Rheuma und Geschlecht: Diagnose bei Frauen später und Erkrankung häufiger als bei Männern

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Frauen erhalten die Diagnose über eine rheumatische Erkrankung deutlich später als Männer, obwohl sie häufiger an Rheuma leiden und gegenüber männlichen Patienten eine erhöhte Krankheitslast angeben. Das sind Ergebnisse einer aktuellen Überblicksstudie.

Bei der Mehrzahl der rheumatischen Erkrankungen ist der Anteil an betroffenen Frauen größer als der der Männer. Dies betrifft vor allem Kollagenosen und die Rheumatoide Arthritis (RA). Bei den Spondyloarthritiden ist die Geschlechterverteilung ausgewogen. Nur wenige entzündlich-rheumatische Erkrankungen, wie beispielsweise Morbus Behcet betreffen häufiger Männer.

„Umso verwunderlicher erscheint es, dass Frauen im Durchschnitt deutlich später eine Diagnose erhalten“, sagt Privatdozentin Dr. med. Uta Kiltz, Oberärztin am Rheumazentrum Ruhrgebiet, auf einer Pressekonferenz im Vorfeld des diesjährigen DGRh-Kongresses. Bei der systemischen Sklerose werden Männer im Schnitt ein Jahr früher diagnostiziert als Frauen. Mögliche Ursache dafür könnte sein, dass der Krankheitsverlauf bei Männern in der Regel schwerer ist. Deshalb zeigen sich Schäden an Organen früher und geben eher Hinweise auf eine rheumatische Erkrankung. Auch bilden sich – so beim Beispiel der systemischen Sklerose – bei Männern bestimmte Marker und Antikörper im Blut früher.

„Hinzu kommt, dass Frauen ein vielfältigeres Bild an Symptomen zeigen, was eine eindeutige Diagnose zusätzlich erschweren kann“, erläutert Kiltz. Diese Unterschiede lassen sich unter anderem auf hormonelle, immunologische und (epi)genetische Unterschiede zurückführen. Kiltz zufolge verteilen sich auch Komorbiditäten unterschiedlich auf die Geschlechter: So treten bei Frauen mit RA häufiger unter anderem Depressionen und Osteoporose auf, während es bei Männern eher kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes sind.

Eine kanadische Analyse offenbarte zudem, dass männliche Hausärzte unabhängig vom Geschlecht der Betroffenen später eine rheumatologische Überweisung veranlassten als ihre Kolleginnen. Folglich kann es für die Unterschiede in der Versorgung eine Rolle spielen, ob Patienten bei einem Arzt oder einer Ärztin in Behandlung sind.

Ob sich die Wirksamkeit von Medikamenten zwischen den Geschlechtern unterscheidet, ist umstritten. Erwiesen ist, dass immunsuppressive Therapien bei Frauen weniger dauerhafte wirken und sie im Vergleich zu Männern deutlich seltener das Therapieziel einer niedrigen Krankheitsaktivität erreichen.

Eine Ursache dafür könnte sein, dass Frauen in der Selbstauskunft die Krankheitsaktivität höher als Männer einschätzen. Zudem können rheumatische Erkrankungen soziale und psychologische Folgen haben, die sich bei Männern und Frauen unterschiedlich auswirken. Dies hängt auch mit Unterschieden in den gesellschaftlichen Erwartungen und Rollenbildern zusammen.

„Hier stehen wir ganz am Anfang: Es besteht noch ein erheblicher Forschungsbedarf, um die Kontextfaktoren so weit zu verstehen, dass eine personalisierte Medizin möglich ist“, erklärt Kiltz. „Die Ergebnisse zeigen, dass die Rheumatologie hier Nachholbedarf hat. Wir müssen die geschlechtsspezifischen Krankheitsausprägungen besser verstehen und diese Erkenntnisse in die Diagnostik und Therapie einfließen lassen“, betonte auch Prof. Christoph Baerwald, Kongresspräsident der DGRh und emeritierter Leiter der Abteilung Rheumatologie am Universitätsklinikum Leipzig.