Reaktionen zu Spahns Reform der Notfallversorgung

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Erste Reaktionen zum Gesetzentwurf von Jens Spahn (CDU) zur Reform der Notfallversorgung fallen überwiegend positiv aus. So ist die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) der Meinung, dass die Krankenhäuser bereit seien, die Notfallversorgung zu übernehmen. Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt freut sich, dass der Entwurf “endlich konkrete Schritte” aufzeigt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband vermisst allerdings Konkretes zur Digitalisierung.

Deutsche Krankenhausgesellschaft

„Der bekannt gewordene Entwurf eines Gesetzes zur Reform der ambulanten Notfallversorgung zeigt richtige und wichtige Weichenstellungen auf. Insbesondere ist es sehr positiv zu bewerten, dass der Entwurf klar benennt, dass der Großteil der ambulanten Notfallversorgung mittlerweile durch die Krankenhäuser geleistet wird”, erklärte der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß, in einer ersten Bewertung.

„Wir begrüßen, dass der Gesetzentwurf anerkennt, dass das Krankenhaus auch zukünftig der Ort ist, an dem die ambulante Notfallversorgung stattfindet. Auch die Verantwortung der Bundesländer für die Sicherstellung einer flächendeckenden und wohnortnahen Notfallversorgung ist ein richtiger Schritt für die Neuordnung des Systems”, ergänzt Gaß. „Die bis dato im Gesetz verankerte Zuständigkeit bei den Kassenärztlichen Vereinigungen hat nicht funktioniert. Die Krankenhäuser stehen bereit gemeinsam mit den Ländern die Notfallversorgung zu organisieren“.

Die DKG wird am Donnerstag dieser Woche eine außerordentliche Vorstandssitzung zur Reform der ambulanten Notfallversorgung einberufen.

Aus Sicht der DKG ist es bei einer Reform wesentlich, dass die Abrechnung nicht mehr über die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) laufen muss. Die unmittelbare Abrechnung mit den Krankenkassen sollte daher ein zentraler Bestandteil der Reform sein, so die DKG. Auch die Aufwertung des Rettungsdienstes sei ein wichtiger Schritt.

Absolut unverständlich ist für die Krankenhäuser hingegen, die Verpflichtung der Kliniken gemeinsam mit den KVen Betriebe zu gründen, um die neuen integrierten Notfallzentren zu organisieren. Dies sei sachlich in keiner Weise zu begründen und mit großen verfassungsrechtlichen Bedenken besetzt, betont die DGK. „Die Krankenhäuser können diese Zentren alleine betreiben und die Kooperation mit den niedergelassenen Ärzten auch ohne die KVen im Sinne einer guten und nachhaltigen Organisation der ambulanten Notfallversorgung bewerkstelligen. Wir befürchten hier jahrelange Verhandlungen und einen Zuwachs an Bürokratie auf den sehr gut verzichtet werden kann“, machte Gaß deutlich.

Bundesärztekammerpräsident Dr. Klaus Reinhardt:

„Mit dem Diskussionsentwurf werden endlich konkrete Schritte zu der längst überfälligen Reform der Notfallversorgung aufgezeigt. Wir haben auf Deutschen Ärztetagen wiederholt die Einführung eines integrierten Konzeptes für die strukturierte Inanspruchnahme der Notfallstrukturen gefordert. Dass jetzt ambulante Strukturen der Notfallversorgung in INZ mit geeigneten Krankenhausstandorten in gemeinsamer Trägerschaft zusammenarbeiten sollen, unterstützt den dringend notwendigen Ausbau der Kooperation aller Beteiligten. Insbesondere die geplante, strukturierte Zuordnung des Patienten zu der jeweilig erforderlichen Behandlungsebene bietet eine Chance, die patientenindividuelle Behandlung zu optimieren, Notfallambulanzen zu entlasten und Wartezeiten zu reduzieren.“

Hierbei gelte es allerdings, ausreichend Spielraum zur Integration gewachsener Strukturen wie den bereits bundesweit etablierten 771 Notfall- und Portalpraxen und weiterer regionaler Besonderheiten zu gewährleisten.

„Die neuen Vorschläge, so auch die geplante Einrichtung von Gemeinsamen Notfall-Leitstellen oder die Reorganisation des Rettungsdienstes, bieten grundsätzlich eine gute Grundlage für den weiteren Dialog“. Da die Neuausrichtung der Notfallversorgung in Zukunft beispielgebend für weitere, sektorenübergreifende Versorgungsansätze sein werde, gelte es aus Sicht der Bundesärztekammer jetzt einen intensiven Austausch der Beteiligten zu den Details zu gewährleisten. „Hier gilt Qualität vor Schnelligkeit“.

Dies betreffe z.B. das geplante neue Zusammenspiel zwischen Kliniken, Kassenärztlichen Vereinigungen, den Bundesländern sowie den Ärztekammern, aber auch Fragen zur notwendigen Personalverfügbarkeit, der Qualifikation sowie verlässlicher Regelungen einer extrabudgetären, additiven Finanzierung. „Wir sehen hier gute Chancen, gemeinsam zu einer tragfähigen Lösung zu kommen“,  so Präsident Reinhardt.

Paritätischer Wohlfahrtsverband

Der Paritätische Gesamtverband sieht im vorliegenden Referentenentwurf zur Reform der Notfallversorgung Nachholbedarf im Bereich Digitalisierung. Zwar begrüßt der Wohlfahrtsverband, dass es eine bundesweite digitale Vernetzung und eine Kooperation der gemeinsamen Notfallleitstellen geben soll und damit bundeseinheitliche Standards gelten sollen. Auf Kritik stößt jedoch, dass digitale Angebote bei diesen Standards kaum Berücksichtigung finden und die Möglichkeiten hier bei weitem noch nicht ausgeschöpft wurden.

„In der Notfallversorgung ist die Digitalisierung längst angekommen. Im Bundesgesundheitsministerium offenbar noch nicht“, kritisiert Prof. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes. Notruf- oder Ersthelfer-Apps würden immer selbstverständlicher als Alternative zur klassischen 112 genutzt, Videotelefonie könne die Erstversorgung erleichtern oder der Notruf sei schon heute durch die Nutzung von Apps barrierefrei möglich.

Krankenwagen können heute in Echtzeit die Auslastung der Krankenhäuser übertragen bekommen und damit Umwege vermeiden. Der Paritätische Gesamtverband hat sich im April diesen Jahres explizit dafür ausgesprochen, die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Notfallvorsorge offensiv zu nutzen. Rosenbrock weiter: „Die konkreten Chancen der Digitalisierung finden im vorliegenden Entwurf kaum Berücksichtigung. Gerade für den ländlichen Raum ergeben sich hier neue Chancen.“

Nach Ansicht des Paritätischen Gesamtverbandes müssten die zahlreichen Innovationen der Digitalisierung, die in den vergangenen Jahren entwickelt wurden und bereits in der Praxis Anwendung finden, in der Reform der Notfallvorsorge festgeschrieben werden. Der Wohlfahrtsverband fordert den Bundesgesundheitsminister daher dringend zu Nachbesserungen auf.

 

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Quellen Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG); 22.07.2019Bundesärztekammer; 22.07.2019Paritätischer Wohlfahrtsverband; 22.07.2019