Projekt iGUARD: Auf der Suche nach schnellen Therapieansätzen gegen Viruserkrankungen16. Dezember 2021 Nachwuchswissenschaftler Philippe Vollmer Barbosa mit Zellkulturen für die Produktion der Virusvektoren, die das Medikament als Gentaxi in die Lungenzellen bringen sollen. (Foto: © Karin Kaiser/MHH) Ein Forschungsteam der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) mit neuer Entwicklungspipeline für RNA-basierte Medikamente bei europaweitem Wettbewerb erfolgreich Viren sind ein großes Problem für die Gesundheit der Menschen weltweit – und das nicht erst seit Ausbruch der SARS-CoV2-Pandemie. Trotz erfolgreicher Impfstoffentwicklung gibt es für die meisten Viruserkrankungen nach wie vor keine wirksamen Medikamente. Das soll sich möglichst schnell ändern. Mit dem Projekt iGUARD (integrated Guided Ultrafast Antiviral RNAi Drug development) will ein Forschungsteam um Prof. Axel Schambach, Leiter des Instituts für Experimentelle Hämatologie der MHH, in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin ITEM RNA-basierte Wirkstoffe zur Bekämpfung von Viruserkrankungen entwickeln, die sich besonders schnell an unterschiedliche Viren anpassen können und so den Schutz gegen neu aufkommende Infektionskrankheiten ermöglichen. Das Projekt hat sich im Rahmen eines europaweiten Forschungswettbewerbs mit acht anderen Vorhaben unter 45 Bewerbern durchgesetzt und wird von der Bundesagentur für Sprunginnovationen zunächst für ein Jahr mit 700.000 Euro unterstützt. Die Virusvermehrung blockieren Das Forschungsteam nimmt dabei das Parainfluenza-Virus in den Fokus, das vor allem bei Kindern und Menschen mit geschwächtem Immunsystem die unteren Atemwege befällt und grippeähnliche Symptome auslöst. Ziel ist zu verhindern, dass sich das Virus im Körper vermehren und ausbreiten kann. Das will das Forschungsteam mithilfe der RNA-Interferenz (RNAi) erreichen. Die RNAi nutzt einen natürlichen Mechanismus in der Zelle, um gezielt einzelne Bauanleitungen für Proteine – Boten- oder messenger-RNAs (mRNAs) – abzuschalten. Mit dem RNAi-System lassen sich jedoch auch fremde mRNAs blockieren. Im Fall einer Virusinfektion bildet der Körper kurze RNA-Schnipsel, die wie ein Legostein an die passende Stelle der mRNA binden und sie so unlesbar machen und deren Abbau einleiten. Die Folge: Der darin verpackte genetische Bauplan wird nicht umgesetzt und die Virusvermehrung ist blockiert. „Wir wollen diesen Mechanismus nutzen, um passende RNAi-Bausteine zu entwickeln, die gezielt Abschnitte im Parainfluenza-Virusgenom lahmlegen“, erklärt Philippe Vollmer Barbosa, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Experimentelle Hämatologie sowie in der Abteilung Präklinische Pharmakologie und Toxikologie am Fraunhofer ITEM. Entwicklungsprozess eines Wirkstoffkandidaten auf wenige Wochen verkürzt „Die RNAi-Technologie setzt mit molekularen Methoden sozusagen an der Achillesferse der Viren an“, sagt Schambach. Um geeignete RNAi-Kandidaten herauszufinden, bedient sich das Forschungsteam Künstlicher Intelligenz. Das In-Silicio-Design soll aus Gen-Datenbanken geeignete Zielstrukturen im Virus aufspüren und passende Ziele für RNAi auswählen. „Dabei suchen wir vor allem nach sogenannten konservierten Regionen, die für das Virus unverzichtbar sind und sich daher voraussichtlich nicht ändern, so dass sich auch keine Resistenzen entwickeln können“, stellt der Wissenschaftler fest. Eine solche Suche dauert normalerweise mehrere Monate, mitunter sogar Jahre. Mithilfe einer selbst konstruierten Entwicklungspipeline soll sich der gesamte Prozess nun auf acht Wochen verkürzen. Per Gentaxi in die Zielzelle Das RNA-Therapeutikum soll nicht mit einer Spritze oder als Tablette verabreicht werden, sondern inhaliert werden und so direkt und möglichst ohne Nebenwirkungen in die unteren Atemwege gebracht werden. Ein ungefährlicher Virusvektor sorgt als Gentaxi dafür, dass die therapeutische RNA direkt in die vom Virus befallene Zielzelle in der Lunge gelangt. Überprüft wird die Wirksamkeit des Medikaments an menschlichen Lungengewebeschnitten sowie in 3-D-Zellkulturen aus menschlichem Lungenepithel. „Wenn das alles funktioniert, können wir mit unserer iGUARD-Plattform auch entsprechende Therapeutika für andere Virustypen konstruieren und die Wirkstoffe außerdem schnell an neu aufkommende Viruserkrankungen anpassen”, ist Schambach überzeugt. Auch Medikamente für Lungenerkrankungen wie Fibrose, Asthma oder Lungenkrebs ließen sich so entwickeln. Das iGUARD-Projekt ist eine Kooperation des MHH-Institutes für Experimentelle Hämatologie (Schambach), der MHH-Klinik für Hämatologie, Hämostaseologie, Onkologie und Stammzelltransplantation (Dr. Adrian Schwarzer) und der Abteilung Präklinische Pharmakologie und Toxikologie am Fraunhofer ITEM (Prof. Armin Braun). Nach einem Jahr kann sich das Team für eine zweite Förderrunde bewerben.
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