Problemfelder bei der Versorgung von Menschen mit Langzeitanwendung von Opioiden

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Wie ist die Versorgungssituation von Menschen in Deutschland, die aufgrund nichttumorbedingter chronischer Schmerzen eine Langzeittherapie mit Opioiden erhalten? Eine Auswertung von Versichertendaten der DAK-Gesundheit identifizierte fünf Problemfelder.

Die Datenauswertung wurde von Wissenschaftlern des Lehrstuhls für Medizinmanagement der Universität Duisburg-Essen (UDE) unter Leitung von Herrn Prof. Jürgen Wasem gemeinsam mit der DAK-Gesundheit und dem Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland e.V. (BVSD) durchgeführt. Gefördert wurde das Projekt Op-US mit Mitteln des Innovationsausschusses beim Gemeinsamen Bundesausschuss. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse veröffentlichte der BVSD jüngst unter dem Titel „Opioidhaltige Analgetika – Untersuchung zu Entwicklungstrends in der Versorgung bei nicht-tumorbedingten Schmerzen (Op-US)“ auf seiner Website. Aus der Datenerhebung gingen bereits zwei Fachpublikationen hervor (Niemann A et al. Prescription of Opioid Analgesics for Chronic Non-Cancer Pain in Germany despite Contraindications: Administrative Claims Data Analysis. Int J Environ Res Public Health 2024;21(2):180 und Schrader NF et al. Exceeding the guideline-recommended maximum daily dose of opioids for long-term treatment of non-cancer pain in Germany – a large retrospective observational study. BMC Public Health 2024 Sep 27;24(1):2580).

Ziel von Op-US war, die Versorgungssituation von Patienten mit Langzeitanwendung von Opioiden bei chronischen nichttumorbedingten Schmerzen (LONTS) zu untersuchen, um das Risiko für Missbrauch und Abhängigkeitserkrankungen zu minimieren und die Patientensicherheit zu erhöhen. Langzeitanwendung bedeutet dabei die Anwendung von Opioiden über mehr als drei Monate.

Die Studiengruppe wertete dazu einerseits Daten der DAK-Gesundheit zu Versicherten mit LONTS aus. Die Einschlusskriterien erfüllten 113.476 Personen, was zwei Prozent der erwachsenen DAK-Versicherten im Jahr 2018 entsprach. Dabei bekamen Frauen fast dreimal so häufig Langzeit-Opioidverordnungen wie Männer und ältere Menschen häufiger als jüngere (31,5 % waren 50–69 Jahre und 61% ≥70 Jahre). Zusätzlich führten die Studienverantwortlichen eine Versorgungsanalyse mittels Befragung von Versicherten mit LONTS aufgrund von Rücken- oder Arthroseschmerzen (n=661) und Ärzten verschiedener Fachrichtungen (n=422; 46% Anäshtesiologen, 33% Hausärzte) durch.

Identifikation von Problemfeldern bei der Versorgung

Als Gesamtergebnis der Studie konnten in der Versorgung von Menschen mit LONTS fünf Problemfelder festgestellt werden, die der BVSD zusammenfasst:

  • Lange Verordnungshistorie: Knapp die Hälfte der 113.476 eingeschlossenen Versicherten der DAK-Gesundheit mit Opioid-Langzeitverordnungen wies auch im kompletten Vorjahr Opioid-Verordnungen auf. Lediglich jeder Zehnte mit derart langer Vorgeschichte konnte seine Opioid-Behandlung im Studienzeitraum beenden.
  • Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen und fehlende Multimodalität: Neben Opioid-Verordnungen sollten Patienten mit chronischen Schmerzen auch nichtmedikamentöse Maßnahmen wie Krankengymnastik und Psychotherapie erhalten. Dies ist aber bei einem Fünftel der Patienten gar nicht und bei vielen weiteren Patienten nur zeitweise der Fall.
  • Opioid-Verordnung durch mehrere Ärzte: Etwa ein Drittel der Versicherten erhält Opioide von mindestens drei Ärzten innerhalb von zwei Jahren. Sowohl Ärzte als auch Patienten sehen aber Schwierigkeiten in der Koordination zwischen den behandelnden Ärzten.
  • Opioid-Abhängigkeit: Knapp drei Prozent der Versicherten weisen Diagnosen hinsichtlich eines schädlichen Gebrauchs des Medikaments auf. Hierbei scheinen eher Männer, jüngere Menschen und Personen mit psychischen Problemen betroffen zu sein.
  • Versorgungsqualität: Diese weist in der ambulanten Versorgung chronischer Schmerzpatienten Verbesserungspotenzial auf. Nur knapp ein Drittel der Schmerzpatienten gab an, dass mit ihnen ein umfassendes Behandlungskonzept erarbeitet wurde. Auch der Mangel an qualifizierten Schmerzmedizinern könnte hierfür ein Grund sein.

In dem Projekt Op-US erarbeiteten die Wissenschaftler auch gesundheitspolitische Handlungsansätze und Maßnahmen, die diese Problemfelder adressieren. Diese beziehen sich auf die allgemeinen Rahmenbedingungen, etwa Anpassungen der medizinischen Leitlinie, Rahmenbedingungen der medizinischen Leistungserbringung, wie die Berücksichtigung der Schmerztherapie in der Bedarfsplanung, die ärztliche Leistungserbringung, etwa Suchtmonitoring, sowie das Empowerment der Patienten, beispielsweise durch Informationskampagnen.

Dem BVSD zufolge wurden durch Präsentationen der Ergebnisse auf verschiedenen Fachkongressen bereits erste Überlegungen zu einer Überarbeitung der in Deutschland geltenden S3-Leitlinie LONTS diskutiert. Die erarbeiteten Handlungsempfehlungen seien Bestandteil weiterer Veröffentlichung bzw. gesundheitspolitischer Gespräche, heißt es auf Nachfrage vom Verband.

(ah)