Reform der Akut- und Notfallversorgung im Fokus: „Urgent Care Conference“ in Berlin14. Mai 2025 fotohansel – stock.adobe.com Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) diskutiert Erfahrungen und Potenziale der Patientensteuerung mit Fachleuten aus ambulanter und stationärer Versorgung. Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung von Union und SPD hat sich neben der Stabilisierung der Beitragssätze insbesondere auch die Reform der Akut- und Notfallversorgung auf die Fahnen geschrieben. Der Bundestag hatte bereits im Oktober 2024 in erster Lesung über das noch vom alten Bundeskabinett im Sommer 2024 beschlossene Gesetz zur Reform der Notfallversorgung beraten. Dieses zielt insbesondere auf eine bessere Patientensteuerung ab, um die Notaufnahmen der Krankenhäuser wirkungsvoll zu entlasten. Vorgesehen ist unter anderem, dass an ausgewählten Krankenhausstandorten Integrierte Notfallzentren (INZ) eingerichtet werden. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass eine Bereitschaftspraxis in unmittelbarer Nähe zur Notaufnahme besteht und sich Hilfesuchende an einem Tresen als zentrale Anlaufstelle vorstellen. Durch sichere Ersteinschätzungsverfahren soll geprüft werden, welche Dringlichkeit und welcher Behandlungsbedarf im Einzelfall bestehen. Hilfesuchende, die keine unmittelbare Behandlung in der Notaufnahme benötigen, sollen in die Bereitschaftspraxis am Standort oder zu Praxisöffnungszeiten in eine nahegelegene Kooperationspraxis geleitet werden, erläutert das Zi. Vor diesem gesundheitspolitischen Hintergrund sei die dritte „Urgent Care Conference“ (13.-14. Mai 2025) in Berlin gestartet. Im Mittelpunkt stehen dem Zi zufolge dabei multidisziplinäre Erkenntnisse aus einer Vielzahl von Studien und Modellprojekten der intersektoralen Zusammenarbeit in der Akut- und Notfallversorgung, die das Zi mit Expertinnen und Experten aus der ambulanten wie stationären medizinischen Versorgung diskutiert. „Zu viele Menschen wenden sich mit Behandlungsanliegen, die aus medizinischer Sicht keine Notfälle sind, an den Rettungsdienst oder die Notaufnahme einer Klinik. Diese Strukturen der Notfallversorgung sind nicht nur besonders teuer. Die Kapazitäten können wegen des immer schärfer zu Tage tretenden Fachkräftemangels auch nicht beliebig ausgedehnt werden”, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. Damit bestehe die Herausforderung, genau jene Behandlungsanliegen zu erkennen, die zur Entlastung der Notfallversorgung andernorts angemessen versorgt werden können. „Seit einigen Jahren wird deshalb sehr intensiv daran gearbeitet, die vertragsärztliche Regelversorgung in den Praxen und den ärztlichen Bereitschaftsdienst mit den Notaufnahmen der Kliniken und dem Rettungsdienst besser zu vernetzen”, so von Stillfried weiter. Ziel sei es, Hilfesuchende zur richtigen Zeit in die jeweils richtige medizinische Versorgungsebene zu steuern, so der Zi-Vorstandsvorsitzende. Genau hier setze die aktuelle politische Diskussion um die Reform der Notfallversorgung an: „Der Gesetzgeber will eine direkte Kooperation zwischen 112 und 116117 verankern. Das Ziel ist es, Notfälle schnell innerhalb sowie weniger dringliche Fälle angemessen außerhalb der Notfallversorgung zu behandeln”, erklärte von Stillfried. Dies solle durch eine inhaltliche Abstimmung der standardisierten Notrufabfragen und durch die gegenseitige digitale Fallübergabe erreicht werden. „Mit Blick auf das vorgesehene verbindliche Primärarztsystem brauchen wir eine Patientensteuerung aus einem Guss. Wir brauchen ein Steuerungssystem, das an den Versorgungsschnittstellen nicht abbricht, sondern diese im Sinne einer effizienten Patient Journey überwindet“, forderte er.Armin Beck, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, machte deutlich, dass etwaige politische Wunschvorstellungen einer Leistungsausweitung für alle Patientinnen und Patienten 24/7 unmittelbar an der Realität des sich weiter verschärfenden Fachkräftemangels scheitern werden. Ohne eine wirksame Patientensteuerung bleibe es bei überfüllten Notaufnahmen und ärztlichen Bereitschaftspraxen sowie bei überlastetem medizinischem Fachpersonal, zeigte er sich überzeugt. In Hessen konzentriere man sich daher insbesondere darauf, gemeinsame Tresen über die derzeit bestehenden Standorte in Frankfurt-Höchst, Darmstadt und Offenbach hinaus auszurollen. Rechtssicher über SmED (Strukturierte medizinische Ersteinschätzung in Deutschland) eingeschätzt, könnten die Kapazitäten der Zentralen Notaufnahmen effizienter eingesetzt werden. Durch den flächendeckenden Ausbau der Kinder-Videosprechstunde sei der kinderärztliche Bereitschaftsdienst bereits deutlich entlastet und damit personelle Ressourcen geschont worden, berichtete der KV-Vorstand. Der Roll-Out in die Regelversorgung sei für den 1. Oktober 2025 geplant, so Beck weiter. Die Videosprechstunde im Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) werde folgen. Ein weiterer wichtiger Baustein zur effizienten Steuerung in der Akut- und Notfallversorgung in Hessen sei das Projekt SaN (Sektorenübergreifende ambulante Notfallversorgung). Mit diesem Modellprojekt werden ambulant behandelbare Notfallpatientinnen und -patienten in vertragsärztlichen Praxen und im ÄBD medizinisch versorgtund somit die Zentralen Notaufnahmen entlastet, erläuterte Beck. Die Planungsschritte für die KVB-Initiative „indikationsgerechte Steuerung in der Akut- und Notfallversorgung (in.SAN)” wurden von Dr. Christian Pfeiffer, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB), skizziert: Zunächst sei geplant, weitere Pilotregionen einzurichten, mit dem Ziel, den gemeinsamen Tresen zur Steuerung der Patientinnen und Patienten in die richtige Versorgungsebene flächendeckend in Bayern einzurichten. Zudem müsse die Ersteinschätzungssoftware SmED im bayerischen Rettungsdienst zentral eingebunden und die Bereitschaftsdienstpraxen bayernweit mit den rettungsdienstlichen Versorgungsstrukturen verschränkt werden, forderte er. Zentral wichtig sei es zudem, den eTerminservice mit Zuweisungsmöglichkeiten für den Rettungsdienst zur bedarfsgerechten Steuerung von Patientinnen und Patienten in der Akutversorgung auch während der Sprechstundenzeiten zu vernetzen, so Pfeiffer weiter. Er berichtete von der Pilotregion Rosenheim, wo man sehr positive Erfahrungen mit der Lenkung von Rettungsdienstpatientinnen und -patienten mit ambulanter Prognose in die 55 teilnehmenden Kooperationspraxen gemacht habe. Mit dem Angebot der digitalen Selbsteinschätzung über Self-Service-Terminals in Krankenhäusern und dem Einsatz von SmED am Kliniktresen seien die Notaufnahme- und Personalkapazitäten spürbar entlastet worden, so Pfeiffer abschließend. Auch am St. Joseph-Stift in Bremen sind mit den dort seit November 2024 eingerichteten SmED-Patiententerminals zur digitalen Selbsteinschätzung ermutigende Erfahrungen gemacht worden, so das Zi. Insbesondere die gute Annahme durch digital-affine Patientinnen und Patienten jüngerer und mittlerer Altersgruppen habe dazu beigetragen, dass rund 25 Prozent der professionellen Assessments durch medizinische Fachkräfte eingespart und der gemeinsamen Tresen dadurch signifikant entlastet werden konnte.
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