Review beleuchtet Therapie von Erwachsenen mit ADHS

Erwachsene mit ADHS leiden unter einer Vielzahl von kognitiven, emotionalen und sozialen Schwierigkeiten. (Foto: © елена калиничева – stock.adobe.com)

Die Stimulanzien Amphetamin sowie Methylphenidat und die Arznei Atomoxetin verringern die Kernsymptome einer Aufmerksamkeitsdefizit- /Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Erwachsenen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Netzwerk-Metaanalyse, die in „The Lancet Psychiatry” veröffentlicht wurde. Diese stellt die bislang umfassendste Synthese der verfügbaren Evidenz dar.

Die ADHS galt früher als reine Kinderkrankheit. Inzwischen weiß man jedoch, dass ADHS bei bis zu 75 Prozent der Betroffenen bis ins Erwachsenenalter anhalten kann und weltweit etwa 2,5 Prozent der erwachsenen Allgemeinbevölkerung betroffen sind. Für die Behandlung von Personen mit ADHS liegt im deutschsprachigen Raum die S3-Leitlinie „Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter“ vor.1 Zu den Behandlungsmöglichkeiten gehören Medikamente und nichtpharmakologische Ansätze wie Psychotherapie. In den vergangenen Jahren wurde eine wachsende Zahl von Studien über Erwachsene mit ADHS durchgeführt, und es besteht ein dringender Bedarf an einem besseren Verständnis der Behandlung dieser Patienten. 

Die Autoren des systematischen Reviews und der Netzwerk-Meta-Analyse verglichen die Akzeptanz und Wirksamkeit verfügbarer Medikamente und nichtpharmakologischer Interventionen (wie kognitive Verhaltenstherapie, Dialektisch Behaviorale Therapie, Entspannungstherapie, Psychoedukation und transkranielle Gleichstromstimulation) zur Behandlung von ADHS bei Erwachsenen.2 Dabei betrachteten sie auch den Schweregrad der Symptome, die exekutive Dysfunktion (wie beispielsweise Arbeitsgedächtnisprobleme), emotionale Dysregulation, Lebensqualität und Nebenwirkungen. Sie schlossen 113 randomisierte klinische Studien mit 14.887 Teilnehmenden ein, die einer von 16 Interventionen (pharmakologische Therapien, psychologische Therapien, neurostimulatorische Therapie und Neurofeedback) oder einer Kontrollbedingung zugewiesen wurden.  

Die Ergebnisse zeigen, dass eine schnelle Besserung der Symptome nur durch die medikamentöse Therapie mit Stimulanzien (wie Methylphenidat) oder Atomoxetin erreicht werden konnte. Sowohl die Patienten als auch die behandelnden Personen berichten hier eine Verringerung der Kernsymptome, allerdings war die Akzeptanz von Atomoxetin schlechter.

Nichtpharmakologische Behandlungen wie die kognitive Verhaltenstherapie oder die Dialektisch Behaviorale Therapie zeigten erst später eine Besserung der Kernsymptome – die Studienlage war hier aber geringer und die Ergebnisse unterschieden sich zwischen den Beurteilenden. 

„Das Ergebnis ist kongruent mit den Erkenntnissen zu ADHS bei Kindern und Jugendlichen. Eine Psychotherapie wirkt kaum auf die Kernsymptome einer ADHS. Diese wiederum können sehr gut mit Medikamenten adressiert werden, was auch Ergebnis dieser Studie ist. Hingegen können sekundäre Störungen, wie zum Beispiel die häufigen psychische Begleitstörungen oder psychosoziale Probleme mit Psychotherapie positiv beeinflusst werden. Was wir bei Kindern nun immer besser verstehen, wird durch dieses Review auch bei Erwachsenen bestätigt“, kommentierte Prof. Marcel Romanos, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (KJPPP), Universitätsklinikum Würzburg, die Ergebnisse des Reviews.

Vergleich der Behandlungsansätze

„Die Behandlung von ADHS-Patient:innen mit einer Psychotherapie ist auch mit diesem Review nicht hinfällig. ADHS ist häufig der Kern, dem sich im Laufe der Zeit weitere psychische Belastungen, Störungen und Beeinträchtigungen hinzugesellen. ADHS ist selten allein. Sekundäre Probleme wie etwa Beziehungsprobleme, reaktive Angst, soziale Konflikte am Arbeitsplatz, Probleme in der Erziehung von Kindern, aggressives Verhalten, aber auch sekundäre körperliche Krankheiten stehen im Verlauf oft im Vordergrund, die oft mit Psychotherapie therapiert werden können“, stellte Romanos klar.

Limitationen des Reviews sehen die Autoren in der begrenzten Verfügbarkeit von Langzeitdaten.