Primärarzt für alle? – BVOU warnt vor den Folgen und schlägt Alternative vor

Burkhard Lembeck (Foto: Intercongress)

Mehr Lenkung der Patienten, weniger Über-, Unter- und Fehlversorgung. Aber kann ein verpflichtendes Primärarztsystem für Gesetzlich Krankenversicherte diese Ziele wirklich erreichen? Aktuell wird diese Variante als mögliche Lösung diskutiert – doch der BVOU mahnt zur Vorsicht.

„Im Jahr 2025 brauchen wir intelligentere Alternativen“, erklärt Dr. Burkhard Lembeck, Präsident des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). „Ein verpflichtendes Primärarztsystem wird mit hoher Sicherheit die Beitragssätze in die Höhe treiben, die Anzahl unqualifizierter Überweisungen erhöhen und damit genau das Gegenteil einer bedarfsgerechten Steuerung bewirken.“

Folgen eines verpflichtenden Primärarztsystems

Ein verpflichtendes Primärarztsystem würde das Gesundheitssystem vor erhebliche Herausforderungen stellen:

  • Überlastung der hausärztlichen Praxen: Eine verpflichtende Vorstellung beim Hausarzt führt zu einem deutlichen Anstieg der Patientenzahlen in hausärztlichen Praxen. Konservative Schätzungen gehen von zusätzlichen 500 Patienten pro Hausarzt und Quartal aus. Angesichts eines bereits bestehenden, oft regionalen Mangels an Hausärzten wird dies zu einem noch engeren Flaschenhals führen. Qualifizierte Überweisungen werden seltener möglich, und stattdessen droht die Realität einer „Überweisungsdruckerei“ in den Praxen.
  • Steigende Beitragssätze: Die Gesamtausgaben für die haus- und fachärztliche Versorgung würden deutlich ansteigen. Während die steigenden Patientenzahlen im hausärztlichen Bereich zu höheren Ausgaben führen (da dieser Bereich entbudgetiert ist), bleiben die Kosten im fachärztlichen Bereich trotz möglicherweise geringerer Patientenzahlen aufgrund der Budgetierung stabil. Das Ergebnis: höhere Beitragssätze ohne tatsächliche Systemverbesserung.

Ein „intelligenterer Ansatz“: Freiwillige Einschreibung

Statt auf eine verpflichtende Steuerung zu setzen, schlägt der BVOU-Präsident eine intelligentere Alternative vor: „Eine freiwillige Einschreibung der Versicherten in strukturierte haus- und fachärztliche Versorgungsmodelle kann hier Abhilfe schaffen. Patienten, die dies wünschen, erhalten einen koordinierenden Hausarzt und bei Bedarf zeitnahe Facharzttermine. Ein bewährtes Vorbild für dieses Modell sind die Haus- und Facharztverträge in Baden-Württemberg.“ Dort zeigt sich, dass solch ein Konzept nicht nur effektiv, sondern auch wirtschaftlich tragbar ist:

  • Die Mehrausgaben für eine begrenzte Zahl eingeschriebener Versicherter werden durch Einsparungen bei Krankenhausbehandlungen ausgeglichen.
  • Das System bleibt ausgabenneutral und beitragssatzstabil.

Fazit: „Weniger Bürokratie, mehr Effizienz“

Ein verpflichtendes Primärarztsystem würde das deutsche Gesundheitssystem mit zusätzlicher Bürokratie belasten, ohne die gewünschten Verbesserungen zu erzielen. Der BVOU plädiert daher für freiwillige, strukturierte Versorgungsmodelle, die auf den tatsächlichen Bedürfnissen der Patienten basieren und gleichzeitig eine stabile Finanzierungsbasis gewährleisten.