Retinale Ischämien: Protein Tenascin-C potenzieller Biomarker

Ein retinaler Venenverschluss (Foto) ist eine Ursache für schlecht oder gar nicht mehr durchblutete – ischämische – Netzhautareale. Foto: BVA/Prof. Dr. Ulrich Mester

Zahlreiche Augenerkrankungen gehen mit Ischämien einher, die bis zur Erblindung führen können. Welche Rolle das Protein Tenascin-C, ein Bestandteil der extrazellulären Matrix, bei der Minderdurchblutung der Netzhaut spielt, untersuchten Forscherinnen der Ruhr-Universität Bochum (RUB) an Mäusen. 

Das Forschungsteam zeigte, dass Tenascin-C eine entscheidende Rolle bei der Schädigung von Sehsinneszellen nach Ischämien spielt.
Ischämien entstehen durch eine Unterbrechung der Blut- und Nährstoffversorgung in der Netzhaut – ähnlich wie bei einem Schlaganfall. In der Folge sterben Sehsinneszellen ab, was zu Sehstörungen und sogar zur Erblindung führen kann. Das Forschungsteam zeigte bei Mäusen, dass Netzhautzellen sehr früh nach einer Ischämie verstärkt Tenascin-C bilden. Im weiteren Verlauf des retinalen Schadens verringert sich die Menge des Proteins dann wieder. „Tenascin-C könnte somit ein Biomarker für die Früherkennung ischämischer Augenerkrankungen sein“, sagt Dr. Jacqueline Reinhard vom Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie der RUB.

Verbesserte Netzhautfunktion ohne Tenascin-C nach Ischämie
Die Wissenschaftlerinnen führten auch Elektroretinogramm-Analysen durch, mit deren Hilfe sie den elektrischen Signalfluss der Netzhaut nach einem Lichtimpuls messen konnten. So zeigten sie, dass eine retinale Minderdurchblutung bestimmte Zelltypen in der Netzhaut funktionell beeinträchtigt: sowohl die Stäbchen-Fotorezeptoren als auch die in der Sehverarbeitung nachgeschalteten Bipolarzellen.
Bei genetisch veränderten Mäusen, die kein Tenascin-C bilden konnten, funktionierten die Sehsinneszellen der Netzhaut deutlich besser nach einer ischämischen Schädigung als bei Kontrolltieren, die Tenascin-C besaßen. Außerdem starben ohne Tenascin-C weniger Stäbchen-Fotorezeptorzellen ab.

Mögliche Veränderungen zwischen den Kontaktstellen der Nervenzellen
Des Weiteren wiesen die Wissenschaftlerinnen erhöhte Level des vesikulären Glutamat-Transporters vGlut1 in der minderdurchbluteten Netzhaut nach. „Diese könnten mit einer beeinträchtigten synaptischen Signalübertragung zwischen den Zellen zusammenhängen und zum Zelluntergang als Folge des ‘Augeninfarktes’ beitragen. Tenascin-C könnte hier ein wichtiger Modulator sein“, vermutet Reinhard. „Auf Basis dieser Erkenntnisse können zukünftig neue Ansätze erforscht werden, um den Therapieerfolg des Augeninfarkts weiter zu verbessern.“

Die Forschungsergebnisse wurden in der Zeitschrift “Frontiers in Neuroscience” am 20. Mai 2021 online publiziert.
Im Rahmen der Forschungsarbeit kooperierte das Team um Reinhard und Dr. Susanne Wiemann vom RUB-Lehrstuhl für Zellmorphologie und Molekulare Neurobiologie mit der Arbeitsgruppe von Prof. Stephanie Joachim des Experimental Eye Research Institute der Universitäts-Augenklinik in Bochum.

Originalpublikation:
Susanne Wiemann, Aisha Yousf, Stephanie C. Joachim, Carolin Peters, Ana M. Mueller-Buehl, Natalie Wagner, Jacqueline Reinhard: Knock-out of tenascin-C ameliorates ischemia-induced rod-photoreceptor degeneration and retinal dysfunction. Frontiers in Neuroscience 2021.
doi: 10.3389/fnins.2021.642176

Förderung
Das Mercator Research Center Ruhr (MERCUR) unterstützte die Arbeiten von Jacqueline Reinhard im Rahmen der Förderung mit dem Kennzeichen An-2017-0029. Susanne Wiemann wurde von der Konrad-Adenauer-Stiftung im Rahmen eines Promotionsstipendiums gefördert.