Radiochemotherapie beim HPV-bedingten Oropharynxkarzinom: Was bringt Deintensivierung?2. Oktober 2024 Foto: CrazyCloud/stock.adobe.com Eine randomisierte Studie widmete sich der Deintensivierung der Radiochemotherapie. Sie wurde abgebrochen, nachdem zwei Deintensivierung-Strategien die Rate des progressionsfreien Zwei-Jahres-Überlebens der Standardtherapie nicht erreichten. Die aktuelle Studie US-amerikanischer Forschender untersuchte die Option, bei Patienten mit HPV-assoziiertem Oropharynxkarzinom im Frühstadium eine weniger intensive Strahlenbehandlung durchzuführen, um langfristige Nebenwirkungen zu vermeiden. Allerdings brachen sie die große randomisierte Phase-II/III-Studie ab, nachdem die Patienten in der Kontrollgruppe eine zweijährige progressionsfreie Überlebensrate von 98 Prozent erreicht hatten. Die deintensivierten Behandlungen mit niedrigerer Strahlendosis und Immuntherapie anstelle einer Chemotherapie, schnitten nicht so gut ab wie der strengere Radiochemotherapie-Ansatz. Die Ergebnisse der Studie HN005 von NRG Oncology wurden Ende September auf der Jahrestagung der American Society for Radiation Oncology (ASTRO) vorgestellt. Zwei Behandlungsschemata mit niedrigerer Strahlendosis getestet „In der Krebsbehandlung ist ein progressionsfreies Überleben von 98 Prozent nach zwei Jahren eine Zahl, die man nicht oft sieht“, erklärte Sue S. Yom, MD, PhD, FASTRO, Hauptprüferin der Studie von der University of California, San Francisco (USA), die auch betonte: „Dies ist der höchste Wert, der jemals in der Literatur für Kopf-Hals-Krebs veröffentlicht wurde.“ An und für sich sei dies ein starker Beweis dafür, dass die moderne Radiochemotherapie bei diesen Patienten hochwirksam ist. In ihrer aktuellen Studie testeten Yom und ihr Team zwei Behandlungsschemata mit geringerer Intensität im Vergleich zu einem Kontrollarm mit einer Standard-Radiochemotherapie für Patienten mit HPV-assoziierten, lokal fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinomen des Oropharynx. Alle Patienten erhielten eine intensitätsmodulierte Strahlentherapie, und die meisten waren männlich (90,6 %), weiß (87,5 %) und Nichtraucher (79,4 %). Insgesamt 382 Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip einem von drei Behandlungsarmen zugeteilt:1. übliche Bestrahlungsdosis (70 Gy insgesamt leicht beschleunigt über sechs Wochen) in Kombination mit einer Cisplatin-Chemotherapie2. eine reduzierte Bestrahlungsdosis (60 Gy insgesamt über sechs Wochen) in Kombination mit Cisplatin3. eine reduzierte Bestrahlungsdosis (60 Gy insgesamt leicht beschleunigt über fünf Wochen) in Kombination mit einem Immuntherapeutikum (Nivolumab) anstelle einer Chemotherapie. Für jeden Versuchsarm der Phase-II-Studie wurde eine Futility-Analyse durchgeführt wurde, nachdem bei einer bestimmten Anzahl von Patienten eine Progression der Erkrankung eingetreten war. Diese Tests ergaben jedoch, dass keines der beiden deintensivierten Therapieregime den Schwellenwert für Nichtunterlegenheit gegenüber der Standardbehandlung erreichte – die Studie wurde vorzeitig beendet. Experimentelle Studienarme zeigen keine gleichwertigen Ergebnisse Bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von 2,2 Jahren betrug das geschätzte Zweijahres-progressionsfreie Überleben 98,1 Prozent nach der Behandlung im Kontrollarm, 88,6 Prozent nach reduzierter Bestrahlung mit Chemotherapie und 90,3 Prozent nach reduzierter Bestrahlung mit Immuntherapie. Die Schätzungen für das Zwei-Jahres-Gesamtüberleben lagen bei 99, 98 beziehungsweise 96,1 Prozent. „In sehr strengen Tests haben die experimentellen Arme keine gleichwertigen Ergebnisse wie der Kontrollarm erzielt“, hob Yom hervor. Zwar seien die experimentellen Studienarme nahe daran gewesen, die erwarteten Ziele zu erreichen, aber die Ergebnisse der Patienten aus dem Kontrollarm seien viel besser gewesen, so Yom weiter. Sie betonte: „Wir hatten die ethische Verantwortung, die Studie zu stoppen. Ich glaube, dass wir diesen neuen Maßstab berücksichtigen und dass neue Studienkonzepte für diese Krankheit diesem Ergebnis Rechnung tragen müssen.“ Menschen, bei denen HPV-assoziierte Oropharynxkarzinome diagnostiziert werden, sind in der Regel jünger – das Durchschnittsalter bei der Diagnose liegt in den USA bei 55 Jahren – und haben in der Regel wesentlich bessere Behandlungsergebnisse als Menschen mit Kehlkopfkrebs, der durch Tabak- oder Alkoholkonsum verursacht wurde. Die Strahlentherapie eignet sich besonders für HPV-bedingte Tumore. Sie sind strahlenempfindlicher und sprechen daher in der Regel besser auf die Behandlung an. Die Bestrahlung kann auch mit einer systemischen Therapie und/oder Operation kombiniert werde. Spätfolgen der Bestrahlung Bei vielen Patienten treten jedoch während der Behandlung schwere Nebenwirkungen auf. Bei einem kleineren Anteil an Patienten kann es zu langfristigen Nebenwirkungen durch chronische Entzündungen und Gewebeschäden kommen. Diese können bis zu zwei Jahrzehnte später auftreten. Beispiele sind Schluckbeschwerden oder wiederkehrende Infektionen der Weichteile in Mund und Rachen. „Jetzt, da unsere Radiochemotherapie bis zu diesem Punkt verbessert wurden, gibt es eine beträchtliche Anzahl von Patienten, die länger überleben. Wir beginnen, ihre Erfahrungen bei der sehr späten Nachsorge zu verstehen“, erläuterte Yom. „Die neue Herausforderung bei der Behandlung dieser Patienten ist die Frage, wie man sie 25 oder 35 Jahre lang gesund und wohlauf halten kann. Wir wissen, dass es eine Minderheit dieser Patienten gibt, die noch viele Jahre später negative Auswirkungen haben wird“.
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