Prospektive randomisierte Studie zeigt bei benignem Lagerungsschwindel die Überlegenheit des Semont-Plus-Manövers3. Juli 2023 Foto: Andrey Popov/stock.adobe.com Bei einem benignem paroxymalen Lagerungsschwindel (BPPV) mit ausgeprägten Drehschwindelattacken, mit dem Semont-Plus-Manöver (SM-Plus) schneller zur Beschwerdefreiheit kommt als mit dem alternativen Epley-Manöver, so das Ergebnis einer aktuellen Studie [1]. Der BPPV ist eine Erkrankung des Vestibularapparates, den 2,4 Prozent aller Menschen irgendwann im Leben erleben [2]. Er ist durch wiederkehrende kurze Episoden von starkem Drehschwindel gekennzeichnet, ausgelöst durch Bewegung bzw. Positionsveränderungen des Kopfes. Eine altersbedingte Degeneration der Otokonien scheint beizutragen, denn ältere Menschen sind häufiger betroffen. Die Therapie besteht in manuellen Befreiungsmanövern; dabei bewegt die Ärztin/der Arzt Oberkörper und Kopf der Betroffenen auf einer Liege in einer bestimmten Abfolge von Positionen, wodurch die Steinchen den Weg aus dem Bogengang herausfinden sollen. Mehrheitlich ist der hintere der drei Bogengänge betroffen („posterior canal“, pcBPPV). Dabei sind sowohl das Epley-Manöver (EM) als auch das Semont-Manöver (SM) sehr wirksam; bei korrekter Durchführung liegt die Erfolgsquote bei bis zu 95 Prozent [1]. In den meisten Fällen müssen die Manöver mehrmals erfolgen, bis Beschwerdefreiheit erzielt wird. Die Manöver können nach genauer Anleitung auch vom Betroffenen selbst durchgeführt werden; die Erfolgsquote ist dann oft etwas niedriger. Vergleiche von SM und EM ergaben bisher keine Unterschiede in ihrer Wirksamkeit. Die Wahl des Manövers hängt von der Erfahrung der Therapeutin oder des Therapeuten und von individuellen Faktoren ab, beispielsweise, ob bei dem Betroffenen Schulter- oder Nackenprobleme bestehen. Basierend auf Erkenntnissen durch biophysikalischen Modellen und Computersimulationen wurde vor einigen Jahren von einer Arbeitsgruppe aus München um Strupp (Neurologische Klinik und Deutsches Schwindel- und Gleichgewichtszentrum; Klinikum der Ludwig Maximilians Universität München) sowie einem Team aus der Schweiz das „SM-plus“ entwickelt [3], wobei die exakten Drehwinkel der Bogengänge bzw. des Kopfes ermittelt wurden, um die „Wanderung“ der Otokonien zu optimieren. In einer prospektiven randomisierten Studie konnte dabei gezeigt werden, dass SM-plus dem normalen SM überlegen ist, denn die Zeit bis zur Beschwerdefreiheit verkürzte sich von median zwei Tagen (Range 1–21; im Mittel 3,6 Tage) mit dem klassischen SM auf einen Tag (Range 1-8; im Mittel 1,8 Tage) mit dem SM-plus-Manöver (p<0,001) [4]. Eine neue Studie verglich nun in drei europäischen Zentren (München, Siena/Italien, Brügge/Belgien) prospektiv und randomisiert die Wirksamkeit des SM-plus mit dem Epley-Manöver (EM) bei pcBPPV. Dafür wurden 253 Patientinnen und Patienten im Rahmen der routinemäßigen ambulanten Versorgung gescreent; 214 (mittleres Alter 62,6±13,9 Jahre; 64,1% weiblich) konnten für die Studie randomisiert und jeweils 97 (EM) und 98 (SM-Plus) abschließend analysiert werden. Nach Randomisierung in die SM-Plus- oder EM-Gruppe erhielten die Betroffenen ein erstes ärztlich durchgeführtes Manöver und praktizierten dies dann nach genauer Anleitung (schriftlich und bildlich) als Selbstmanöver 9x pro Tag zu Hause (je 3 x morgens, mittags und abends). Die Teilnehmenden dokumentierten jeden Morgen, ob sie noch einen Lagerungsschwindel hatten. Primärer Endpunkt war die Anzahl der Tage, bis an drei aufeinanderfolgenden Tagen keine Morgensymptome mehr ausgelöst werden konnten. Die mittlere Dauer bis zum primären Endpunkt betrug in der SM-plus-Gruppe 2,0±1,6 Tage (median 1 Tag; Range 1-8) und in der EM-Gruppe 3,3±3,6 Tage (median 2; Range 1-20 Tage; p=0,01). In der EM-Gruppe berichteten 19 Betroffene (19,6 %) von Übelkeit während der Selbstmanöver; in der SM-plus-Gruppe 24 (24,5%). In keiner Gruppe gab es schwerwiegende unerwünschte Ereignisse. Für den sekundären Endpunkt (Wirkung des ersten ärztlich durchgeführten Manövers) wurde kein signifikanter Unterschied festgestellt. In der SM-plus-Gruppe waren danach 68,4% und in der EM-Gruppe 62,9% zunächst schwindelfrei. Am nächsten Morgen hatten von diesen zunächst beschwerdefreien Personen 25,4% (SM-plus) und 24,6% (EM) wieder einen pcBPPV. „Die relativ hohe Rezidivquote nach einmaliger ärztlicher Behandlung zeigt, dass es sinnvoll ist, den Betroffenen ein Selbstmanöver beizubringen“, konstatiert Strupp, Erstautor der Studie. „Nach unseren Studienergebnissen sollte sowohl für das erste ärztliche Manöver als auch für die Selbstmanöver das SM-plus verwendet werden, wenn medizinisch nichts dagegenspricht.“
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