Rückwärtsgang bei Herzinsuffizienz: Neue Gentherapie im Tiermodell induziert reverses Remodeling12. Dezember 2024 KI-generiertes Symbolbild: ©BrilliantPixels/stock.adobe.com In einem Modell herzinsuffizienter Schweine konnte eine neue Gentherapie die Auswirkungen der Herzinsuffizienz umkehren und die Herzfunktion der Tiere wiederherstellen. Derzeit ist eine Herzinsuffizienz irreversibel. In Ermangelung einer Herztransplantation zielen die meisten medizinischen Behandlungen darauf ab, die Belastung für das Herz zu verringern und das Fortschreiten der oft tödlichen Krankheit zu verlangsamen. Eine jüngst von Wissenschaftlern der University of Utah (USA) durchgeführte Tierstudie lässt jedoch hoffen, dass eine Gentherapie zukünftig Menschen mit Herzinsuffizienz zu einem längeren Leben verhelfen könnte. Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift „npj Regenerative Medicine“ veröffentlicht. Die Therapie erhöhte die Pumpleistung des Herzens und verbesserte die Überlebensrate der Versuchstiere, was in der Publikation als „eine beispiellose Erholung der Herzfunktion“ bezeichnet wird. Gentherapie bei herzinsuffizienten Minischweinen Die Forscher konzentrierten sich auf die Wiederherstellung des kritischen Herzproteins cardiac bridging integrator 1 (cBIN1). In ihren Untersuchungen wiesen Patienten mit Herzinsuffizienz niedrigere Konzentrationen dieses Proteins im Herzen auf als Kontrollpersonen ohne Herzinsuffizienz – und je niedriger die cBIN1-Konzentration war, desto größer war das Risiko einer schweren Erkrankung. „Wenn cBIN1 niedrig ist, wissen wir, dass es den Patienten nicht gut gehen wird“, sagt Dr. Robin Shaw, Direktor des Nora Eccles Harrison Cardiovascular Research and Training Institute (CVRTI) an der University of Utah und Mitautor der Studie. Daher fragten sich die Wissenschaftler was passieren würde, wenn man die Konzentration des Proteins wieder erhöht. Dazu griffen sie auf die in der Gentherapie häufig verwendeten und harmlosen Adeno-assoziierte Viren (hier konkret AAV9) zurück, um den Herzzellen eine zusätzliche Kopie des cBIN1-Gens zuzuführen. Sie injizierten das Virus in die Blutbahn von Minischweinen, bei denen zuvor experimentell eine nichtischämische dilatative Kardiomyopathie (DCM) mit Herzinsuffizienz und reduzierter Ejektionsfraktion (HFrEF) ausgelöst worden war. Dazu hatte man den Versuchstieren im Alter von fünf bis sieben Monaten einen Herzschrittmacher implantiert, der ihr Herz kontinuierlich auf eine Frequenz von 170 Schlägen pro Minute (bpm) stimulierte und so nach einigen Wochen zu einer DCM und HFrEF führte. Bei diesem Tiermodell führt die Herzinsuffizienz im Allgemeinen innerhalb weniger Monate zum Tod. Die Forscher injizierten das genetisch veränderte Virus AAV9-cBIN1 fünf herzinsuffizienten Schweinen, als Kontrolle erhielten vier Schweine ausschließlich PBS sowie ein Schwein ein GFP(Grün fluoreszierendes Protein)-tragendes Virus (AAV9-GFP). Das cBIN1-Gen konnte schließlich in den Herzzellen von vier der fünf mit AAV9-cBIN1 behandelten Schweine nachgewiesen werden. Im Vergleich zu den übrigen Versuchstieren überlebten diese vier Schweine jedoch bis zum Endpunkt der Studie nach sechs Monaten – während alle anderen im Laufe der Studie an den Folgen ihrer schweren HFrEF-Symptomatik verstarben. Umkehrung bestehender Herzschäden In einer Mitteilung zur Studie betont die University of Utah Health, dass die einmalige Behandlung mit AAV9-cBIN1 nicht nur verhinderte, dass sich die Herzinsuffizienz verschlimmerte. Einige wichtige Messwerte der Herzfunktion verbesserten sich sogar. Das deute darauf hin, dass sich das geschädigte Herz selbst repariert. Shaw betont, dass diese Art der Umkehrung bestehender Schäden höchst ungewöhnlich ist. „In der Geschichte der Herzinsuffizienzforschung haben wir noch nie eine solche Wirksamkeit gesehen“, sagt Shaw. Frühere Therapieversuche zur Behandlung der Herzinsuffizienz hätten Verbesserungen der Herzfunktion in der Größenordnung von fünf bis zehn Prozent gezeigt. Die cBIN1-Gentherapie verbesserte die Funktion um 30 Prozent. „Das ist wie Tag und Nacht“, fügt Shaw hinzu. Die Pumpleistung der behandelten Herzen nahm im Laufe der Zeit zu – zwar nicht auf ein völlig gesundes Niveau, aber fast auf das eines gesunden Herzens. Die gentherapeutisch behandelten Herzen blieben auch weniger dilatiert und ausgedünnt und ähnelten damit eher dem Aussehen nichtinsuffizienter Herzen. Obwohl die mit der Gentherapie behandelten Tiere während der gesamten Studie dem gleichen kardiovaskulären Stress ausgesetzt waren, der zu ihrer Herzinsuffizienz geführt hatte (per Schrittmacher induzierte Herzfrequenz von 170 bpm), stellte die Behandlung die pro Herzschlag gepumpte Blutmenge wieder auf ein völlig normales Niveau zurück. „Obwohl die Tiere immer noch dem Stress ausgesetzt sind, der die Herzinsuffizienz auslöst, konnten wir bei den Tieren, die die Behandlung erhielten, eine Erholung der Herzfunktion und eine Stabilisierung oder Schrumpfung des Herzens beobachten“, sagt Dr. TingTing Hong, außerordentlicher Professor für Pharmakologie und Toxikologie und Co-Autor der Studie. „Wir nennen das Reverse Remodeling. Das Herz wird wieder so, wie es normalerweise aussehen sollte.“ cBIN1 als Grundpfeiler des Herzens Die Forscher vermuten, dass die Fähigkeit von cBIN1, die Herzfunktion zu retten, von seiner Position innerhalb der Herzmuskelzellen abhängt, da es mit vielen anderen Proteinen interagiert, die für die Funktion des Herzmuskels wichtig sind. „cBIN1 dient als zentraler Signalknotenpunkt, der mehrere nachgeschaltete Proteine reguliert“, sagt Erstautorin Jing Li. Indem es den Rest der Herzzelle organisiere, trage cBIN1 zur Wiederherstellung kritischer Funktionen der Herzzellen bei. „cBIN1 bringt Vorteile für mehrere Signalwege“, fügt Li hinzu. Tatsächlich schien die Gentherapie die Herzfunktion auf mikroskopischer Ebene zu verbessern, mit besser organisierten Herzzellen und Proteinen. Die Forscher hoffen, dass die Rolle von cBIN1 als Hauptregulator der Herzzellarchitektur der Gentherapie zum Erfolg verhelfen und ein neues Paradigma für die Behandlung von Herzinsuffizienz einführen könnte, das auf den Herzmuskel selbst abzielt. Zusammen mit dem Industriepartner TikkunLev Therapeutics passt das Team die Gentherapie derzeit für den Einsatz am Menschen an und beabsichtigt, im Herbst 2025 die Zulassung für klinische Versuche am Menschen bei der U.S. Food and Drug Administration (FDA) zu beantragen. Obwohl die Forscher von den bisherigen Ergebnissen begeistert sind, muss die Therapie noch toxikologische Tests und andere Sicherheitsvorkehrungen bestehen. Und wie bei vielen Gentherapien bleibt abzuwarten, ob sie bei Menschen funktioniert, die eine natürliche Immunität gegen AAV entwickelt haben. (ah)
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