Regenerationsfähigkeit: Neuer Wachstumsfaktor für die Leber identifiziert

Mikroskopische Aufnahmen humaner Organoide mit Leberzellen, die sich mithilfe des identifizierten Wachstumsfaktors MYDGF besser vermehren lassen. (Abbildung: © HHU/Linda Große-Segerath und Paula Follert)

Eine deutsche Forschergruppe hat einen Wachstumsfaktor identifiziert, der für die Regenerationsfähigkeit der Leber wichtig ist: MYDGF (Myeloid-Derived Growth Factor). Dieser ist vermehrt im Blut von Patienten nach einer Leberresektion nachweisbar. 

Bereits die griechische Mythologie beschreibt, dass sich die menschliche Leber regenerieren kann. So ließ der Sage nach Zeus den Titanen Prometheus an einen Felsen ketten, wo ein Adler täglich seine Leber fraß, die sich immer wieder erneuerte. Ähnlich ist dies auch in der Medizin alltägliche Praxis: Entfernt ein Chirurg die Hälfte einer Leber, so wächst die verbleibende gesunde Leberhälfte innerhalb weniger Wochen wieder zu voller Größe heran.

Aber: Obwohl die Regenerationsfähigkeit der Leber bekannt ist, gelang es bisher nicht, Leberzellen in einer Gewebekultur zu vermehren oder Lebergewebe außerhalb des menschlichen Körpers wachsen zu lassen, um es anschließend zu transplantieren. 2018 zeigte aber das Forschungsteam um Prof. Eckhard Lammert vom Institut für Stoffwechselphysiologie der Heine-Universität Düsseldorf (HHU), dass Blutgefäße Wachstumsfaktoren für Leberzellen freisetzen, wenn ein Teil der Leber fehlt (Lorenz et al, Nature 2018, 562: 128-132).

Eckhard Lammert (Mitte) zusammen mit seinen Mitarbeiterinnen Paula Follert (l.) und Linda Große-Segerath am Institut für Stoffwechselphysiologie. (Foto: © HHU/Esther Hedderich)

In Kollaboration mit Prof. Hadi Al-Hasani vom Deutschen Diabetes Zentrum (DDZ) haben Lammert und seine Mitarbeitenden nun den Wachstumsfaktor MYDGF identifiziert. Blutgefäße sondern ihn ab, um die Regeneration der Leber zu starten. Zur Methodik erläutern Dr. Linda Große-Segerath und Paula Follert, die Erstautorinnen der Studie: „Ein mechanischer Stimulus der Blutgefäße spielt eine Rolle, damit Wachstumsfaktoren freigesetzt werden. Wir erreichen dies im Labor, indem wir die Blutgefäßzellen in eine Streckkammer einspannen, mit deren Hilfe wir die Zellen mechanisch dehnen können.“ Zusammen mit der Arbeitsgruppe von Prof. Wolfram T. Knoefel (Klinik für Allgemein-, Viszeral- und am Universitätsklinikum Düsseldorf [UKD]) und Prof. Stefan Heinrich (Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie der Universitätsmedizin Mainz) zeigten die Forschenden, dass Patienten nach einer Leberresektion mehr von diesem Wachstumsfaktor ins Blut absondern.

Auch konnte gemeinsam mit den HHU-Arbeitsgruppen von Prof. Jürgen Scheller (Institut für Biochemie und Molekularbiologie II) und Prof. Bodo Levkau (Institut für Molekulare Medizin III) in präklinischen Experimenten gezeigt werden, dass MYDGF für die Leberregeneration notwendig ist. In Gewebekulturen bestätigte sich, dass der Wachstumsfaktor die Vermehrung menschlicher Leberzellen anregt. „Von der Entdeckung des Wachstumsfaktors erwarten wir, dass Lebergewebe zukünftig besser regeneriert, wenn MYDGF gezielt zugeführt wird”, erklärt Korrespondenzautor Lammert. „Ebenfalls erhoffen wir uns, dass das Gewebe künstlich hergestellt werden kann.“

Die Forschungsarbeit wurde unter anderem durch das Bundesgesundheitsministerium, das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen und die Deutsche Forschungsgemeinschaft gefördert.