Immunlähmung hingegen randomisiert mit Interferon-gamma (n=106) oder Placebo (n=122) therapiert. Die jeweilige Behandlung erfolgte über maximal 15 Tage. Die Studienautoren bewerteten sowohl den innerhalb der Geringerer SOFA-Score unter Präzisionsimmuntherapie Der mediane SOFA(Sequential Organ Failure Assessment)-Score der Studienteilnehmer lag zu Studienbeginn bei neun Punkten (Interquartilsabstand 7–11). Bis zum neunten Behandlungstag verbesserte dieser sich um mindestens 1,4 Punkte (primärer Endpunkt) bei 46 von 131 (35,1 %) der Patienten, denen eine Präzisionsimmuntherapie zuteilwurde im Vergleich zu 26 von 145 Patienten (17,9 %) der Placebogruppe. Die Präzisionsstrategie ging somit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einher, dass sich die Organfunktion bis zum neunten Tag verbesserte (adjustiere Odds Ratio 2,49) – und zwar sowohl bei Patienten sytematischer Hyper- als auch Hypoinflammation. Dieser Effekt hielt bis zu Tag 15 an. Zu den wichtigsten sekundären Endpunkten gehörte die 28-Tage-Mortalität. In der Interventionsgruppe verstarben 57 Patienten, in der Placebogruppe 72. Mit einem Anteil von 43,5 versus 49,7 Prozent unterschied sich die Mortalität jedoch statistisch nicht signifikant zwischen den Gruppen (p=0,34). Auch nach 90 Tagen war kein signifikanter Mortalitätsunterschied zwischen den Gruppen festzustellten. Eine Untergruppenanalyse deutet allerdings auf einen gewissen Mortalitätsvorteil der Präzisionsimmuntherapie bei Patienten mit einem Charlson-Komorbititätsindex von fünf oder mehr Punkten sowie bei jenen mit einem Ausgangs-SOFA-Score von zehn oder mehr Punkten hin. Mit Blick auf die Sicherheit wurden insgesamt 1069 schwerwiegende behandlungsbedingte unerwünschte Ereignisse (88,8 %) gemeldet. Nur 13 davon waren jedoch schwerwiegende Nebenwirkungen, die wahrscheinlich (n=3) oder möglicherweise (n=10) mit dem Studienmedikament in Zusammenhang standen. In der Anakinra-Gruppe wurde eine erhöhte Inzidenz von Anämie und in der Gruppe mit Interferon-gamma vermehrte Blutungen festgestellt. Weitere Studien zur Immuntherapie bei Sepsis in Planung „Diese Studie liefert den ersten soliden groß angelegten Beweis dafür, dass die biomarkergestützte, gezielte Auswahl von Sepsispatienten für eine Immuntherapie zu einer klinisch bedeutsamen Verbesserung der Ergebnisse führt“, sagt Evangelos Giamarellos-Bourboulis, Professor für Innere Medizin und Infektionskrankheiten an der Nationalen und Kapodistrias-Universität Athen und Präsident des Hellenic Institute for the Study of Sepsis, dem Sponsor der klinischen Studie. Die Forscher erwarten, dass ihre Studie dem Bereich der Immuntherapie für Sepsispatienten neuen Schwung verleihen wird. Mihai Netea, Professor für Experimentelle Innere Medizin am Radboud University Medical Center und Leiter des Konsortiums, führt aus: „Die Gruppen mit überschießender Immunaktivität oder Immunlähmung in dieser Studie machen etwa ein Viertel aller Sepsisfälle aus. Für sie wollen wir in naher Zukunft große Follow-up-Studien durchführen, um unsere Ergebnisse weiter zu validieren. Darüber hinaus werden wir nun auch nach einer maßgeschneiderten Immuntherapie für die übrigen Sepsispatienten suchen.“ Einschränkend geben die Studienautoren jedoch auch zu bedenken, dass die Bestimmung der Immunantwort komplex ist und einige Zeit in Anspruch nimmt, weshalb sie möglicherweise nicht in jeder Klinik umgesetzt werden kann. Außerdem treffen die Ergebnisse nur auf Patienten mit Pneumonie- oder Bakteriämie-assoziierter Sepsis zu und lassen sich möglicherweise nicht auf andere Formen der Sepsis übertragen. (ah/BIERMANN)
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