„Prostatakrebs-Früherkennung sicherlich nicht vor 2028“30. April 2025 IQWiG-Experte Stefan Sauerland zweifelt: “Aus IQWiG-Sicht ist bislang noch offen, ob ein PSA+MRT-Screening besser ist als kein Screening.“ Foto: IQWiG Die Konsultationsfassung der S3-Leitlinie zum Prostatakarzinom, die bis zum 25.04.2025 kommentiert werden konnte, empfiehlt ein risikoadaptiertes Screening mit einer Kombination aus PSA-Test und MRT auf Wunsch und nach Aufklärung des Patienten. Ob damit eine von der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) übernommene Früherkennung folgt, ist aber noch fraglich. Der neuen Leitlinie zufolge soll Männern ab 45 Jahren, die sich nach Beratung für die Früherkennung entscheiden, ein PSA-Bluttest angeboten werden. Liegt der PSA-Wert unter 1,5 ng/ml, besteht laut Leitlinie ein niedriges Krebsrisiko. Weitere Screenings sollen dann alle fünf Jahre erfolgen. Liege der Wert zwischen 1,5 und 2,99 ng/ml, bestehe ein moderates Risiko. In diesem Fall wird ein zweijähriges Screening empfohlen. Ein Wert über 3 ng/ml berge dagegen ein hohes Krebsrisiko und erfordere weitere Diagnostik, etwa eine MRT. Tastuntersuchung fällt weg Die bisherige rektale Tastuntersuchung zur Krebsfrüherkennung soll komplett entfallen. Nur diese wird jedoch bislang Männern ab 45 Jahren jährlich als „Krebsfrüherkennungsprogramm“ der GKV angeboten. Ein PSA-Test ist derzeit nicht Bestandteil des gesetzlichen Screenings, aber als „individuelle Gesundheitsleistung“ möglich. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) beschäftigte sich zuletzt im Jahr 2020 ausführlich mit Nutzen und Risiken des PSA-Screenings. Dem damaligen Abschlussbericht des IQWiG zufolge schadet das PSA-Screening deutlich mehr Männern durch Überdiagnosen, als dass es nutzt. Der G-BA lehnte eine Kostenerstattung durch die Kassen deshalb ab. Allerdings beruhten die ausgewerteten Studien noch auf dem opportunistischen PSA-Screening. Ein kombiniertes Screening aus PSA-Test und MRT, wie es die Leitlinie nun empfiehlt, konnte zu dieser Zeit noch nicht im Detail untersucht werden. Europäische Empfehlung Die EU-Kommission empfiehlt seit 2022, genau ein solches kombiniertes Screening auf nationaler Ebene schrittweise einzuführen und wissenschaftlich zu begleiten. Schweden hat dies bereits 2020 mit einem strukturierten und qualitätsgesicherten Früherkennungsprogramm umgesetzt, das wissenschaftlich eng begleitet wird. Dort konnte seitdem bei über der Hälfte der Männer ab 50 Jahren mit einem PSA-Wert über 3 ng/ml eine Biopsie vermieden werden. Die Biopsie gilt als einer der größten möglichen „Schäden“ eines falsch-positiven PSA-Tests: Drei von vier Gewebeentnahmen zeigen bei erhöhtem PSA-Wert keinen Tumor Der PSA-Test allein führt in diesen Fällen also zu einer Übertherapie ohne Nutzen. Doch geben die Studiendaten das bereits her? Prof. Stefan Sauerland, Leiter des IQWiG-Ressorts Nichtmedikamentöse Verfahren, kritisiert: „Die neue zweischrittige Screening-Strategie ist bislang weder in Langzeit-Studien untersucht worden noch gibt es eine Gesamtanalyse dazu, wie die jetzt verfügbaren Einzelergebnisse in der Summe zusammenpassen. Aus IQWiG-Sicht ist bislang noch offen, ob ein PSA+MRT-Screening besser ist als kein Screening.“ Er rechnet aber damit, dass bald eine Neubewertung der Prostatakrebs-Früherkennung gestartet wird. „Wenn die Studienergebnisse insgesamt ein positives Bild ergeben, könnten Ärzte, Krankenkassen und weitere Beteiligte im G-BA beschließen, dass die PSA+MRT-basierte Krebsfrüherkennung geprüft und eventuell später allgemeine Krankenkassenleistung wird. Hierfür sind aber komplexe wissenschaftliche und organisatorische Fragen zu klären, sodass die Prostatakrebs-Früherkennung sicherlich nicht vor 2028 allgemein angeboten werden wird“, schätzt Sauerland. „Nicht direkt allen Männern Früherkennung anbieten“ Nach Einschätzung des IQWiG-Experten ist es „vor allem wichtig, ob die Krebsfrüherkennung wirklich Todesfälle vermeiden kann, ohne dass allzu viele Männer durch die Früherkennung Nachteile erleiden“. Einstweilen sollten die Ärzte seiner Ansicht nach „nicht direkt allen Männern eine Früherkennung gemäß Leitlinie anbieten“. Er hält es für „bedenklich, dass laut Leitlinie die Früherkennung bereits mit 45 Jahren beginnen darf, weil Krebs hier sehr selten ist und die meisten Studien Männer erst ab 50 oder 55 Jahren untersucht haben“. Einen Start mit 45 Jahren findet auch Prof. Ola Bratt, Professorin für klinische Krebsepidemiologie an der Universität Göteborg (Schweden), zu früh: „Meine eigene Schlussfolgerung aus den verfügbaren Erkenntnissen lautet, dass Vorsorgeuntersuchungen zwischen dem 50. und 55. Lebensjahr beginnen sollten. Ein früherer Beginn führt nur zur Erkennung sehr weniger klinisch relevanter Krebserkrankungen und ist daher wahrscheinlich nicht kosteneffizient.“ Auch Bratt fordert weitere Studiendaten: „Es ist vernünftig zu behaupten, dass wir heute wissen, dass die Überdiagnose (und damit auch die Überbehandlung) durch die Verwendung von MRT plus gezielter Biopsie im Vergleich zu systematischen Prostatabiopsien reduziert wird, aber wir wissen noch nicht, um wie viel die Überdiagnose reduziert wird. Die Gesundheitsbehörden müssen aber das Ausmaß dieser Reduzierung kennen, um über ein nationales Screening-Programm für Prostatakrebs entscheiden zu können.“ (SMC/ms)
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