Eine Dosis Psilocybin, ein Schuss Tollwut: Neue Ansätze gegen Depression

Eine internationale Forschungskooperation unter der Leitung von Wissenschaftlern der Cornell University (USA) nutzte eine Kombination aus Psilocybin und dem Tollwutvirus, um zu kartieren, wie und wo die psychedelische Substanz die Verbindungen im Gehirn verändert.

Konkret zeigten sie, dass Psilocybin die kortiko-kortikalen Rückkopplungsschleifen schwächt, die Menschen in negativem Denken gefangen halten können. Psilocybin stärkt zudem die Verbindungen zu subkortikalen Regionen, die Sinneswahrnehmungen in Handlungen umsetzen, und verbessert so die sensomotorischen Reaktionen. Die Ergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift „Cell“ veröffentlicht.

Das Projekt ist das neueste von Alex Kwan, Professor für Biomedizintechnik an der Cornell University und Letztautor der Studie. Kwans Labor erforscht, wie psychiatrische Medikamente wie Psilocybin, Ketamin und 5-MeO-DMT die neurologischen Schaltkreise des Gehirns verändern. Ziel ist es, therapeutische Behandlungen gegen Depressionen zu entwickeln.

Psilocybin schafft neue Vernetzungen im gesamten Gehirn

Psilocybin, der Wirkstoff in halluzinogenen Pilzen, ist ein vielversprechender Kandidat für die pharmazeutische Entwicklung. Klinische Studien haben gezeigt, dass die psychedelische Substanz die Symptome von Depressionen lindern kann. Der Effekt zeigt sich wochen- und möglicherweise sogar monatelang nach nur einer Behandlung. „Mit Psilocybin ist es, als würden wir dem Gehirn unzählige neue Verbindungen hinzufügen, ohne zu wissen, wohin diese führen“, erläutert Kwan. „Wir nutzen hier das Tollwutvirus, um die Vernetzung im Gehirn zu untersuchen. Diese Viren sind nämlich von Natur aus so beschaffen, dass sie zwischen Neuronen übertragen werden. Das macht sie so gefährlich. Sie springen über eine Synapse und gelangen von einem Neuron zum nächsten.“

Die Forschenden beobachteten, dass die sensorischen Bereiche des Gehirns stärker mit den subkortikalen Regionen vernetzt werden. Dadurch wird die Verbindung zwischen Wahrnehmung und Handlung gestärkt. Anfangs hatte Kwan erwartet, Verbindungen zwischen ein oder zwei Hirnregionen zu finden, war aber überrascht, festzustellen, dass die durch Psilocybin bewirkte Umstrukturierung das gesamte Gehirn betrifft. „Hier untersuchen wir wirklich Veränderungen im gesamten Gehirn“, berichtet er. „Das ist ein Maßstab, mit dem wir bisher noch nicht gearbeitet haben. Oft konzentrieren wir uns nur auf einen kleinen Teil des neuronalen Schaltkreises.“

Therapeutische Perspektiven

Die umfassende Kartierung der neuronalen Schaltkreise zeigte auch, dass die Stärke der neuronalen Aktivität im Gehirn bestimmen kann, welche neuronalen Verbindungen durch die Droge umstrukturiert werden. Das inspirierte die Forschenden zu dem Nachweis, dass sie durch die Beeinflussung der neuronalen Aktivität einer bestimmten Hirnregion die Art und Weise, wie Psilocybin die Schaltkreise umstrukturiert, tatsächlich verändern können.

„Das eröffnet viele Möglichkeiten für die Therapie, wie man möglicherweise einen Teil der negativen Plastizität vermeiden und stattdessen gezielt die positiven verstärken kann“, sagte Kwan.

(lj/BIERMANN)

Außerdem interessant zum Thema Psilocybin & Psychedelika:

Erstmals in Deutschland: Arzneimittel-Härtefallprogramm für Psilocybin

Psychedelika bei stressbedingten psychiatrischen Störungen