Regresse wegen Abirateron – Urologen fassungslos

Abirateronacetat wird zur Prostatakrebstherapie eingesetzt. Grafik: Walter_D – stock.adobe.com

Urologen sehen sich zunehmend mit Regressforderungen wegen der Verordnung zweier Standardmedikamente konfrontiert. Bestimmte Krankenkassen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) begründen dies durch den Ablauf des Patentschutzes für den Wirkstoff Abirateronacetat im September 2022, berichtet der Berufsverband der Deutschen Urologie (BvDU) und zeigt sich „fassungslos“.

Insbesondere AOK, Barmer und IKK hätten Anträge gestellt, Prüfverfahren gemäß §48 Abs. 1 Bundesmantelvertrag – Ärzte (BMV-Ä) einzuleiten, so der BvDU in einer aktuellen Pressemitteilung. Die Kassen bemängeln demnach, dass Vertragsärzte und Medizinische Versorgungszentren nach dem 01.01.2023 das Originalpräparat Zytiga oder das Kombinationsarzneimittel Abirasolon (Abirateronacetat plus Prednisolon) verordnet hätten. Es seien kostengünstigere Generika verfügbar gewesen, die verordnet und nicht durch das Ankreuzen des „Aut-idem-Feldes“ hätten ausgeschlossen werden dürfen. Daher soll in den Verfahren ein potenzieller Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot geprüft werden.

Nach Ansicht des BvDU sind solche Prüfverfahren für den Fall gedacht, dass Abrechnungen nicht korrekt vorgenommen werden, jedoch nicht wegen des Ablaufs eines Patentschutzes. „Stellvertretend für unsere Mitglieder weisen wir die Vorwürfe vollumfänglich zurück“, so der BvDU-Vorstand. „Angesichts leerer Kassen bei den Krankenkassen scheinen diese Verfahren eine zunehmende Dynamik zu bekommen“, mutmaßt der BvDU-Vorstand vor dem Hintergrund der GKV-Finanzprobleme, über die in den Publikums- und Fachmedien breit berichtet wurde.

„Ärztinnen und Ärzte ermöglichen die bestmögliche Therapie für Patientinnen und Patienten im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes. Ein Eingriff in ihre Therapiehoheit seitens einzelner Krankenkassen oder eine Sanktionierung dieser ist zu unterlassen“, so der Vorstand weiter. Die Verordnung von onkologischen Präparaten erfordere eine hohe fachliche Expertise des Verordners, betont der Verband.

Berufsverband fordert Frühwarnsystem

Darüber hinaus erkennt der BvDU hier ein Versäumnis der Kostenträger und der Verantwortlichen für die Telematikinfrastruktur: In dieser müssten grundsätzlich Beratungen, Abfragen oder Tools im Sinne von Frühwarnsystemen integriert werden, welche die Ärzte frühzeitig vor unwirtschaftlichen Verordnungen warnen und schützen. Dies könnte z.B. innerhalb des E-Rezeptes realisiert werden, schlägt der Verband vor. Der Urologenverband fordert die Kassen zur Zusammenarbeit mit dem BvDU und weiteren Berufsverbänden auf, um derartige Prüfverfahren und Regressforderungen in Zukunft zu verhindern.

Unverständnis äußert der Berufsverband auch dahingehend, „dass Regresse aufgerufen werden, nachdem viele Quartale vergangen (…) sind“. Den Kassen äegen die Verordnungen 4 Wochen später über die Abrechnungsstellen der Apotheken vor. „Warum erfolgen seit Mai 2025 nach zwei Jahren rückwirkende Regresse? Zumal seit April 2025 eine Festpreisregelung für Abirasolon gilt, womit die Aut-idem-Regelung nicht mehr wirksam ist“, fragt der BvDU rhetorisch und ergänzt: „Welch Zufall, dass die Regresse seit Mai 2025 formuliert werden.“

Verunsicherung bei Jung und Alt

Nicht zuletzt weist der Urologenverband auf die Folgen hin, welche das Verhalten der Krankenkassen nach sich zieht: „Die im Raum stehenden Regressforderungen können für Urologinnen und Urologen existenzbedrohend sein. Und sie erzeugen Angst.“ Junge Urologen würden „spätestens jetzt durch die Zunahme von Prüfverfahren abgeschreckt und entscheiden sich im Zweifelsfall gegen die eigene Niederlassung“, so BvDU-Präsident Dr. Axel Belusa. Doch auch erfahrene Urologen würden sich die Frage stellen, ob sie angesichts der Prüfverfahren und der durch die Krankenkassen geschaffenen Unklarheit ihre Onkologie-Zulassung abgeben sollten. „Die Folge wäre eine radikale Verschlechterung der ambulanten urologisch-onkologischen Versorgung von Patientinnen und Patienten“, warnt der Berufsverband.

(ms/BIERMANN)