Reform der Notfallversorgung: Kritiker fordern engere Verzahnung mit anderen Reformvorhaben10. Oktober 2024 Symbolbild: ©HNFOTO/stock.adobe.com Medizinische Hilfe im Notfall soll in Deutschland besser organisiert werden. Der Bundestag hat mit den Beratungen über eine entsprechende Reform der Ampel-Koalition begonnen. Kritiker heben hervor, dass anstehende Reformen gemeinsam gedacht werden müssten. Am Mittwoch, 9. Oktober 2024, wurde der Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung (NotfallGesetz) im Parlament in erster Lesung beraten. Die Reform sieht angesichts oft überfüllter Notaufnahmen eine bessere Patientensteuerung vor, wie es aus dem Bundesgesundheitsministerium heißt. Ziel ist es laut dem Gesetzentwurf, „für alle Hilfesuchenden eine bundesweit einheitliche und gleichwertige Notfallversorgung sicherzustellen“. Neue Akutleitstellen und Ersteinschätzung in Integrierten Notfallzentren Patientinnen und Patienten sollen jenseits schwerer Notfälle in von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) eingerichteten Akutleitstellen – bundesweit erreichbar unter der Telefonnummer 116 117 – eine Ersteinschätzung von Ärzten zum weiteren Vorgehen bekommen können. Rund um die Uhr soll es über diese Nummer einen Notdienst mit einem Arzt oder einer Ärztin geben – auch über Video zugeschaltet. Hausbesuche sollen ebenfalls möglich sein. Bei schweren Notfällen wie einem Herzinfarkt oder einem Autounfall gilt weiter die Notrufnummer 112. Bundesweit sollen zudem Integrierte Notfallzentren (INZ) in der Regie von Kliniken aufgebaut werden. Die Zentren kombinieren die Notaufnahme des Krankenhauses mit einer Notdienstpraxis. Am Empfangstresen der Notfallzentren soll es eine Ersteinschätzung geben, wohin es für Hilfesuchende als Nächstes gehen soll, entweder in die Notaufnahme oder in eine nahegelegene Notdienst- oder sogenannte Kooperationspraxis. Nach der ersten Debatte über das Gesetz im Bundestag gibt es weitere Beratungen. Ein genauer Zeitpunkt für die Verabschiedung ist noch nicht bekannt. KBV: „Notfallreform so nicht umsetzbar“ Anlässlich der ersten Lesung im Bundestag erneuert der Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) seine Kritik am aktuellen Gesetzentwurf der Notfallreform. Es drohten Doppelstrukturen, Personalmangel und Unterfinanzierung, so die Vorstände Dres. Andreas Gassen, Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner. „Zweifelsohne ist eine Reform der Notfallversorgung längst überfällig – insbesondere was das Thema Patientensteuerung anbelangt“, betonen sie. Die Frage sei also nicht ob, sondern wie man eine solche Reform angehe. Nach Ansicht der KBV-Vorstände lasse der nun im Bundestag diskutierte Gesetzesentwurf „immer noch deutlich zu wünschen übrig“. Sie monieren, dass die KVen im Rahmen des Sicherstellungsauftrags dazu verpflichtet werden sollen, einen 24/7-Fahrdienst für die Akutversorgung bereitzustellen. Das sei weder versorgungsnotwendig noch wirtschaftlich und personell umsetzbar. „Der Betrieb eines solchen Notdienstes während der Praxisöffnungszeiten schafft zudem Doppelstrukturen, die wir uns angesichts der ohnehin knappen Personalressourcen unter keinen Umständen leisten können – von der mangelhaften Finanzierung ganz zu schweigen. Der Entwurf ist zudem nur so durchzogen von zusätzlicher Bürokratie und unrealistischen Fristen“, so ihr Fazit. Reformen müssen Hand in Hand gehen Der Marburger Bund sieht ebenfalls noch „erheblichen Klärungsbedarf“ im Gesetzentwurf zur Reform der Notfallversorgung. Es fehle insbesondere beim Datenaustausch an klaren Umsetzungsperspektiven. „Auch deshalb ist das Gesetz noch kein praktikables Gesamtkonzept zur Patientensteuerung“, sagt Dr. Susanne Johna, 1. Vorsitzende des Marburger Bundes. Der Entwurf lasse offen, wie die Datenübermittlung zwischen allen an der ambulanten Notfallversorgung Beteiligten konkret wechselseitig erfolgen und wer für die notwendige Entwicklung dieser Möglichkeiten zuständig sein solle. Auch eine Kosten- oder Zeitschätzung für die Entwicklung der Datenübermittlung liege noch nicht vor. Die Notfallreform müsse zudem zwingend mit der Krankenhausreform koordiniert werden, betont Johna, insbesondere im Hinblick auf die Standortzuweisung für INZ. „Die INZ-Standorte sollen auf Grundlage vorgegebener Kriterien festgelegt werden, um eine qualitativ hochwertige, patienten- und bedarfsgerechte flächendeckende Versorgung sicherzustellen. Es versteht sich eigentlich von selbst, dass die Anbindung eines INZ-Standortes an die Voraussetzung einer Notfallstufe gemäß dem System der Notfallstrukturen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) mit der Krankenhausplanung Hand in Hand gehen muss. Leider können wir nicht erkennen, dass dieser Gedanke Eingang in die gesetzgeberischen Überlegungen gefunden hat“, kritisiert Johna. Die Krankenhausstruktur, den ärztlichen Notfalldienst und den Rettungsdienst zusammenzudenken fordert auch Dr. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes. Die mit der Notfallreform einhergehende stärkere Präsenz der ambulanten Versorgung dürfe allerdings nicht durch konkurrierende Vorhaben konterkariert werden, insistiert Reimann. So würden notwendige ärztliche Ressourcen nicht zur Verfügung stehen, „wenn die Arztpraxen gleichzeitig mit fragwürdigen Leistungsausweitungen überzogen werden, wie sie das Gesundes-Herz-Gesetz (GHG) vorsieht“, ergänzt sie. Die Bundesregierung müsse sich hier entscheiden, welche Prioritäten sie setzen wolle. Eine gute Notfallversorgung sei jedenfalls unerlässlich für eine erfolgreiche Krankenhausreform. Weiter bemängelt Reimann eine bislang fehlende effektive Einbindung des Rettungsdienstes als dritten Teil des integralen Reformvorhabens. Insofern sei die aktuelle Notfallreform nur ein erster, wenn auch wichtiger Schritt. „Der Strukturumbau muss sowohl eine gut funktionierende ambulante Notfallversorgung als auch einen robust aufgestellten Rettungsdienst zum Ziel haben. Der Rettungsdienst sollte mit erweiterten Kompetenzen und Ressourcen auch fallabschließend am Notfallort tätig werden. Dies könnte auch dazu beitragen, das strapazierte Personal im Rettungsdienst und in den Notfallaufnahmen zu entlasten“, so Reimann. Auch für Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen e. V. (vdek), fehlt es an einer grundlegenden Reform des Rettungsdienstes als „zentrale dritte Säule der Notfallversorgung“. Um einheitliche Rettungsdienststrukturen in ganz Deutschland mit klaren Zuständigkeiten zu schaffen, hält sie es für notwendig, den Rettungsdienst im SGB V zu verankern. „Damit würde auch klargestellt, dass die Krankenkassen die Versorgung nicht nur dann übernehmen, wenn Versicherte mit dem Rettungsdienst ins Krankenhaus gebracht werden, sondern auch, wenn diese fallabschließend am Notfallort oder telemedizinsch behandelt werden.“ Notfallversorgung bundesweit einheitlich und gleichwertig aufstellen Vom GKV-Spitzenverband wird die Reform größtenteils befürwortet. „Das NotfallGesetz enthält viele richtige Ansatzpunkte, damit Versorgungsstrukturen für unsere Versicherten leichter zugänglich werden, diese Verbesserungen werden von uns begrüßt“, lobt Stefanie Stoff-Ahnis, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. Auch begrüße man ein zukünftiges Mehr an Digitalisierung und Transparenz. „Im akuten Notfall, wenn unsere Versicherten eine Ärztin oder einen Arzt benötigen, wird das eine echte Hilfe sein“, so Stoff-Ahnis. Sie fordert aber auch, die Erfahrung des G-BA zu nutzen und gesetzlich einzubinden: „Um eine bundesweit gleichwertige Notfallversorgungsstruktur zu gewährleisten, müssen die zentralen Strukturvorgaben für die Standortauswahl von INZ und für die Durchführung des Ersteinschätzungsverfahrens in den INZ sowie für die personelle und apparative Ausstattung von KV-Notdienstpraxen auf der Bundesebene festgelegt werden. Eine Aufgabe die dem G-BA als Institution der Selbstverwaltung per Gesetz übertragen werden sollte, denn hier liegen die Fachkompetenz und jahrelange Erfahrung vor.“ Schließlich fordert der GKV-Spitzenverband ebenfalls, den Rettungsdienst in die Notfallreform einzubinden. Der Rettungsdienst müsste mit bundeseinheitlichen Struktur- und Qualitätsvorgaben arbeiten, digital vernetzt sein und die Vergütungssystematik müsste erfolgreich umgebaut werden, heißt es von dem Verband, damit Hilfesuchende effizient in die richtige Versorgungsebene gesteuert werden könnten. Erst dann wäre es möglich, dass Notaufnahmen und das dort tätige medizinische Fachpersonal entlastet würden.
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