Raucher mit hohem Alkoholkonsum: Kombinationsbehandlung ist doppelt effektiv11. April 2022 Foto: © exclusive-design/stock.adobe.com Einer von fünf Rauchern trinkt außerdem viel Alkohol, wie die Autoren einer Studie aus den USA schreiben – und hat es dann auch schwerer, das Rauchen aufzugeben. Bei Untersuchungen zur Raucherentwöhnung werden Personen mit Alkoholabusus häufig nicht berücksichtigt. Die Psychiaterin und Verhaltensneurowissenschaftlerin Prof. Andrea King von der Universität von Chicago (USA) hat sich mit gekoppeltem Nikotin- und Alkoholmissbrauch beschäftigt, um möglicherweise für diese Menschen eine geeignete Behandlung zu finden. Laut der Wissenschaftlerin handelt es sich nicht nur einfach um zwei sehr schlechte Angewohnheiten: Sie betont, dass es biologische Mechanismen gibt, die beide Verhaltensweisen eng miteinander verbinden. King konnte bislang mit ihrer Forschung Folgendes zeigen: Je stärker der Alkoholkonsum ist, desto intensiver ist auch der Drang zu rauchen. Und: Zeigt man Rauchern Bilder, die Nikotinkonsum illustrieren, aktiviert Alkohol akut Belohnungsmechanismen im Gehirn. Kings Ziel war es mit ihrer neuesten Studie zu testen, ob stark trinkenden Rauchern mit einer Kombinationsbehandlung geholfen werden kann, bei der statt nur einer zwei pharmakologische Therapien zusammen eingesetzt werden. Während der zwölfwöchigen Studie gaben King und ihre Mitarbeiter 122 Rauchern, die auch viel Alkohol konsumierten, eine Nikotinersatztherapie (in Form des Nikotinpflasters) in Kombination entweder mit Vareniclin oder mit Placebo. In den Wochen neun bis zwölf wurden die Teilnehmer gebeten anzugeben, ob sie auf das Rauchen verzichten. Diese Angaben wurden durch einen Labortest überprüft, den die Forschenden in der letzten Woche der Studie durchführten. Die Ergebnisse zeigten, dass die Kombinationsbehandlung aus Nikotinpflaster und Vareniclin tatsächlich wirksamer bei der Raucherentwöhnung war: 44,3 Prozent dieser Teilnehmer rauchten in den letzten Wochen der Studie nicht. Im Gegensatz dazu verzichteten weniger als 27,9 Prozent der Probanden, die Nikotinpflaster in Kombination mit Placebo erhalten hatten, am Ende der Studie immer noch auf Zigaretten. Überraschende Nebenwirkung der Behandlung King und ihre Kollegen stellten außerdem zu ihrer Überraschung fest, dass die Teilnehmer beider Gruppen in der Studie auch ihren Alkoholkonsum reduzierten. Zu Beginn der Studie konsumierten Männer mehr als 14 alkoholische Getränke pro Woche, bei Frauen waren es mehr als sieben wöchentlich. Alle Probanden tranken an mindestens einem Tag pro Woche sehr viel (mindestens vier oder fünf alkoholische Getränke an einem Tag). Am Ende der Studie aber hatten sich die Tage pro Woche, an denen die Teilnehmenden Alkohol konsumierten, um 25 Prozent reduziert. Überraschenderweise galt dies sowohl für die Gruppe mit Kombinationsbehandlung als auch für die, die ein Nikotinpflaster plus Placebo erhielt. Weder für Vareniclin noch für eine Nikotinersatztherapie war in der Vergangenheit gezeigt worden, dass sie bei Rauchern die Rate des Alkoholkonsums senken – es war daher unklar, warum die Probanden in Kings Studie weniger Alkohol tranken. Damit gerechnet hatten die Forschenden nicht. „Ich hatte gehofft, dass die Kombinationsbehandlung die Raucherentwöhnungsraten verbessern würde, das war unsere Hypothese. Aber als ich die Ergebnisse sah, dachte ich: Was tut die Placebogruppe, um ihren Alkoholkonsum zu reduzieren? Das haben wir nicht erwartet.“ Man hatte die Probanden nicht direkt dazu aufgefordert, ihren Alkoholkonsum zu reduzieren, sie wurden aber während der gesamten Studie zu ihrem Alkoholkonsum befragt. „Wir haben das Trinken in der Verhaltensberatung nicht unbedingt stark thematisiert, aber es wurde als Auslöser für das Rauchen erwähnt, wie Koffein und andere Substanzen“, sagte King. Allerdings könnten allein die Frage nach dem Alkoholkonsum und das Wissen, wie eng die beiden Substanzen miteinander verbunden sind, die Teilnehmenden dazu veranlasst haben, ihren Alkoholkonsum zu reduzieren – um ihre Chancen zu verbessern, mit dem Rauchen aufzuhören. „Die Probanden bekamen zwar keine umfassende dementsprechende Behandlung, aber der Alkoholkonsum verringerte sich dennoch, als sie darauf achteten und regelmäßig danach gefragt wurden“, berichtet King. „Also könnten sie diese Verbindung intuitiv erkannt und sich gesagt haben: ‚Ich muss etwas ändern.‘“ Die Ergebnisse der Studie deuten darauf hin, dass die gleichzeitige Behandlung beider Abhängigkeiten synergistisch sein und zu besseren Outcomes bezüglich der Gesundheit allgemein führen könnte als bisher angenommen. In der Vergangenheit wurde Menschen, die mit dem Trinken aufhören wollten, meist davon abgeraten, auch gleichzeitig mit dem Rauchen aufzuhören. Es scheint aber nun, als könnte die Entwicklung wirksamer Methoden zur gleichzeitigen Behandlung von Nikotin- und Alkoholabhängigkeit zu besseren gesundheitlichen Ergebnissen führen. Angesichts ihrer jüngsten Erkenntnisse wünscht sich King, dass der Alkoholkonsum häufiger in Behandlungsprogrammen für entwöhnungswillige Raucher zur Sprache kommt. „Es sterben mehr Alkoholiker an mit Tabakkonsum assoziierten Krankheiten als an alkoholbedingten Erkrankungen“, sagt King. „Also sollte die Auseinandersetzung mit beiden Abhängigkeiten etwas sein, das früh in der Behandlung Teil des Gesprächs sein sollte. Auf diese Weise können wir besser herausfinden, wie die Behandlung effizient und nachhaltig gestaltet werden kann.“
Mehr erfahren zu: "Durch Alkohol verursachte Leberschäden: Sport und gute Ernährung vermitteln offenbar geringeres Mortalitätsrisiko" Durch Alkohol verursachte Leberschäden: Sport und gute Ernährung vermitteln offenbar geringeres Mortalitätsrisiko In einer neuen Studie haben Wissenschaftler untersucht, wie körperliche Aktivität und die Qualität der Ernährung mit unterschiedlichen Leveln und Mustern des Alkoholkonsums interagieren – mit dem Ergebnis, dass gesundes Essen […]
Mehr erfahren zu: "DMKG: Moderne Migränetherapien werden zu wenig genutzt" DMKG: Moderne Migränetherapien werden zu wenig genutzt Seit Jahren sind wirksame und gut verträgliche Migräneprophylaktika verfügbar, deren Anwendung auch von der aktuellen S1-Leitlinie empfohlen wird. Doch viele Menschen mit schwerer Migräne erhalten diese Medikamente erst spät. Das […]
Mehr erfahren zu: "Typ-1-Diabetes: Gutes Aufwachsen geht nur zusammen und auf Augenhöhe" Typ-1-Diabetes: Gutes Aufwachsen geht nur zusammen und auf Augenhöhe Die Social-Media-Kampagne #SagEsLaut startet ihre dritte Aktion im Jahr 2025: „Kinder und Jugendliche mit Diabetes“. Wie wachsen Kinder mit Typ-1-Diabetes gut auf und wie wachsen Eltern mit ihnen mit? Zwei […]