Römische Pferdezucht nördlich der Alpen: Neue Erkenntnisse aus Archäologie und Genetik

Archäologische Szene aus der Fundstätte der römischen Siedlung Favianis, dem heutigen Mautern. Hier legten die Wissenschafter eine, in der vorliegenden Studie verwendete, Probe frei. Foto: © Karl Günther Kunst

Eine internationale Forschungsgruppe hat bahnbrechende Erkenntnisse über die Pferdezucht und Nutzung von Equiden (Pferden und Maultieren) in der Römerzeit nördlich der Alpen gewonnen. Unter anderem, dass die Pferde der Römer deutlich größer waren.

Die Forschungsarbeit, die unter Federführung von Elmira Mohandesan vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung (KLIVV) der Vetmeduni durchgeführt und durch den Österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) sowie die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt wurde, basiert auf mehr als 400 archäologischen Funden und integriert modernste genetische Analysen mit historischen und archäologischen Belegen.

Die Studie beleuchtet, wie die Römer ihre Pferde und Maultiere für militärische, wirtschaftliche und zivile Zwecke nutzten und welche Auswirkungen dies auf die lokale Bevölkerung und Tierhaltung hatte.

Größere Pferde, neue Praktiken

Die römische Eroberung des nördlichen Alpenvorlands im Jahr 15 v. Chr. markierte einen Wendepunkt in der Geschichte der Region. Neben politischen und kulturellen Veränderungen brachten die Römer auch neue Tierarten und Zuchtstrategien mit. Die Wissenschafter analysierten morphologische Proben von über 40 Pferden aus der späten Eisen- und Römerzeit. Dabei stellten sie fest, dass die römischen Pferde im Durchschnitt deutlich größer waren als ihre eisenzeitlichen Vorgänger. Historische Quellen berichten, dass die Römer die kleinen Pferde der lokalen germanischen Stämme als ungeeignet für den Einsatz in der Kavallerie betrachteten und daher größere Tiere importierten.

Interessanterweise konnte die Studie keine genetische Grundlage für die größere Statur der römischen Pferde identifizieren. Dies deutet darauf hin, dass andere Faktoren wie verbesserte Ernährung, Haltung oder gezielte Zuchtpraktiken eine Rolle gespielt haben könnten. „Die Römer importierten nicht nur Tiere, sondern brachten auch ihr Fachwissen in den Bereichen Zucht und Tierhaltung mit“, erklärt Studienleiterin Elmira Mohandesan vom KLIVV der Vetmeduni.

Genetische Vielfalt durch Import

Die Daten zeigen, dass die Römer Pferde aus ihrem gesamten Reich einführten, aus Regionen so weit entfernt wie Hispanien, Britannien und Thrakien. Dieser Zustrom förderte die genetische Vielfalt in der Alpenregion. Historische Texte und genetische Beweise bestätigen auch eine klare Unterscheidung in der Verwendung: männliche Pferde wurden in erster Linie für militärische Zwecke eingesetzt, während weibliche Pferde zivile Aufgaben wie Zucht und Transport übernahmen.

Maultiere: Unverzichtbar, aber nicht heimisch

Maultiere – die robusten Nachkommen von Pferden und Eseln – waren für die römische Logistik unverzichtbar, da sie Güter und militärische Vorräte transportierten. Die Studie fand jedoch keine Hinweise auf eine lokale Maultierzucht nördlich der Alpen. Stattdessen wurden Maultiere wahrscheinlich aus spezialisierten Zuchtzentren in Provinzen wie Gallia Belgica oder südlich in Italien importiert. „Dies unterstreicht den Umfang und die Effizienz des römischen Handels- und Logistiknetzwerks“, merkt Mohandesan an.

Ein Vermächtnis des kulturellen und technologischen Austauschs

Die Studienergebnisse verdeutlichen, wie tiefgreifend der Einfluss der Römer auf die Tierhaltung und -zucht in den eroberten Gebieten war. Die römische Armee brachte nicht nur neue Pferderassen in die Region, sondern auch fortschrittliche Zuchtmethoden und Kenntnisse der Tierhaltung. Dies führte zu dauerhaften Veränderungen in der lokalen Landwirtschaft und Infrastruktur. „Die Römerzeit war eine Ära des kulturellen und technologischen Austauschs, in der Tiere eine zentrale Rolle spielten. Durch die Kombination moderner Genetik mit Archäologie können wir diese Geschichten zum Leben erwecken und besser verstehen, wie Menschen und Tiere sich gegenseitig geprägt haben,“ sagt Mohandesan.

Im Bild: Linker Mittelhandknochen eines erwachsenen Pferdes aus der römischen Fundstätte Traismauer. An dieser Fundstätte wurden Proben für die aDNA-Analyse entnommen. Foto: © Konstantina Saliari