Protonenpumpenhemmer als Prophylaxe vor Magen-Darm-Blutungen führen zu keinem Mehrwert bei Intensivpatienten

Spritzen- und Medikamentenwagen auf der Intensivstation (Quelle: Universitätsspital Bern/Sandra Stämpfli)

Kritisch kranke Patientinnen und Patienten erhalten auf der Intensivstation häufig einen Protonenpumpenhemmer, um Magen-Darm-Blutungen vorzubeugen. Doch die Prophylaxe scheint weniger zu bewirken als vermutet, so eine große internationale Studie mit Beteiligung des Inselspitals Bern.

Wer auf einer Intensivstation hospitalisiert ist, befindet sich in einem kritischen Gesundheitszustand. Wenn der Mensch um das Überleben kämpft, schüttet der Körper vermehrt Stresshormone aus, was den Magen-Darm-Trakt angreifen und zu Magen-Darm-Blutungen führen kann. Zur Prävention erhalten deshalb bislang die meisten Patientinnen und Patienten auf Intensivstationen routinemäßig Protonenpumpenhemmer. 33 Intensivstationen in sechs EU-Ländern und in der Schweiz haben nun untersucht, ob diese Praxis den Krankheitsverlauf verbessert. Die Ergebnisse wurden jetzt im “New England Journal of Medicine” publiziert und zeitgleich am Europäischen Kongress für Intensivmedizin in Paris präsentiert.

Sterblichkeit und Komplikationen mit und ohne Medikament vergleichbar
Die groß angelegte Studie umfasste knapp 3300 kritisch kranke Patientinnen und Patienten während ihrer Hospitalisierung auf der Intensivstation. Das Inselspital Bern war Schweizer Studienkoordinationszentrum. Die Hälfte der Patientinnen und Patienten erhielt zur Vermeidung von Magen-Darm-Blutungen einen Protonenpumpenhemmer, die andere Hälfte ein Placebo.

Nach 90 Tagen war die Anzahl der verstorbenen Patientinnen und Patienten in den Vergleichsgruppen der zuvor lebensbedrohlich kranken Menschen nahezu identisch. Auch Ereignisse wie Lungenentzündungen, bestimmte Darmentzündungen oder die Häufigkeit von Herzinfarkten traten gleich häufig auf. Die Anzahl der Behandlungstage ohne notwendige Organunterstützung auf der Intensivstation war in den beiden Gruppen ebenfalls vergleichbar. Insofern konnten die Forscherinnen und Forscher keinen signifikanten Mehrwert der medikamentösen Prophylaxe für die Gesamtheit kritisch Kranker feststellen.

Prophylaxe bei Intensivpatienten kritisch hinterfragen
Prof. Joerg C. Schefold von der Universitätsklinik für Intensivmedizin im Inselspital Bern, der die Untersuchung in der Schweiz leitete, ordnet die Ergebnisse als sehr relevant für die globale Praxis auf allen Intensivstationen ein: “Unsere neuen Daten zeigen, dass vermutlich nur wenige kritisch kranke Patientinnen und Patienten von der vorbeugenden Gabe eines solchen Magenschutzmedikamentes profitieren. Intensivmediziner sollten somit kritisch hinterfragen, ob die routinemäßige Gabe eines solchen Medikamentes wirklich angezeigt ist – insbesondere da es hier um lebensbedrohlich erkrankte Patientinnen und Patienten geht.”