Qualität in der Endoprothetik durch Mindestmengen und Zentrumsbildung6. Dezember 2023 Karl Dieter Heller (Bild: Screenshot Pressekonferenz, 5.12.2023) Auf einer Online-Pressekonferenz erläuterte der Endoprothetik-Experte und Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Endoprothetik (AE), Prof. Karl Dieter Heller, warum Patienten von Mindestmengen und der Zentrumsbildung in der Endoprothetik profitieren können. Kritisch sieht er das Tempo der Reform und die Finanzierung. „Das DRG-System kommt derzeit an seine Grenzen. Viele Krankenhäuser können hiermit nicht mehr kostendeckend arbeiten. Mehr und mehr melden Insolvenz an. Dies hat die Politik zur Kenntnis genommen und wird das marode DRG-System im Rahmen der Krankenhausstrukturreform verändern, konstatierte Prof. Karl-Dieter Heller, Ärztlicher Direktor des Herzogin Elisabeth Hospitals Braunschweig und Chefarzt der Orthopädischen Klinik, vor Medienvertretern anlässlich des 25. AE-Kongresses, der vom 8. Bis 9. Dezember in Leipzig stattfindet. „Es werden je nach Art der Operation 40 bis 60 Prozent der jetzigen Fallpauschale als Vorhaltekosten an das Haus gezahlt und der Rest wird über eine abgespeckte DRG bezahlt. Dies heißt aber letztendlich, dass bei gleichbleibender Krankenhausmenge nicht mehr Geld ins System kommt, um die Krankenhäuser adäquat bezahlen zu können“, so Heller weiter. Mindestmengen erhöhen Versorgungsqualität, führen aber auch zur Umverteilung von Patienten Im Rahmen der Klinikreform sollen nach Angaben des Endoprothetikexperten endprothetische Leistungen auf Kliniken mit hohen Fallzahlen konzentriert werden. „Dies ist bei derzeit über 1100 Anbietern im Bereich der Endoprothetik such sehr sinnvoll“, so Heller weiter. Denn etwa die Hälfte der Kliniken habe unter 100 endoprothetische Eingriffe im Jahr – was in den Augen des Experten zu gering für eine qualitätsvolle Versorgung ist. In den derzeit geforderten Leistungsgruppen für die Endoprothetik und Revisionsendoprothetik des Hüft- und Kniegelenkes müssen laut Heller als Mindestvoraussetzung nur drei Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie in der Klinik vorhanden sein, weder Prozess- und Strukturqualitäten noch Mindestmengen seien gefordert. „Das heißt, von einem großen Wurf ist hier derzeit nicht auszugehen“, so Heller, für den eine Konzentration auf spezialisierte Kliniken mit adäquaten Mindestmengen aber unverzichtbar ist, um einerseits eine korrekte Indikation und andererseits auch eine korrekte Durchführung der Operation zu garantieren. Deswegen seien neben den Mindestmengen, die für den normalen Einbau einer Knietotalendoprothese bereits gefordert sind, auch Mindestmengen für die elektive Hüfte, den elektiven Hüftwechsel, die Teilprothese am Knie und die Revision des Kniegelenkes zu fordern. „Gerade diese komplexeren Eingriffe bedürfen größerer Erfahrung. Bei der Definition dieser Mindestmengen ist die Fachkompetenz der Fachgesellschaft DGOOC zwingend einzubeziehen“, forderte der Experte weiter. Das Zertifizierungssystem EndoCert biete dabei ein gute Orientierung. Laut Heller werden solche Mindestmengen auch zu einer Umverteilung von Patienten führen. „Die Mindestmenge basiert auf der Annahme, dass Quantität und Qualität voneinander abhängig sind. Somit dient die Mindestmenge als Instrument der Qualitätssicherung und letztendlich auch als Instrument der Überversorgung. Es kommt zu einer Zentralisierung von Leistungen zu Gunsten einer höheren Spezialisierung und zulasten einer breiteren Streuung“, erklärte der Experte. Bei konsequenter Umsetzung bedeute dies, dass die Leistungen nur noch in spezialisierten Kliniken durchgeführt würden und somit von Patienten auch längerer Wegstrecken in Kauf genommen werden müssten. Im Umkehrschluss führt dies Heller zufolge dann aber auch zu einer Mehrarbeit in den Spezialkliniken, „die bereits jetzt unter Volllasst fahren“. Auch die Hybrid-DRGs führten aber zu einer Unterfinanzierung und somit sei das Problem nicht gelöst. „Diese Umverteilung kann nur erfolgen, wenn die Ressourcen der bedachten Kliniken hier erhöht werden, sprich, es bedarf Betten- und OP-Kapazität, um mehr Leistung erbringen zu können“, so Heller. Dass es einen klaren Zusammenhang zwischen Mindestmenge und Qualität gibt, belegen nach Angaben des Experten zahlreiche Studien und Register, wie das Endoprothesenregister (EPRD). Als Beispiel nannte er den Einsatz von Schlittenprothesen, die im EPRD-Jahresbericht eine klare Überlegenheit der Kliniken mit mehr als 100 Versorgungen insbesondere zu den Kliniken mit weniger als 30 Versorgungen belegten. Ambulantisierung verschärft Insolvenzen der Kliniken „Etwa 25 Prozent aller Leistungen, die derzeit noch stationär erfolgen, sollen zukünftig im ambulanten Sektor durchgeführt werden“, führte Heller weiter aus. Auch hier werde die von der Regierung festgelegte Hybrid-DRG-Vergütung zu keinen gravierenden Änderungen führen, da sie nicht kostendeckend sei. „Die Ambulantisierung wird, was die Insolvenzsituation der Kliniken angeht, zu einer weiteren Unterfinanzierung führen, die ein Kliniksterben noch anfeuern wird. Der Kellertreppeneffekt der üblichen DRGs setzt sich mitunter weiter fort und die Honorierung wird rückläufig“, zeigte er sich überzeugt. Die Regierungskommission ginge derzeit davon aus, dass von den derzeit 1329 allgemeinen Plankrankenhäusern, 360 Versorgungskrankenhäuser und 50 Maximalversorger übrigblieben. „Es ist unstreitig, dass andere europäische Länder einen deutlich höheren Grad an Spezialisierung und eine deutlich geringere Krankenhausdichte haben. Dieser Wechsel muss aber mit Bedacht vollzogen werden und kann nicht in kürzester Zeit umgesetzt werden, dies führt zu einem kalten Strukturwandel mit allen dadurch bedingten Nachteilen“, warnte Heller. Die Geschwindigkeit der gravierenden Entscheidungen sei einfach zu hoch. Viele Kliniken sind nach Angaben Hellers weder organisatorisch noch wirtschaftlich ausreichend auf die Ambulantisierung vorbereitet und die ambulanten Versorgungsketten nicht auf alternde und hilfsbedürftige Patienten. Die strikten Sektorengrenzen werden sich zugunsten abgestimmter Konzepte zunehmend auflösen müssen, gab sich Heller überzeugt. Ein Kernproblem der Klinikreformen bleibe aber, dass sich die Insolvenzen jetzt abspielten und nicht in mehreren Jahren, in denen diese greifen soll. Somit sei auch jetzt eine bessere Finanzierung zu fordern. „Kleinere Kliniken müssen vom Netz gehen können, dafür muss man sie aber auch seitens der lokalen Politik vom Netz gehen lassen. Auch den großen und den Fachkliniken droht bei unveränderter Honorierung ebenso das Aus“, warnte Heller. Denn bei diesen bestehe eine zunehmende Gefahr der Monokultur und höchster Preisabhängigkeit einzelner Leistungen, die in der Vergangenheit schon zu deutlichen Preisreduktionen geführt hätten. Er betonte noch einmal, dass Kliniken ad hoc keine Mehrleistungen erbringen können, falls Mindestmengen angepasst werden. „Auch die Weiterbildung wird sich bei diesem Konstrukt verändern und muss sektorenübergreifend erfolgen“, forderte Heller. (hr)
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