Rote Karte dem Krebs2. Februar 2023 Bild: ©Kaesler Media – stock.adobe.com Anlässlich des Welt-Krebs-Tages am 4. Februar ruft der Verein Vision Zero alle am Kampf gegen Krebs beteiligten Akteure dazu auf, ihre Anstrengungen zu intensivieren. Denn Jahr für Jahr sterben in Deutschland rund eine Viertelmillion Menschen an malignen Erkrankungen – Tendenz steigend.[i] “Würde man für jedes dieser Schicksale ein Kreuz auf deutschen Autobahnen aufstellen, dann stünde alle 57 Meter eines – eine völlig inakzeptable Situation”, sagt Prof. Christof von Kalle, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats von Vision Zero. “Unser Ziel ist es daher, die Zahl der krebsbedingten Todesfälle drastisch zu senken, idealerweise gegen Null zu bringen.” Vision Zero ist machbar Diese ‘Vision Zero’ hat ihr Vorbild in einer Initiative der 1970er Jahre, die für eine Senkung der damals sehr hohen Zahl verkehrsbedingter Todesfälle eintrat. Seither haben verschiedenste Maßnahmen die Sicherheit im Straßenverkehr massiv erhöht, darunter bauliche Veränderungen an unfallträchtigen Straßenführungen, Sicherheitseinrichtungen in Fahrzeugen sowie Aufklärungskampagnen. “Genauso müssen wir auch in der Onkologie vorgehen und auf dem Weg zur Vision Zero jeden Stein umdrehen”, sagt von Kalle. Aber ist dieses Ziel überhaupt realistisch? Auch hier lohnt der Blick auf bisherige Initiativen. So hat die Vision Zero im Straßenverkehr dazu geführt, dass die Zahl der verkehrsbedingten Todesfälle in Deutschland von knapp 20.000 im Jahr 1971 auf zuletzt rund 2600 gesunken ist.[ii] “Ähnliche Entwicklungen haben wir in der Betriebssicherheit oder im Flugwesen gesehen”, sagt von Kalle. Und auch in der Onkologie stehen die Chancen auf eine Vision Zero weit besser als es scheinen mag. Krebs vorbeugen, früh erkennen und bestmöglich behandeln Das größte Potenzial, um krebsbedingte Todesfälle zu verhindern, steckt in der Prävention. Knapp 40 Prozent aller Krebserkrankungen würden gar nicht erst auftreten, wenn Menschen Risikofaktoren, wie Alkohol- und Tabakkonsum, ungünstige Ernährung, Bewegungsmangel und Übergewicht vermeiden würden.[iii] Auch die Impfung gegen humane Papillomviren (HPV) kann Krebs verhindern, insbesondere Gebärmutterhalskrebs.[iv],[v],[vi] “Die Politik muss daher mehr tun, um die Bevölkerung zur Prävention zu motivieren”, so von Kalle. Weitere Chancen sieht Vision Zero in der Krebsfrüherkennung. Hier geht es laut von Kalle vor allem darum, die Teilnahmeraten zu erhöhen, beispielsweise am organisierten Darmkrebsscreening. “Die Maßnahme kann die Darmkrebs-bedingte Mortalität senken[vii],[viii], aber die Teilnahmeraten in Deutschland hinken denen in anderen Ländern weit hinterher”, so von Kalle. “Hier müssen wir dringend besser werden.” Als weiteres Handlungsfeld hat Vision Zero den leichteren Zugang zu Präzisionsdiagnostik und innovativen Krebstherapien definiert. Beispiel Lungenkrebs: Fortschritte in der zielgerichteten Therapie haben die Überlebenschancen bei metastasierter Erkrankung enorm verbessert. Damit Patienten solche Therapien erhalten können, müssen ihre Tumoren zuvor jedoch molekulargenetisch charakterisiert werden. “Das ist hierzulande nach wie vor nicht immer der Fall[ix], sodass manche Patientinnen und Patienten eventuell eine suboptimale Therapie erhalten”, beklagt von Kalle. Und nicht zuletzt sei es dringend notwendig, die Digitalisierung in allen diesen Bereichen zu verbessern. Der Vision-Zero-Forderungskatalog “Wenn wir in diesen Handlungsfeldern aktiv werden, werden wir ähnliche Erfolge sehen, wie im Straßenverkehr”, ist sich von Kalle sicher. Vision Zero fordert daher, – das Rauchen als wichtigsten Risikofaktor für verschiedenste Krebserkrankungen[x] durch Werbeverbote einzudämmen und auf Tabakprodukte einen ‘Präventionseuro’ zu erheben. Die Einnahmen sollen in einen Fonds fließen, aus dem Maßnahmen zur Förderung der Krebsprävention finanziert werden; – Maßnahmen zur Erhöhung der Impfrate bei der HPV-Impfung zu ergreifen, wie sie in anderen Ländern üblich sind (z. B. Impfangebote an Schulen). Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum DKFZ wurden hierzu Maßnahmen (Flyer für jungen Menschen) und Veranstaltungen entwickelt und durchgeführt; – das Einladungsverfahren zum Darmkrebsscreening nach dem Vorbild anderer Länder zu gestalten, die Teilnehmerquote signifikant zu erhöhen und das Eintrittsalter für das Darmkrebsscreening flexibel am individuellen Risiko auszurichten; – einen wohnortunabhängigen Zugang zu Präzisionsdiagnostik und innovativer Therapie insbesondere für Lungenkrebspatienten zu ermöglichen; – die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass medizinische Versorgungsdaten besser als bisher zum Wohle aller genutzt werden können. Details dazu sind in der Berliner Erklärung[xi] formuliert. Darüber hinaus unterstützt Vision Zero die Entwicklung eines konsentierten Datenformats zum Austausch Onkologie-bezogener Versorgungsdaten (GOLD – German OncoLogic Data Standard). Weitere wichtige Handlungsfelder und Projektinitiativen veröffentlicht Vision Zero auf seiner Website http://www.vision-zero-oncology.de . Dort finden Interessierte auch Informationen zum jährlichen Vision Zero Symposium, das 2023 am 19. und 20. Juni in Berlin stattfinden wird. Über Vision Zero Vision Zero e.V. ist ein Zusammenschluss namhafter Vertreter aus Wissenschaft, Medizin, Medien, Stiftungen, Verbänden und forschender Industrie. Der Verein versteht sich als ThinkTank und will dazu beitragen, die Prävention und Früherkennung von Krebserkrankungen nachhaltig zu verbessern, die onkologische Präzisionsdiagnostik sowie innovative Therapiekonzepte nachhaltig zu fördern und Vorlagen für Entscheidungsträger in der Gesundheitspolitik zu erarbeiten. Ziel ist es, die Zahl der vermeidbaren krebsbedingten Todesfälle drastisch zu senken, idealerweise gegen null zu bringen. [i] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/172573/umfrage/krebstote-in-deutschland/ [ii] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/185/umfrage/todesfaelle-im-strassenverkehr/ [iii] Brenner H, Mons U Dtsch Arztebl 2019; 116(4): A 132-3 [iv] Osmani V and Klug SJ HPV-Impfung zur Prävention von Genitalwarzen und Krebsvorstufen – Evidenzlage und Bewertung. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitsschutz, 2021;64(5): p. 590-599. [v] Lei J. et al. HPV Vaccination and the Risk of Invasive Cervical Cancer. N Engl J Med 2020;383(14):1340-1348 [vi] RKI, Faktenblatt zum Impfen – HPV. 2019 [vii] Ibañez-Sanz G et al. PLoS ONE 2021;16(6): e0253369; https://doi.org/10.1371/journal.pone.0253369 [viii] Brenner H et al. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 101-6; DOI: 10.3238/arztebl.2016.0101 [ix] https://diginet.nngm.de/bessere-versorgung-in-der-flaeche/ [x] Islami F et al. Ca Cancer J Clin 2018;68:31-54 [xi] Berliner Erklärung, Vision Zero e.V. 2021; online verfügbar unter https://vision-zero-oncology.de/berliner-erklaerung.php
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