Resistenz gegen Erdafitinib bei Urothelkarzinom: Mechanismus entdeckt und überwunden

Die beiden Erstautorinnen der Studie, Viola Killian und Sana Hosni, und Abdullah Alajati, Leiter des urologischen Forschungslabors am Universitätsklinikum Bonn. Foto: (c) Universitätsklinikum Bonn (UKB) / Alessandro Winkler

Bonner Forschende haben herausgefunden, dass ein Protein aus Vorläufern des Fettgewebes ursächlich für das Therapieversagen bei einer bestimmten Blasenkrebstherapie ist. Wie sie im Fachjournal „Cancer Research“ berichten, haben sie auch eine Lösungsstrategie entwickelt, um die Resistenz zu überwinden.

Mehrere Studien konnten zeigen, dass genetische Veränderungen in der Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptorfamilie, kurz FGFR, eine zentrale Rolle bei verschiedenen Krebsarten, so auch beim Urothelkarzinom, spielen. Diese Rezeptoren binden an verschiedene Fibroblasten-Wachstumsfaktoren (FGF), die als Signalproteine unter anderem das Zellwachstum regulieren. Nach der Bindung setzen die so aktivierten FGFRs, die zu den Rezeptor-Tyrosinkinasen gehören, eine Signalkaskade in der Zelle in Gang. Der FGFR-Signalweg ist so an vielen zentralen Vorgängen der Zellentwicklung wie Wachstum, Differenzierung, Migration und dem Überleben der Zelle beteiligt. Daher wird seit Kurzem neben der Erstlinientherapie eine zielgerichtete Krebstherapie bestehend aus dem Tyrosinkinase-Inhibitor Erdafitinib eingesetzt, der alle Unterformen der FGFR-Familie beziehungsweise deren nachgeschalteten Signalwege blockiert. „Leider ergaben nachfolgende klinische Studien ein schnelles Therapieversagen mit Tumorprogress und somit nur einen vorübergehenden Überlebensvorteil der betroffenen Patienten, was auf die Entwicklung von Resistenzmechanismen gegenüber Erdafitinib zurückzuführen ist“; sagt Dr. Abdullah Alajati, Leiter des Forschungslabors der Klinik für Urologie und Kinderurologie am Universitätsklinikum Bonn (UKB).

HER3-Antikörpertherapie durchbricht Resistenzmechanismus

Das Team des urologischen Forschungslabors rund um Alajati legte daher bei der Erforschung der zugrundeliegenden Mechanismen den Fokus vor allem auf den bis jetzt noch wenig untersuchten Einfluss des Tumormikromilieus, also der direkten Umgebung eines Tumors, der sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt. „Wir fanden heraus, dass ein bestimmter Zelltyp und zwar Präadipozyten, also Vorläuferzellen des Fettgewebes, maßgeblich an der Resistenzentwicklung der Tumorzellen in Urothelkarzinomen beteiligt sind“, sagt Alajati. Diese Vorläuferadipozyten sekretieren ein bestimmtes Protein, das Neuregulin-1 (NRG1). Als einer der wichtigsten Liganden der Rezeptor-Tyrosin-Proteinkinase ErbB-3, auch bekannt als HER3 (human epidermal growth factor receptor 3), aktiviert NRG1 diesen alternativen Signalweg. Dadurch werden die Tumorzellen aber unempfindlich gegenüber der Erdafitinib-Behandlung. „Wir konnten zeigen, dass ein Ausschalten des NRG1-Gens dazu führt, dass die Zellen ihre Resistenz gegenüber Erdatifinib verlieren, wodurch sehr deutlich wird, dass das Protein NRG1 der Vermittler dieser Resistenz sein muss“, erklärt Alajati.

Um ihre Hypothese bestärken zu können, verwendete das Team den bereits im klinischen Alltag etablierten Antikörper Pertuzumab, der eine Aktivierung des NRG1/HER3-Signalweges verhindert. „Interessanterweise wird das Tumorwachstum unter gleichzeitigem Einsatz von Erdafitinib und Pertuzumab wieder unterdrückt, das sich auch im Mausmodell durch einen positiven Einfluss auf das Gesamtüberleben bestätigen ließ“, sagt Doktorandin Sana Hosni, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungslabor der Klinik für Urologie und Kinderurologie am UKB. Viola Kilian, Doktorandin an der Universität Bonn, ergänzt: „Das heißt die Erdafitinib-Resistenz konnte durch die zusätzliche Blockade der HER3-Signalübermittlung aufgehoben werden“. Das Team erhofft sich, dass diese Forschungsergebnisse und die daraus hervorgehenden Hypothesen in weiteren, vor allem klinischen Studien, evaluiert werden, um in naher Zukunft wirksame Kombinationstherapien bei der Behandlung von Patienten mit metastasierten Urothelkarzinomen einsetzen zu können. „Da der NRG1/HER3-Signalweg auch bei anderen Tumorentitäten wie Brustkrebs oder Eierstockkrebs eine wichtige Rolle spielt, könnten unsere Ergebnisse darüber hinaus sehr relevant sein“, sagt Alajati.

Erdafitinib in Europa noch nicht zugelassen

Im April 2019 erhielt Erdafitinib von der US-amerikanischen Food and Drug Administration die Zulassung zur Behandlung von metastasiertem oder lokal fortgeschrittenem Blasenkrebs mit einer FGFR3- oder FGFR2-Veränderung, der nach herkömmlichen platinbasierten Therapien progredient ist, vorbehaltlich einer Bestätigungsstudie. Der Arzneimittelhersteller Janssen teilte am 12.09.2023 mit, er habe bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur einen Zulassungsantrag eingereicht. Der Antrag basiert auf den Ergebnissen der Phase III-Studie THOR. Nach aktuellen Daten vom Kongress der European Society of Medical Oncology im März 2023 zeigte die Studie Vorteile einer Therapie mit Erdafitinib gegenüber der Standard-Chemotherapie bei Patienten mit metastasiertem Urothelkarzinom und FGFR-Veränderungen (wir berichteten, s. Link unten).

(UKB/ms)