Prekäre Erlössituation: Geriatrische Rehabilitationskliniken in Deutschland bedroht4. Oktober 2023 Rainer Wirth (l.) und Markus Gosch (Fotos: Marien Hospital Herne und Klinikum Nürnberg) Ein Großteil der 168 Geriatrischen Rehabilitationsklinken in Deutschland steht vor Finanzierungsproblemen. Hintergrund ist die prekäre Erlössituation der Einrichtungen, die über rund 8560 Betten verfügen. Altersmediziner fordern eine faire Bezahlung. Für die vollstationäre geriatrische Rehabilitation erhalten viele Kliniken von den Krankenkassen weniger als 250 Euro pro Tag und Patient, kritisierte die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) im Rahmen des Geriatrie-Kongresses, der im September in Frankfurt am Main stattgefunden hat. „Damit ist eine angemessene therapeutische und pflegerische Versorgung rund um die Uhr heute kostendeckend nicht mehr zu leisten“, erklärte Prof. Rainer Wirth, Präsident der DGG. Leidtragende seien in der Folge hochaltrige Patientinnen und Patienten, die ohne eine entsprechende Behandlung immobiler und pflegebedürftiger werden. „Gerade in Anbetracht der nun kommenden Babyboomer-Generation ist eine Verknappung der Ressourcen in der geriatrischen Rehabilitation nicht hinnehmbar“, sagte Wirth und forderte: „Es müssen jetzt Rahmenbedingungen für eine besser finanzierte, flächendeckende Versorgung mit ambulanter und vollstationärer geriatrischer Rehabilitation geschaffen werden.“ Bereits während der Corona-Pandemie musste laut DGG die Bettenkapazität um 13 Prozent reduziert werden. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen sei mit einem weiteren Rückgang der Kapazitäten zu rechnen. Dabei hat der Bundesverband Geriatrie jetzt festgestellt: Circa Zweidrittel der Reha-Einrichtungen konnten in den vergangenen 18 Monaten keine Erhöhung ihrer Vergütungssätze erzielen. Gleichzeitig verzeichnen fast Dreiviertel der Einrichtungen nahezu Vollauslastung – fast 90 Prozent der Einrichtungen haben Wartezeiten für die Aufnahme neuer Patientinnen und Patienten. Aus Sicht der DGG sei die Vergütung der geriatrischen Rehabilitation gut investiertes Geld, das die Lebensqualität und Selbstständigkeit von älteren Menschen verbessert und zu einer Kostenreduktion im Bereich der Pflege beiträgt. „Zudem können mit einer höheren Vergütung der geriatrischen Reha-Einrichtungen auch die Akutkliniken deutlich entlastet werden. Daher muss die Gesundheitspolitik jetzt über eine einheitliche und realistische Finanzierung nachdenken“, forderte Wirth, Direktor der Klinik für Altersmedizin und Frührehabilitation am Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum. Die Grundlage für eine einheitliche Vergütung von Leistungen in den Akutkliniken bildet der sogenannte Basisfallwert. Die Tagessätze der Rehabilitationskliniken werden hingegen weiterhin noch individuell zwischen den Krankenkassen und Rehabilitationskliniken vereinbart. „Wir brauchen auch hier eine verlässliche Finanzierungsgrundlage für alle“, so der Mediziner. Statt Reha in die Kurzzeitpflege: Bedarf kann längst nicht mehr gedeckt werden Die Betroffenen haben eigentlich einen gesetzlichen Anspruch auf die Durchführung einer geriatrischen Rehabilitationsmaßnahme – mit dem Ziel, Pflegebedürftigkeit zu minimieren und damit die Selbstständigkeit zu erhalten. Doch statt zu einer Rehabilitation geht es dann für Patientinnen und Patienten immer häufiger in die Kurzzeitpflege, konstatierte die DGG. Aber auch in diesem Bereich bestehe ein enormer Aufnahmedruck, da der Bedarf längst nicht mehr gedeckt werden könne. „Trotz des durch den demografischen Wandel zu erwartenden steigenden Bedarfs erreichen uns immer wieder Nachrichten, dass vollstationäre geriatrische Rehabilitationseinrichtungen ihre Betten reduziert haben oder gar ganz schließen“, berichtete Prof. Markus Gosch, President-elect der DGG. Aktuelles Beispiel sei das Bürgerspital in Würzburg, das bereits 2020 den Betrieb im vollstationären Bereich einstellen musste und jetzt möglicherweise ganz schließt. „Würzburg ist dabei kein Einzelfall. Klar ist auch: Steigende Personalkosten, die Inflation und immer kränkere Patienten haben zu dieser Situation beigetragen“, so Gosch, zukünftiger Präsident der DGG und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin 2 mit dem Schwerpunkt Geriatrie am Klinikum Nürnberg der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Nürnberg. Niedrige Tagessätze der Krankenkassen führen zu Bettenreduktion und langen Wartezeiten Oft bleibt den Reha-Einrichtungen gar keine andere Wahl, als die niedrigen Tagessätze der Krankenkassen zu akzeptieren. Die jeweilige Klinik ist schließlich auf die Zuteilung der Patienten von möglichst vielen Kassen angewiesen, betonte die geriatrische Fachgesellschaft. Die Konsequenzen sein vielfältig und beschränkten sich nicht allein auf die Patientinnen und Patienten, die keine geriatrische Rehabilitationsmaßnahme erhielten. Auch für die Akutkrankenhäuser hätten die Bettenreduktionen und Schließungen im Reha-Bereich unmittelbare Folgen. Lange Wartezeiten führten zu längeren Verweildauern in Akutkliniken. Besonders betroffen seien davon gerade jene Fachrichtungen, die seit Corona schon eine sehr hohe Belastung erfahren. „Die Menschen in Deutschland werden deutlich älter. Der Pflegebedarf steigt jedes Jahr an. Deswegen müssen wir jetzt dringend für den Erhalt und Ausbau der geriatrischen Rehabilitationskliniken kämpfen. Nur so lässt sich die Pflegebedürftigkeit einer ganzen Generation deutlich verringern“, erklärte Gosch.
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