Psychomotorische Störungen bei Schizophrenie16. Oktober 2025 Neue Studien belegen, dass psychomotorische Störungen bei Schizophrenie mit Veränderungen im primären Motorcortex zusammenhängen. (Bild: © peopleimages.com – stock.adobe.com) Etwa die Hälfte der Menschen mit Schizophrenie zeigt verlangsamte Bewegungen und Handlungsplanung. Neue Studien belegen, dass psychomotorische Störungen bei Schizophrenie mit Veränderungen im primären Motorcortex zusammenhängen. Hoffnung bieten gezielte Interventionen wie die transkranielle Magnetstimulation, die Beweglichkeit und Alltagsbewältigung verbessern können. Etwa ein Prozent der Bevölkerung erkrankt im Laufe des Lebens an Schizophrenie. Die Erkrankung ist schwer und zeichnet sich durch Störungen von Denken, Wahrnehmung, Gefühlen und oft auch Verhalten aus. Schizophrenie ist nicht heilbar, lässt sich aber mit medikamentösen und psychotherapeutischen Therapien gut behandeln. Bei etwa 80 Prozent der Betroffenen treten jedoch unabhängig von den Nebenwirkungen der Antipsychotika motorische Störungen auf. Bei jedem zweiten Betroffenen sind die Bewegungen und auch die Gedankengänge verlangsamt. „Alles, was sie tun, ist langsamer, manchmal so stark, dass der Alltag nicht mehr allein bewältigt werden kann“, sagt Prof. Sebastian Walther, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Uniklinikum Würzburg. „Seit mehr als hundert Jahren ging man davon aus, dass jeder Muskel im Körper über einen festen Punkt in der Hirnrinde gesteuert wird. Die Darstellung dieses sogenannten motorischen Homunkulus, bei dem jedem Körperteil ein Bereich in der Hirnrinde zugeordnet wird, ist jedoch zu simpel und unzureichend“, berichtet Walther. Vor zwei Jahren zeigte eine US-amerikanische Studie mithilfe von hochauflösender Bildgebung, dass sich im Motorcortex spezialisierte Regionen für bestimmte Körperteile mit dazwischenliegenden Bereichen abwechseln. Diese sind nicht für einen einzelnen Muskel zuständig, sondern integrieren Bewegungsplanung, Koordination und Signale aus dem Körper. Die Steuerung im Gehirn ist demnach kein linearer Aufbau, sondern ein Muster aus „Effektor-Zonen“ und „Integrations-Zonen“. Kartierung des psychomotorischen Verhaltens im Gehirn Die integrativen Zonen, die für komplexe Bewegungen zuständig sind, spielen wahrscheinlich eine entscheidende Rolle für psychomotorische Störungen bei Schizophrenie. Walther formulierte seine Hypothese kurze Zeit später in „JAMA Psychiatry“. Nun konnte er die funktionelle Organisation des primären motorischen Kortex bei Psychosen sowie die potenzielle Rolle der Intereffektor-Regionen bei psychomotorischer Verlangsamung in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift „PNAS“ belegen. Veränderungen im primären Motorcortex nur bei verlangsamten Patienten Bevor Walther im Oktober 2024 Klinikdirektor in Würzburg wurde, war er stellvertretender Klinikdirektor und Chefarzt der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Bern. Dort untersuchte er mit seinem Team funktionelle MRT-Bilder von 126 Patienten mit diagnostizierter Schizophrenie sowie von 43 gesunden Personen. Sie verglichen die funktionelle Konnektivität des Gehirns von Menschen mit Psychose mit der von gesunden Personen. Anschließend analysierten sie gezielt diejenigen Patienten, bei denen die Psychomotorik verlangsamt war, und stellten sie denjenigen ohne psychomotorische Einschränkungen gegenüber.„Wir haben gesehen, dass die Veränderungen nicht per se mit der Erkrankung Schizophrenie zusammenhängen, sondern nur bei Patienten zu finden sind, deren Bewegungen verlangsamt sind. Bei ihnen waren die Regionen innerhalb des motorischen Kortex unterschiedlich verknüpft“, resümiert Sebastian Walther. Zusammenhang zwischen Bewegungsverlangsamung und Motorcortex-Aktivität Mit seinem Team untersuchte Walther die Gehirnaktivität zehn Minuten lang im Ruhezustand und analysierte anschließend, welche Bereiche des Gehirns miteinander kommunizieren und in den gleichen Frequenzen schwingen. „Hier waren die Unterschiede bereits signifikant“, berichtet Walther. Doch wie stark hängen diese Veränderungen mit dem Verhalten zusammen? „Sehr stark“, antwortet er. „Je stärker die Verlangsamung, desto stärker ist auch die Veränderung im primären motorischen Kortex.“ Die tägliche Bewegungsmenge wurde mit einem Fitnesstracker gemessen, die Feinmotorik mit einem Geschicklichkeitstest, bei dem die Patienten eine Münze zwischen ihren Fingern rotieren ließen. TMS: Magnet-Impuls-Training fürs Gehirn Was bedeuten diese Forschungsergebnisse konkret für Patienten? Der Leidensdruck ist groß bei denen, deren Bewegungen und Handlungsplanung stark verlangsamt sind. Pharmakologische Behandlungen gibt es bislang nicht. Hoffnung bietet die transkranielle Magnetstimulation (TMS). Walther hat diese Methode bereits in einer randomisierten, doppelblinden Studie mit Patienten mit starker Bewegungsverlangsamung getestet. Bei der TMS werden kurze Magnetimpulse von außen durch den Schädel auf das Gehirn übertragen, um die gestörte Hirnaktivität zu beeinflussen und Netzwerke wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Die Gruppe, die eine gezielte Magnetstimulation erhielt, wurde deutlich beweglicher und zeigte die größten Verbesserungen. Die anderen Gruppen, die eine Placebo-TMS oder gar keine Behandlung erhielten, zeigten kaum Veränderungen. In der Studie wurde allerdings der prämotorische Kortex angesteuert, der Bewegungen plant und koordiniert, bevor sie ausgeführt werden. „Mit den neuen Informationen aus der aktuellen PNAS-Publikation würden wir vielleicht genauer innerhalb des primärmotorischen Kortex auf die Intereffektoren zielen“, erläutert Walther. Fazit Die Ergebnisse zeigen, dass gezielte Interventionen wie TMS vielversprechend sind, um psychomotorische Störungen bei Schizophrenie zu behandeln. Die Forschung liefert Einblicke in die neuronalen Mechanismen, die Bewegungsverlangsamung verursachen, und eröffnet neue Perspektiven für zukünftige Therapien und personalisierte Behandlungsansätze.
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