Proteinkomplex ClpX-ClpP – Neuer Ansatzpunkt für Antibiotika?7. Oktober 2019 Drei kryo-elektronenmikroskopische Ansichten des Proteinkomplexes ClpX-ClpP. Bild: C. Gatsogiannis / MPI für molekulare Physiologie Ein Forschungsteam hat die Struktur des proteinabbauenden Komplexes ClpX-ClpP aufgeklärt. Dies ist ein Schlüssel zur Entwicklung innovativer Antibiotika, die auf den Abbauprozess von defekten Proteinen in Bakterien abzielen. Fast 700.000 Menschen erkranken in der EU jährlich an Infektionen durch antibiotikaresistente Erreger, circa 33.000 von ihnen sterben. Trotz dieser enormen und weltweit zunehmenden Gefahr wurden in den letzten Jahrzehnten nur wenige neue Antibiotika entwickelt und zugelassen. Eine Verbesserung ist nicht in Sicht. Deshalb ist es dringend notwendig, neue Angriffspunkte in krankheitserregenden Bakterien zu finden und neuartige Antibiotika zu entwickeln, die diese Schwachstellen ausnutzen. Neuer Wirkmechanismus zerstört Bakterien Ein vielversprechendes Ziel für antibakterielle Therapien ist das proteinabbauende Enzym ClpP. Es spielt zum einen eine wichtige Rolle im bakteriellen Stoffwechsel und sorgt für den kontrollierten Abbau defekter Proteine. Dazu benötigt es jedoch das Protein ClpX als Starthilfe. Im Komplex mit ClpP erkennt ClpX Proteine die abgebaut werden sollen, entfaltet sie und leitet diese dann in seine fassartige Abbaukammer. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Gruppen um Prof. Stephan Sieber, Technische Universität München (TUM) und Prof. Stefan Raunser, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologe in Dortmund, haben nun erstmals die dreidimensionale Struktur des proteinabbauenden Komplexes ClpX-ClpP aufgeklärt und damit eine wichtige Basis für zukünftige pharmakologische Anwendungen geschaffen. Eine neue Klasse potentieller Antibiotika, die sogenannten Acyldepsipeptide (ADEP) bewirken einen unkontrollierten Abbau durch ClpP auch ohne die Unterstützung von ClpX. Dadurch werden lebenswichtige Proteine zerstört – mit tödlichen Folgen für die Bakterien. Mechanismus der Regulation von ClpP durch ClpX und ADEP. Links: Die Abbaukammer von ClpP (blau, orange) ist verschlossen. Mitte: Bindet ADEP (gelb) an ClpP, öffnet sich die Abbaukammer und der unkontrollierte Abbau von Proteinen wird ausgelöst. Rechts: Bindet ClpX an ClpP wird die Protease nicht geöffnet. Die durch ClpX katalysierte Entfaltung der Zielproteine ermöglicht den Eintritt in die Abbaukammer. Bild: C. Gatsogiannis / MPI für molekulare Physiologie Dieser einzigartige Wirkmechanismus hat ein beträchtliches Innovationspotential im Kampf gegen krankmachende Bakterien. Denn während gängige Antibiotika durch die Hemmung lebenswichtiger Prozesse wirken, wird in diesem Fall der antibakterielle Effekt durch die Aktivierung eines Vorgangs erzielt. Bakterien entwaffnen Neben dem Abbau von defekten Proteinen ist ClpP auch ein entscheidender Regulator bei der Produktion eines Arsenals bakterieller Gifte, die maßgeblich verantwortlich sind für die krankmachende Wirkung vieler Erreger. An der TU München forscht die Gruppe um Sieber seit Jahren erfolgreich an der Protease ClpP und hat bereits eine Vielzahl potenter Hemmstoffe gegen ClpP und ClpX entwickelt, die die Produktion von bakteriellen Giften stoppen und sie damit quasi entwaffnen können. Dóra Balogh gelang es nun, den ClpX-ClpP Komplex herzustellen und zu stabilisieren. Neue Möglichkeiten durch Aufklärung der Struktur von ClpX-ClpP Im Detail konnte die Struktur des ClpX-ClpP Komplexes aber bisher noch nicht aufgeklärt werden. Dr. Christos Gatsogiannis, Mitarbeiter in der Gruppe um Raunser am MPI für molekulare Physiologe, gelang dies nun mittels Kryo-Elektronenmikroskopie. Kryo-elektronenmikroskopisches Bild des Komplexes aus ClpP und ClpX, der in pathogenen Bakterien für den Abbau nich mehr benötigter Proteine sorgt. ClpP könnte ein Ansatzpunkt für neue Strategien gegen krankmachende Bakterien sein. – Bild: C. Gatsogiannis / MPI für molekulare Physiologie. Mit dieser Technik konnte das Team zeigen, dass ADEP und ClpX zwar an derselben Stelle an ClpP andocken, den Prozess des Proteinabbaus aber auf unterschiedliche Weise steuern: Während ClpX zu keiner Veränderung in der Struktur von ClpP führt, verursacht ADEP eine nicht vorgesehene Öffnung der Protease. Dadurch werden auch intakte Proteine unkontrolliert und ohne die Unterstützung von ClpX abgebaut. Die Aufklärung dieses Mechanismus durch die Forscherteams aus Dortmund und München ist ein Meilenstein auf dem Weg zur Entwicklung innovativer antibiotischer Substanzen, die ClpP als Angriffsziel haben.
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