Roboter und Künstliche Intelligenz – Die Zukunft der Endoprothetik?

Foto: Matthieu/stock.adobe.com

Welchen Nutzen haben Roboter bei endoprothetischen Operationen? Braucht es neue Materialien für Implantate und werden diese künftig immer kleiner? Das waren nur einige Fragen, die eine Expertenrunde aus drei Ländern auf dem VSOU-Kongress diskutierte.

„Ich könnte problemlos einen Roboter kaufen – aber ich will ihn nicht“, erklärte Prof. Peter Aldigner, Chefarzt am Endoprothetikzentrum an der Orthopädischen Klinik Paulinenhilfe Stuttgart. Er sieht OP-Roboter als Marketingtool, das Patienten anziehen soll oder gute junge Kollegen, die damit arbeiten wollten – auch dieses Argument habe er schon gehört, so Aldinger weiter. Auch die restlichen Experten in der Diskussionsrunde, die sich mit der Zukunft der Endoprothetik beschäftigte, sahen in der Robotik derzeit keinen echten Vorteil. Prof. Karl Stoffel, Ärztliche Leitung der Orthopädie Klinik Bethesda Spital des Universitätsspitals Basel sagte, dass zwar Kinderkrankheiten zu beheben seien, man aber eben noch nicht wisse, wo die Reise hingehe.

Den Trend, dass – speziell in Deutschland – die Implantate immer kleiner werden, hält Aldinger ebenfalls für eine „Marketingsache“. Aus seiner Sicht ist es aber kein Vorteil, eine kleinere Verankerungsstrecke zu haben. Er verwies aber auch auf den Aspekt der Zugangswege und je nach Wahl des Zugangsweges, gäbe es auch Argumente für kleinere Implantate. Prof. Patrick Sadoghi, Graz, meinte, wenn es die Möglichkeit gäbe weniger Knochen zu verbrauchen, sollte das gemacht werden.

Neurotoxische Metallionen und Nickel – Problematische Materialien?

Mit Blick auf die neuerotoxische Wirkung verschiedener Metallionen warf Moderator Prof. Perka, Ärztlicher Direktor des Muskuloskeletalen Zentrums an der Charité in Berlin die Frage in den Raum, ob es neue Materialien für Endoprothesen brauche: Viele der verwendeten Metalle finden sich auf der Liste neurotoxischer Substanzen wieder und die Implantate haben immer längere Standzeiten. Für Stoffel stellt jedoch eher Nickel, das sich in vielen Legierungen findet, ein Problem dar, weil seiner Erfahrung nach, jeder zehnte Patient eine Nickelallergie habe. Außerdem rechnet er damit, dass Stahl als Material künftig nicht mehr verwendet wird. Auch für Sadoghi, sind Allergien bei Patienten ein Thema. Es gäbe zwar hypoallergische Beschichtungen, für diese aber keine klinische Evidenz. Auch habe sich noch kein Material gefunden, das verhindert, dass sich ein Biofilm bildet. Aldinger gab zu bedenken, dass es schwierig sei mit neuen Implantaten die Ergebnisse zu bekommen, die zurzeit mit den bewährten Materialien erreicht werden. Das größte Potenzial sieht er in der Keramik.

ChatGTP und KI: Freund oder Feind?

Im Verlauf der Diskussionen kamen auch Themen zur Sprache, die nicht nur die Endoprothetik, sondern die ganze Medizin betreffen. So werden nach Einschätzung von Perka in Zukunft KI und ChatGTP eine wachsende Rolle spielen: „Das wird nicht zu stoppen sein – wie gehen wir damit um?“ Er sieht bei ChatGTP vor allem Auswirkungen auf das wissenschaftliche Publizieren und die eigene Bewertung wissenschaftlicher Publikationen. Sodoghi sieht gerade für diesen Bereich in ChatGTP die Gefahr eine „Black Box“, die keinen Einblick in die Entstehung einer Publikation erlaubt: „Wenn ich eine normale Metaanalyse lese, kann ich den Autor fragen – ChatGTP nicht.“ Er denkt allerdings auch, dass die Entwicklung nicht aufzuhalten ist. Auch Stoffel zeigte sich davon überzeugt und wies darauf hin, dass die Technik vielleicht auch so eingesetzt werden könne, dass sie hilfreich sei. „Grundsätzlich sehe ich das positiv“, bewertete Aldinger das Potenzial von KI & Co. Er erhoffe sich eine Vereinfachung des Arbeitsalltags, etwa bei der Formulierung von Arztbriefen. Es gebe sicherlich auch negative Aspekte, mit denen man sich beschäftigen müsse.

Studienqualität und Nutzen von PROMS

Was die Qualität wissenschaftlicher Publikationen angeht, stellte Perka jenseits von ChatGTP weitere Fragen in den Raum, etwa welche Rolle soziale Verhältnisse für Studien spielen, ob beispielsweise Ergebnisse aus China übertragbar sind, was Metaanalysen bringen und wie man bewerte, was man glaubt und was nicht. „Wenn ich Dinge lese, die grundlegend anders sind, fahre ich hin und schaue mir an, ob und wie das funktioniert“, lautete Aldingers Antwort auf diese letzte Frage. Vertrauen schaffe es, jemanden persönlich zu kennen, erklärte Stoffel. Kritisch zu sehen sind für ihn Open-Access-Journals, bei denen publiziert wird, wer bezahlt. Das sei eine gefährliche Entwicklung, warnte Stoffel. Sadoghi richtete den Blick auf das klinische Outcome von Studien und bedauerte, dass es zu schwierig sei negative Ergebnisse zu publizieren. Das verzerre die Wahrnehmung der Ergebnisse.

Kritisch betrachtete die Runde auch das Thema „Patient relatet outcomes“ (PROMS). So merkte Perka an, das sei zwar von der Politik gefordert, aber er sehe diese Daten „extrem skeptisch“. Auch für Aldinger bringen PROMS keine Erkenntnisse, es gehe vielmehr um die Verhandlungsposition gegenüber Kostenträgern, Kassen böten mitunter Qualitätsverträge mit zusätzlicher Vergütung, wenn die PROMS gut seien. In Österreich sei die Erhebung von PROMS bereits verpflichtend, so Sadoghi, der „Unschärfen“ bei diesen Daten bemängelte. Auch in der Schweiz gibt es laut Stoffel bereits Kooperationen mit Krankenkassen, bei denen eine Verbesserung bei den PROMS dann höher vergütet werde. (ja)