Projekt iGUARD: 2,5 Millionen Euro für schnelle Therapien gegen Viruserkrankungen

Auf der Suche nach neuen Medikamenten gegen Viruserkrankungen: Nachwuchswissenschaftler Philippe Vollmer Barbosa forscht im Kooperationsprojekt iGUARD. (Foto: © Karin Kaiser/MHH)

Das Forschungsprojekt iGUARD der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) ist auch in der dritten Runde der SPRIND Challenge erfolgreich und erhält eine Anschlussförderung, um antivirale RNA-basierte Medikamente zu entwickeln.

Trotz erfolgreicher Impfstoffentwicklung gibt es für die meisten Viruserkrankungen nach wie vor keine wirksamen Medikamente. Damit ein Durchbruch gelingt, hat die Bundesagentur für Sprunginnovationen vor zwei Jahren zur SPRIND Challenge aufgerufen. Das Projekt iGUARD (integrated Guided Ultrafast Antiviral RNAi Drug Development) wurde bereits zweimal gefördert und erhält nun als Finalist in der dritten und letzten Runde des Innovationswettbewerbs weitere 2,5 Millionen Euro für die Weiterentwicklung neuer antiviraler Wirkstoffe.

Das Forschungsteam um Prof. Axel Schambach, Leiter des Institutes für Experimentelle Hämatologie der MHH, und Prof. Armin Braun, Leiter der Präklinischen Pharmakologie und Toxikologie im Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM, setzt auf RNA-basierte Wirkstoffe und nutzt dabei einen natürlichen Mechanismus unseres Körpers. Die Medikamente sollen sich besonders schnell an unterschiedliche Viren anpassen können und so den Schutz gegen neu aufkommende Infektionskrankheiten ermöglichen.

Die Virusvermehrung gezielt blockieren

Das iGUARD-Forschungsteam nimmt das Parainfluenza-Virus in den Fokus, das vor allem bei Kindern und Menschen mit geschwächtem Immunsystem die unteren Atemwege befällt. Es löst grippeähnliche Symptome aus, deren Verlauf jedoch auch sehr schwer sein kann. Ziel ist, mithilfe der RNA-Interferenz (RNAi) zu verhindern, dass sich das Virus im Körper vermehren und ausbreiten kann. Die RNAi ist ein natürlicher Mechanismus in unseren Zellen zum zielgerichteten Abschalten von Genen. Dabei werden die Boten- oder messenger RNAs gespalten und die darin enthaltenen Bauanleitungen für Proteine zerstört. Mit dem RNAi-System lassen sich jedoch auch körperfremde RNAs blockieren. Im Fall einer Virusinfektion bildet der Körper kurze RNA-Schnipsel, die wie ein Legostein an die passende Stelle der Virus-RNA binden, diese dadurch unlesbar machen und ihren Abbau einleiten. Die Folge: Der darin verpackte genetische Bauplan wird nicht umgesetzt, und die Virusvermehrung ist blockiert. „Wir haben mittlerweile passende RNAi-Bausteine entwickelt, die gezielt unterschiedliche Abschnitte im Parainfluenza-Virusgenom lahmlegen, die das Virus für seine Vermehrung braucht“, sagt Schambach.

Wirksamkeit der RNAi-Kandidaten erfolgreich in Lungengewebe getestet

Die RNAi-Technologie setzt mit molekularen Methoden an der Achillesferse der Viren an. Mithilfe Künstlicher Intelligenz, dem In-Silicio-Design, hat das Forschungsteam aus Gen-Datenbanken vor allem nach „konservierten“ Regionen gesucht. Diese sind für das Virus unverzichtbar und ändern sich daher voraussichtlich nicht, sodass sich auch keine Resistenzen entwickeln können. Eine solche Suche dauert normalerweise Monate oder Jahre. Dank einer selbst konstruierten Entwicklungspipeline ließ sich dieser Prozess auf wenige Wochen verkürzen. „Wir haben die Wirksamkeit und Sicherheit unserer RNAi-Kandidaten erfolgreich an menschlichen Lungengewebeschnitten sowie in 3-D-Zellkulturen aus menschlichem Lungenepithel und am Tiermodell getestet“, erklärt Prof. Armin Braun, Leiter der Präklinischen Pharmakologie und Toxikologie am Fraunhofer ITEM. „Dort konnten sie das Parainfluenzavirus um 95 Prozent zurückdrängen. Den Rest erledigt das Immunsystem.“

Methode eignet sich auch für andere Virustypen

In der dritten Förderstufe wollen die Forschenden die Wirksamkeit und Sicherheit des Ansatzes nun noch klarer herausarbeiten. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, wichtige Schritte im Hinblick auf eine klinische Anwendung zu erarbeiten“, erklärt Schambach. Zudem soll das RNA-Therapeutikum nicht mit einer Spritze oder als Tablette verabreicht, sondern durch Inhalieren direkt in die unteren Atemwege gebracht werden. Entsprechende Transferverfahren, um die therapeutische RNA direkt in die vom Virus befallene Zielzelle in der Lunge zu bringen, wurden bereits entwickelt. „Langfristiges Ziel ist, mit unserer iGUARD-Plattform entsprechende Therapeutika auch für andere bekannte Viruserkrankungen zu konstruieren.“ Doch die Forschenden haben auch schon die nächste Pandemie im Blick. Dafür will Schambach vorbereitet sein: „Mit unserer RNAi-Technologie sind wir in der Lage, die Wirkstoffe schnell an unbekannte, neu aufkommende Virustypen anzupassen, um sehr schnell maßgeschneiderte Therapien entwickeln zu können.“

Das iGUARD-Projekt ist eine Kooperation des MHH-Instituts für Experimentelle Hämatologie (Prof. Axel Schambach, Philippe Vollmer Barbosa), der MHH-Klinik für Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Stammzelltransplantation (Prof. Adrian Schwarzer) und der Präklinischen Pharmakologie und Toxikologie am Fraunhofer ITEM (Prof. Armin Braun, Philippe Vollmer Barbosa).