Real World Evidence – Einblick in die Krankheitslast von Oberschenkelamputierten17. April 2023 Bild: Martina-Simonazzi – stock.adobe.com An dem von Ottobock veranstalteten virtuellen Live-Symposium Anfang April nahmen rund 340 Experten aus 47 Ländern teil, die sich mit modernen Hilfsmitteln im Bereich der Oberschenkelamputation beschäftigen. Die Konferenz konzentrierte sich auf innovative Methoden zur Erhebung von Daten über die Krankheitslast bei PatientInnen mit Oberschenkelamputationen und bot die Gelegenheit zum Austausch bewährter Verfahren für PatientInnenbefragungen. Prof. Bernd Brüggenjürgen, Leiter des Instituts für Versorgungsforschung und technische Orthopädie am Diakovere-Krankenhaus Annastift in Hannover, lieferte spannende erste Erkenntnisse zur Krankheitslast von PatientInnen nach einer Oberschenkelamputation. 536 PatientInnen, die seit mindestens drei Monaten ein mikroprozessorgesteuertes Kniegelenk (MPK) nutzen, nahmen an einer digitalen Befragung teil und beantworteten bis zu 184 Fragen. Themenschwerpunkte dieser ersten Auswertung waren Lebensqualität, Teilhabe an der Gesellschaft, Körperbild und Gender-Aspekte. Die Ergebnisse zeigen dem Experten zufolge, dass die Teilhabe der PatientInnen am täglichen und beruflichen Leben zwar bis zu einem gewissen Grad eingeschränkt ist, aber mit MPK verbessert werden kann. Die Lebensqualität der PatientInnen mit einem mikroprozessorgesteuerten Kniegelenk ist vergleichsweise hoch. Als Erfolg wertete der Experte für Versorgungsforschung auch das innovative Vorgehen bei der digitalen Befragung: „Eine digitale Datenerhebung ist machbar und liefert relevante Erkenntnisse über die Krankheitslast der Patienten nach Oberschenkelamputation oder Knieexartikulation“, sagte Brüggenjürgen. MPK haben positiven Einfluss auf Sicherheit hinsichtlich des Sturzrisikos Dr. Pierpaolo Palumbo, Bioingenieur an der Universität von Bologna und mit einem Forschungsschwerpunkt auf Stürzen von Menschen mit Amputationen der unteren Gliedmaßen, stellte seine retrospektive Beobachtungsstudie1 vor. Darin untersuchte er, wie sich vier verschiedene Kniegelenkprothesen auf das Sturzrisiko von Oberschenkelamputierten auswirken. Palumbo analysierte 1486 Rehabilitationsaufenthalte (32.213 Krankenhaustage) von 815 PatientInnen. Die Studie zeige, dass MPKs für die Erstversorgung der ProthesenträgerInnen das Modell der Wahl sind: „MPKs bieten Sicherheitsmechanismen, die ein Blockieren des Knies ermöglichen, wenn sich ein Sturz ankündigt“, berichtete Palumbo. Zusätzlich identifizierte der italienische Forscher Risikofaktoren, die die Wahrscheinlichkeit zu stürzen erhöhen können. Während Alter und Geschlecht keine Risikofaktoren für Stürze darstellen, haben vor allem die Einnahme von Antidepressiva und Antiepileptika einen signifikanten Einfluss: „In unserem Datensatz betrug die Häufigkeit der Verwendung von Antidepressiva und Antiepileptika 8,6 bzw. 9,8 Prozent. Diesen PatientInnen muss besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, und es sollten die besten prothetischen Optionen für sie untersucht werden.“ Standardisierter Fragebogen zur Ursachenforschung von Stürzen Andrew Sawers, PhD, Associate Professor an der University of Illinois Chicago in der Abteilung für Kinesiologie, forscht an der Verringerung von Sturzereignissen und an der Abmilderung der Folgen von Stürzen bei Trägern und Trägerinnen von Prothesen der unteren Extremitäten. Er präsentierte eine Studie2, in der er die Details von Sturzereignissen von Menschen mit Prothesen der unteren Gliedmaßen (LLP) genauestens analysierte. „Stürze bei LLP-Nutzern sind heute genauso häufig und mit medizinischen Folgen verbunden wie vor mehr als 20 Jahren“, sagte Sawers. Es fehle an wirksamen Interventionen, um diesen Stürzen vorzubeugen. Das liege unter anderem daran, dass es keine klare Definition von Sturzereignissen bei LLP-Nutzern gebe, bislang gesammelte Daten wenig vergleichbar seien und Befragungen oft lückenhaft oder nicht auf LLP-Nutzende zugeschnitten wären. Um diese Lücke zu schließen, hat Sawers einen strukturierten Fragebogen mit 37 Fragen erstellt, der auf einer einheitlichen Definition von Sturzereignissen basiert. So kann er Häufigkeit, Umstände und Folgen von Sturzereignissen für LLP-Nutzer erheben. Als Basis dienten Fokusgruppen und kognitive Interviews. Der Fragebogen soll nun großflächig zum Einsatz kommen, erklärte Sawers: „Die Befragung bietet Klinikern und Forschern die Möglichkeit, Sturzereignisse unter ihren Teilnehmern und Patienten konsequent zu dokumentieren und zu vergleichen. Die umfassenden Daten, die mit der Sturzerhebung gesammelt werden können, sind entscheidend für die Festlegung spezifischer Ziele für Interventionen zur Sturzprävention bei LLP-Nutzern.“ Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Frank Braatz, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Physikalische und Rehabilitative Medizin und Kinderorthopädie. Bevor er im Jahr 2013 Professor für Orthobionik an der Privaten Universität Göttingen wurde, leitete er die Abteilung Technische Orthopädie und Infantile Cerebralparese an der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg.
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