Retina-Bildgebung: Zusammenhang zwischen Long-COVID und Augengesundheit entdeckt

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Eine aktuelle US-amerikanische Studie zeigt, dass die Bildgebung der Netzhaut neue Perspektiven für die Diagnose und das Monitoring von Long-COVID eröffnen könnte.

Wie viel können die Augen über einen Menschen verraten? Eine Untersuchung der Northwestern Medicine, Illinois, USA, die im Journal of Imaging veröffentlicht wurde, gibt Experten eine Vorstellung davon, wie Long-COVID den Körper beeinträchtigt – einfach durch einen Blick in die Augen. Die Forschungsergebnisse könnten Ärzten dabei helfen, die Auswirkungen der Krankheit auf die Betroffenen zu diagnostizieren und zu verfolgen. Zudem könnten sie Aufschluss über die Ursache von Long-COVID geben.

Dichte der Blutgefäße bei Long-COVID verringert

Für diese Arbeit wurden die Netzhäute von nicht hospitalisierten Patienten mit Long-COVID der Neuro-COVID-19-Klinik der Northwestern Medicine mit fortschrittlichen bildgebenden Verfahren untersucht. Die Forscher stellten fest, dass bei Patienten mit Long-COVID die Dichte der Blutgefäße im hinteren Teil des Auges im Vergleich zu gesunden Personen deutlich verringert ist.

„Dieser Befund schlägt eine Brücke zwischen Augenheilkunde, Neurologie und COVID-19 und hilft uns, besser zu verstehen, wie sich die Entzündung auf verschiedene Organe im Körper auswirkt“, erklärt Dr. Manjot K. Gill, Hauptautor der Studie und Leiter der Augenheilkunde des Northwestern Medicine Comprehensive COVID-19 Center. „Die Veränderung der Blutgefäße im tiefen Teil der Netzhaut unterstützt die Hypothese, dass Long-COVID ähnliche Blutgefäße in anderen Teilen des Körpers, wie dem Gehirn, beeinflusst, was möglicherweise zu den Symptomen von Long-COVID wie Gedächtnisverlust, Gehirnnebel und Müdigkeit beitragen kann.“

Abnahme des Blutflusses in kleinsten Gefäßen bei Long-COVID

Bei Patienten mit Long-COVID konnten die Forscher beobachten, dass die bedeutendste Veränderung eine Abnahme des Blutflusses in den kleinsten Blutgefäßen in den tieferen Schichten der Netzhaut war. Die Forscher gehen davon aus, dass dieser Rückgang der Durchblutung auf eine verminderte Durchblutung des Gehirns zurückzuführen ist, was zu neurologischen Symptomen führen kann.

„In der Okulomik – dem Forschungsgebiet, das die Beziehung zwischen Augengesundheit und Systemkrankheiten untersucht – erforschen wir das Potenzial der Netzhaut als Biomarker für Krankheiten, der frühe Anzeichen von Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neurodegenerativen Störungen aufzeigt. Es ist spannend zu sehen, wie Long-COVID in diesen Rahmen passen könnte“, erörtert Gill. „Die Bildgebung der Netzhaut ermöglicht es uns, Blutgefäße zu sehen, die wir anderswo nicht ohne Weiteres abbilden können, sodass die Augen in diesem Zusammenhang wirklich das „Fenster zur Seele“ sind.“

Neue Längsschnittstudie geplant

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen starten die Forscher eine Längsschnittstudie, in der untersucht werden soll, wie die Veränderungen in den tiefen Blutgefäßen der Netzhaut mit den Symptomen der Patienten und anderen etablierten Markern von Long-COVID zusammenhängen. Sie hoffen, feststellen zu können, ob die Netzhautbildgebung als Instrument zur Diagnose, zum Management und zur Vorhersage des Fortschreitens von Long-COVID sowie zur Ermittlung seiner Ursache eingesetzt werden kann.

„Auch wenn die unmittelbare Bedrohung durch die COVID-19-Pandemie zurückgegangen ist, leidet etwa ein Drittel der COVID-19-Überlebenden an Spätfolgen. Dieses Problem betrifft schätzungsweise 17 Millionen Erwachsene in den USA und ist mit erheblichen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Belastungen verbunden, die etwa 600 Millionen Dollar an entgangenen Löhnen kosten“, betont Dr. Igor Koralnik, Direktor der Abteilung für neuroinfektiöse Erkrankungen und globale Neurologie an der Northwestern Medicine sowie Leiter der Neuro-COVID-19-Klinik und Co-Direktor des Northwestern Medicine Comprehensive COVID-19-Center. „Derzeit gibt es keine spezifischen Behandlungen für Long-COVID, und diese Forschung trägt dazu bei, unser Verständnis der Krankheit zu verbessern. Indem wir die Auswirkungen von COVID-19 auf den Körper untersuchen, können wir die Diagnose, das Management und die Unterstützung für die Betroffenen verbessern.“