Presbyopie: Augentropfen statt Lesebrille?

Augentropfen mit einer Kombination aus den Wirkstoffen Pilocarpin und Diclofenac könnten zukünftig eine Alternative zur Lesebrille in der Behandlung der Presbyopie darstellen. Das zeigt eine aktuelle Arbeit, die auf dem ESCRC-Kongress vorgestellt wurde.Symbolbild.©Bonsales-stock.adobe.com

Mit zunehmendem Alter entwickelt jeder Mensch eine Presbyopie und muss oft auf eine Lesebrille zurückgreifen. Eine Alternative dazu könnte in der täglichen Anwendung spezieller Augentropfen liegen, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Auf dem 43. Kongress der Europäischen Gesellschaft für Katarakt- und Refraktive Chirurgen (ESCRS) wurde diese retrospektive Untersuchung mit 766 Patienten vorgestellt. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass die Mehrheit der Studienteilnehmer nach der Verwendung speziell formulierter Augentropfen die Lesefähigkeit um zwei, drei oder mehr Zeilen auf der Jaeger-Tafel verbesserte. Dieser Zustand hielt bis zu zwei Jahre an.

Dr. Giovanna Benozzi, Direktorin des Zentrums für fortgeschrittene Forschung zur Presbyopie in Buenos Aires, Argentinien, erklärte: „Wir haben diese Forschung aufgrund des erheblichen ungedeckten medizinischen Bedarfs bei der Behandlung von Presbyopie durchgeführt. […] Wir wollten solide klinische Belege für eine innovative pharmakologische Lösung liefern, um Patienten eine nichtinvasive, bequeme und wirksame Alternative anzubieten.“

Augentropfen mit einer Kombination aus Diclofenac und Pilocarpin

Entwickelt wurden die Augentropfen von Benozzis Vater, dem verstorbenen Dr. Jorge Benozzi vom selben Zentrum. Die Tropfen enthalten eine Kombination aus den Wirkstoffen Pilocarpin und Diclofenac.

Die Patienten verabreichten sich die Augentropfen zweimal täglich in zeitlichem Abstand. Zudem bestand die Option einer dritten Dosis, wenn die Symptome wieder auftraten oder zusätzlicher Sehkomfort erforderlich war.

Die Patientengruppe (373 Frauen und 393 Männer mit einem Durchschnittsalter von 55 Jahren) wurde in drei Gruppen aufgeteilt, die jeweils eine von drei Augentropfenformulierungen erhielten. Jede Formulierung enthielt eine feste Dosis Diclofenac, aber unterschiedliche Konzentrationen von Pilocarpin (1 %, 2 % und 3 %).

Die Forscher bewerteten die Verbesserung der Lesbarkeit der Jaeger-Tabelle ohne Lesebrille eine Stunde nach der ersten Verabreichung der Tropfen.

Schnelle und anhaltende Verbesserung der Nahsicht bei milden Nebenwirkungen

Benozzi informierte auf dem Kongress: „Unser wichtigstes Ergebnis war eine schnelle und anhaltende Verbesserung der Nahsicht bei allen drei Konzentrationen. Eine Stunde nach der ersten Tropfenverabreichung hatten die Patienten eine durchschnittliche Verbesserung von 3,45 Jaeger-Linien. Die Behandlung verbesserte auch die Fokussierung in allen Entfernungen. Beeindruckenderweise erreichten 99 Prozent der 148 Patienten in der ein Prozent-Pilocarpin-Gruppe eine optimale Nahsicht und konnten zwei oder mehr zusätzliche Zeilen lesen. Etwa 83 Prozent aller Patienten behielten nach zwölf Monaten eine gute funktionelle Nahsicht bei. Wichtig ist, dass keine signifikanten unerwünschten Ereignisse wie erhöhter Augeninnendruck oder Netzhautablösung beobachtet wurden.“

Des Weiteren berichtete sie, dass in der zwei Prozent-Gruppe 69 Prozent der 248 Patienten und in der drei Prozent-Gruppe 84 Prozent der 370 Patienten drei oder mehr zusätzliche Zeilen auf der Jaeger-Tabelle lesen konnten.

Die Verbesserung des Sehvermögens der Patienten hielt bis zu zwei Jahre mit einer mittleren Dauer von 434 Tagen an. Die unerwünschten Nebenwirkungen waren mild. Dabei wurden am häufigsten vorübergehende Sehstörungen, die in 32 Prozent der Fälle auftraten, Reizungen beim Eintropfen der Tropfen (3,7 %) und Kopfschmerzen (3,8 %) beobachtet. Kein Patient brach die Behandlung ab.

Ausmaß der Verbesserung des Sehvermögens ist von der Schwere der Presbyopie vor der Behandlung abhängig

Benozzi fuhr fort: „Fast alle Patienten zeigten positive Verbesserungen der Nahsehschärfe. Wobei das Ausmaß der Verbesserung vom Zustand ihres Sehvermögens vor der Behandlung zu Beginn der Studie abhing. Unsere Studie ergab, dass die optimalen Pilocarpin-Konzentrationen je nach Ausgangswert der Presbyopie, der anhand der anfänglichen Jaeger-Werte bewertet wurde, individuell angepasst werden konnten. Patienten mit weniger schwerer Presbyopie sprachen am besten auf Konzentrationen von einem Prozent an. Patienten mit fortgeschrittenerer Presbyopie benötigten jedoch höhere Konzentrationen von zwei Prozent oder drei Prozent, um eine signifikante Verbesserung des Sehvermögens zu erzielen.“

Sie kam zu dem Schluss: „Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Kombinationstherapie eine sichere, wirksame und gut verträgliche Alternative zur herkömmlichen Behandlung von Presbyopie darstellt. Sie reduziert die Abhängigkeit von Lesebrillen erheblich. Zudem bietet sie Patienten eine bequeme, nichtinvasive Option, auch wenn diese Augentropfen möglicherweise nicht bei allen Personen die Notwendigkeit einer Brille beseitigen. Wichtig ist, dass diese Behandlung nicht als Ersatz für chirurgische Eingriffe gedacht ist, sondern als wertvolle Lösung für Patienten dienen soll, die sichere, wirksame und personalisierte Alternativen benötigen und sich von den Unannehmlichkeiten einer Brille befreien möchten. […]“

Benozzi hat weitere Patienten, die seit mehr als zehn Jahren mit diesem Medikament behandelt werden. Zudem plant sie weitere Untersuchungen, um die Verbesserung der Lebensqualität der Patienten zu messen und die zugrunde liegenden physiologischen Mechanismen der Augentropfen zu erforschen.

Eine Einschränkung der Studie bestehe aber darin, dass es sich um eine retrospektive, an einem einzigen Zentrum durchgeführte Studie handelt. Das könnte die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse einschränken und zu einer Verzerrung der Auswahl führen.