Reizdarmsyndrom nach Gastroenteritis kann bei etwa der Hälfte der Betroffenen vier Jahre und mehr andauern

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Als wahrscheinliche Verantwortliche für ein langanhaltendes Reizdarmsyndrom nach überstandener Schleimhautentzündung wollen Forschende aggressive und entzündungsfördernde Bakterien und das SARS-CoV-2 ausgemacht haben.

Das Reizdarmsyndrom (RDS) und wiederkehrende Verdauungsstörungen unbekannter Ursache (funktionelle Dyspepsie) sind Erkrankungen der Darm-Hirn-Achse. Obwohl sie weltweit verbreitet sind, seien ihre Ursachen noch immer schlecht verstanden, unterstreichen die Wissenschaftler. Ein plötzliches Auftreten einer Gastroenteritis gilt jedoch als einer der möglichen Auslöser, wie die Studienautoren den Hintergrund ihrer Untersuchung erklären. Um dies weiter zu untersuchen, durchsuchten sie Forschungsdatenbanken nach veröffentlichten Studien zur Entwicklung von RDS oder funktioneller Dyspepsie nach einer Gastroenteritis bei Personen, die mindestens drei Monate nach dem Auftreten der Schleimhautentzündung des Magen-Darm-Traktes überwacht wurden.

Von 75 infrage kommenden Studien waren 45, die insgesamt 21.870 Personen umfassten – hauptsächlich aus Europa und Nordamerika – für eine gepoolte Datenanalyse geeignet. Sechzehn Studien wurden als qualitativ hochwertig beurteilt, die übrigen als von mittelmäßiger Qualität.

Die Prävalenz des RDS nach einer Gastroenteritis betrug – basierend auf 46 mit 14.446 Personen – 14,5 Prozent. Für funktionelle Dyspepsie errechneten die Forschenden eine Prävalenz von fast 13 Prozent. Grundlage für diesen Wert waren 13 Studien mit 5636 Patienten.

Im Vergleich zu Personen ohne Gastroenteritis war die Wahrscheinlichkeit, ein Reizdarmsyndrom zu entwickeln, bei Personen mit einer solchen Schleimhautentzündung mehr als viermal so hoch. Die Wahrscheinlichkeit, danach eine funktionelle Dyspepsie zu entwickeln, erwies sich in der Analyse der Forschenden als dreimal so hoch.

Um die Studienergebnisse zur Dauer der funktionellen Dyspepsie nach einer Gastroenteritis zusammenzufassen, gab es nach Auskunft der Studienautoren nicht genügend Daten. Die Analyse der zusammengefassten Daten zum Reizdarmsyndrom jedoch zeigte, dass die Symptome bei 100 von 201 Personen (50%) in fünf Studien zwischen sechs und elf Monate und bei 125 von 239 Personen (52%) in drei Studien sogar ein bis vier Jahre anhielten. Bei 187 von 471 Personen (40%) in vier Studien blieben die Symptome länger als fünf Jahre bestehen.

Die Analyse der zusammengefassten Daten wies auf bestimmte Risikofaktoren für die Entwicklung eines RDS nach einer Gastroenteritis hin. Den einflussreichsten Faktor stellte nach Angaben der Wissenschaftler eine Angststörung in der Vorgeschichte dar: Eine solche war mit einem dreifach erhöhten Risiko verbunden. Eine länger als drei Wochen anhaltende Diarrhoe war mit einem mehr als doppelt so hohen Risiko assoziiert, während Krankenhauseinweisungen und weibliches Geschlecht mit einem um 65 beziehungsweise um 59 Prozent erhöhten Risiko in Zusammenhang standen.

Die Auswertung bezüglich beteiligter Infektionserreger zeigte, dass in fast elf Prozent der Fälle Viren beteiligt waren (13 Studien; 3585 Personen), Bakterien in nur etwas mehr als 18 Prozent (20 Studien; 7050 Personen) und Parasiten in 30 Prozent der Fälle (2 Studien mit 779 Personen). Die höchste Prävalenz des RDS nach einer Gastroenteritis war mit einer Campylobacter-Infektion (21%) verbunden, wie aus sechs Studien hervorging. Nach einer Infektion mit Proteobacteria-Arten war die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung eines RDS fünfmal und bei einer Infektion mit Enterobacteriaceae-Arten viermal so hoch. Personen, die sich mit SARS-CoV-2 oder Parasiten infizierten, zeigten eine fünffach erhöhte Wahrscheinlichkeit für ein RDS.

Die Forschenden berichten weiter, dass die Prävalenz funktioneller Dyspepsie nach Gastroenteritis bei bakteriellen Infektionen fast 14 Prozent betrug (4 Studien; 759 Personen) und bei einer SARS-CoV-2-Infektion zehn Prozent (5 Studien; 1269 Personen). Dabei stellten Enterobacteriaceae-Arten die häufigsten Infektionsverursacher dar.

Zwar handele es sich bei ihrer Analyse um die bislang größte gepoolte Datenanalyse zur Prävalenz von Reizdarmsyndrom und funktioneller Dyspepsie nach einer Gastroenteritis, erklären die Wissenschaftler, doch sie räumen auch einige Einschränkungen der Untersuchung ein. So hätten sich die in die Auswertung aufgenommenen Arbeit im Studiendesign, in den verwendeten Definitionen, in den Teilnehmerzahlen und der Dauer der Nachbeobachtung erheblich unterschieden. Zudem hätten im Mittelpunkt der meisten von ihnen westliche Populationen gestanden. Daten aus der Asien-Pazifik-Region und Afrika hätten nur begrenzt vorgelegen. Auch weisen die Forschenden darauf hin, dass in einigen der analysierten Studien keine mikrobiologischen Nachweise einer Gastroenteritis vorgelegen hätten. Dennoch betonen sie: „Die Pathophysiologie von [Störungen der Darm-Hirn-Interaktion] ist noch wenig erforscht, und diese Störungen werden von Angehörigen der Heilberufe traditionell als hauptsächlich psychologische und weniger ‚valide‘ Krankheiten wahrgenommen. Dies birgt das potenzielle Risiko, die Erwartungen und Beschwerden der Patienten zu unterschätzen.“